*6.8.1923 in Datterode, Eschwege; ✡ 6.8.2015 in Buenos Aires
Religion jüdisch
Staatsangehörigkeit deutsch
Vater Baruch Löbenstein *14.9.1881 in Datterode; ✡ 1942 in Riga Bikernieki
Mutter Ellen Helene Gottlieb *11.1.1890 in Schlitz, Lauterbach; ✡ 20.11.1944 in Stutthof
Schwester Bella Löbenstein *23.9.1914 in Datterode; ✡18.8.1942 in Auschwitz
Großvater Herz Löbenstein *7.9.1851 in Datterode; ✡25.6.1914 in Datterode
Großmutter Bertha Löbenstein geb. Goldschmidt *22. März 1857 in Erdmannrode, Altkreis Hünfeld; ✡24.10.1941 in Eschwege
Onkel Siegfried Löbenstein *14.3.1883 in Datterode; Rechtsanwalt Dr. jur; ✡ 29.11.1959 in Bonn
Tante Luise Liesel Karoline Strobel *12.10.1899 in Recklinghausen, evang. Christin; ✡ 29.11.1973 in Kassel
Cousinen
Helga Löbenstein *18.8.1927; ✡ 2015 in Bonn; oo Hermann Greiner (1920-2014), hochdekorierter Jagdflieger der Luftwaffe im 2.WK
Margot Löbenstein *23.8.1922; ✡ 30.8. 1947
Onkel Leo Gottlieb *31.5.1893 in Fulda; ✡Juni 1971 USA
Cousin Fred Gottlieb *1930 in Siegburg; ✡24.7.2020 in Jerusalem
Beruf landwirtschaftliche Praktikantin; Med. Technikerin
Adressen Datterode Nr. 31; Eschwege, Fr.-Wilhelmstraße 14; Hattenhof; New York; Montevideo; Buenos Aires
Heirat 18.9.1950 im Lake County mit Rolf/Ralph Mezger *26.1.1925 in Heilbronn; ✡2008
Kinder
Susanna Mezger *Juni 1955 in Montevideo; oo Lewenbuch
Gabriela Mezger *November 1961 in Montevideo; oo Santiago
Weiterer Lebensweg
Vater Baruch war Getreidehändler Fa. „Gebrüder Löbenstein“
1928 Umzug nach Eschwege, Friedrich-Wilhelmstraße 14
Schulbesuch für 9 Jahre Volks- und Mittelschule
April bis Anfang Oktober 1938 Jüdische Haushaltsschule, Internatsschule in
Wolfratshausen bei Bad Tölz. Der „Jüdische Frauenbund München“ betrieb auf dem Gelände des Erholungsheims ab 1926 eine staatlich genehmigte „Wirtschaftliche Frauenschule auf dem Land“. Das Institut bot jüdischen Mädchen nach ihrem Volksschulabschluss eine einjährige hauswirtschaftliche Ausbildung.
Oktober1938 Rückkehr zu den Eltern nach Eschwege
9./10.11.1938 Vater im Novemberpogrom zunächst von einem christl. Nachbarn versteckt, verhaftet am Bahnhof bei dem Versuch abzureisen; Verbringung mit den anderen Juden aus Eschwege in das „Hochzeitshaus“
Deportierung der Eschweger in das KL Buchenwald;
Buchenwald-Häftlingsnummer des Vaters 25700
Die Gold und Silberzwangsabgabe für Juden 1939
1939 Besuch von Tante Liesel Löbenstein (ev. Christin) in Begleitung eines SS-Mannes;, sie kommt aus Bonn, wo sie mit Tochter Helga seit 1939 bei ihren Eltern lebt. Ihr Ehemann Siegfried Löbenstein ist bereits 1936 aus Herne nach Antwerpen geflohen, da er als Jude und ehemaliges SPD-Ratsmitglied in Herne besonders gefährdet war; er wurde bereits am 10.3.1933 in Herne in Schutzhaft genommen. Liesel Löbenstein – pro forma 30.9.1935 in Bonn geschieden, 1948 wiederverheiratet – nimmt die Wertgegenstände der Familie nach Bonn in Verwahrung, um die „Gold-und Silberabgabe“ für Juden zu umgehen (Abgabefrist unter Strafandrohung bis 31. März 1939)
28.3.1939 Ausstellung der Kennkarte in Eschwege
17.5.1939 Margot mit den Eltern in Eschwege bei Minderheiten-Volkszählung
Das jüdische Umschulungslager Gehringshof
3.6.1940 Margot Löbenstein zur Hachschara in das jüdische Umschulungslager Gehringshof in Hattenhof bei Fulda; Träger ist der Bachad, 1928 gegründete Jugendorganisation des orthodox-jüdischen Misrachi; das hebräische Akronym בָּחָ״ד BaChaD steht für Brit Chaluzim Datiim, deutsch ‚Bund religiöser Pioniere‘; Träger zuletzt die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland RVJD.
Der Gehringshof wurde 1929 erworben von der Kibbuz-Haddati-Bewegung, Mitglied im Bachad, zuvor in Betzenrod und Rodges, ab April 1934 auch Kibbuz Hag Shamash
Die Ausbildung erfolgte auch auf den umliegenden Bauernhöfen. Neben dem Gehringshof bestanden in Hessen Hachscharalager in Grüsen, Külte bei Volkmarsen und Lohnberghütte bei Weilburg.
1.11.1940 Margot Löbenstein abgemeldet aus dem Gehringshof, Hattenhof
1940-1941 verschiedene Zwangsarbeitsstellen in Eschwege
Riga Deportation mit den Eltern aus Kassel
6.12.1941 Verbringung von 100 weiteren Juden aus Eschwege ins Sammellager nach Kassel, über Nacht im Sammellager Turnhalle der Bürgerschule für Jungen, Schillerstraße
9.12.1941 Deportation von Margot L. mit den Eltern, insgesamt mit 1034 Juden auf dem „Gesellschafts-Sonderzug Reichssicherheitshauptamt“, Zugnummer „Da 36“ ab Kassel über Berlin, Breslau, Posen, Königsberg, Riga- Skirotawa
12.12.1941 Ankunft Skirotawa; Fußmarsch ins Ghetto Riga bei 40 Grad minus
Schwester Bella von Amsterdam über Westerbork nach Auschwitz
4.7.1935 Schwester Bella verhaftet wegen Auslandsaufenthalt
10.7.-8.9.1935 Bella als Schützhäftling im „Schulungslager Moringen“
15.9.1935 Schwester Bella flieht nach Enschede;
1938 Bella Haushälterin bei Fam. Magnus in Amsterdam
Der letzte Brief von Schwester Bella aus Amsterdam
A‘[mster]dam, 16. Juli 1942
Meine lieben Eltern, mein liebes Margotlein!
Dass ich vor kurzem den ersten Bericht über Euer Wohlergehen bekommen habe, ist mir eine große Beruhigung. Denn ich stehe im Begriff, mein Domizil zu verändern, und es wird wohl einige Zeit dauern, bis wir wieder einander erreichbar sind. Ich bin nämlich zum Arbeitsdienst nach Deutschland aufgerufen und werde in einer knappen Stunde aufbrechen. Ich bin guten Mutes und mein Hauptwunsch ist, dass wir uns bald einmal wiedersehen. Da es jedoch möglich ist, dass Ihr früher als ich im Stande sein werdet die Verbindung untereinander wieder herzustellen so schreibe ich Euch diesen Brief, der also ein Abschiedsbrief für unbestimmte Zeit ist. Möge Gott Euch mir inzwischen gesund erhalten!
In Liebe Eure Bella
16.7.1942 Schwester Bella aus Amsterdam zur Bahnstation Hooghalen, Fußmarsch ins Camp Westerbork; dort keine Aufnahme vorgesehen, nur zur Registrierung; Fußmarsch zurück nach Hooghalen; Bahntransport auf dem 2. Transport von Westerbork ins KL Auschwitz
Riga – Libau – Fuhlsbüttel – Nordmark – Schweden
Juli 1942 Tod des Vaters im Lager Salaspils
Mutter Helene im Armeebekleidungsamt ABA 701
Margot im Außenkommando Vairogs, „Eisenbahnlager“, eine Waggonfabrik
Juli-2. 11.1943 schrittweise Auflösung des Ghetto Riga; Einrichtung des Konzentrationslagers Riga-Kaiserwald und verschiedener Betriebslager mit lokaler Kasernierung; Kommandant des KL Kaiserwald Sturmbannführer Albert Sauer
November 1943 im Armeebekleidungsamt ABA 701 in Mühlgraben, Kasernierung
Sommer 1944 Auflösung des KL Kaiserwald, Riga
Juli – September 1944 Transporte der Arbeitsfähigen aus Riga per Schiff nach Stutthof
6.8-9.8.1944 1. Großer Transport mit der „Bremerhaven“ von Riga nach Danzig
28.9.-1.10.1944 3155 Häftlinge aus Riga Kaiserwald, 300 von der Lenta auf dem Frachtschiff „Kanonier“ von Riga->Danzig
29.9.- 3.10.1944 140 Zwangsarbeiter ABA 701 mit dem Frachtschiff „Sanga“ nach Libau, Lettland
13.-14.10. 1944 Die letzten 50 Männer, 10 junge Frauen mit der „Drechtdijk“ auch „Drächtig“ nach Libau
SS-Sonderlager Libau in Lettland, Arbeit im Hafen, Be- und Entladen von Schiffen
22.10.1944 Fliegerangriff auf Libau mit zwei Toten unter den Häftlingen
22.12.1944 schwerer russischer Bombenangriff auf die besetzte Stadt, 13 Lagerinhaftierte kommen um
19. 2. 1945 200 Häftlinge von Libau auf dem mit Granaten- und Patronenhülsen beladenen Kohlefrachter „Balkan“ über die Ostsee erst Richtung Lübeck, wegen Bombenangriffen umgeleitet nach Hamburg;
10 junge Männer bleiben bei der SS in Libau zurück und werden am 9.5.1945 in Libau befreit
27.2.1945 Ankunft in Hamburg, von der Gestapo in Gefängniswagen vom Hafen nach Fuhlsbüttel
27.2.1945 – 11.4.1945 Polizeigefängnis Fuhlsbüttel „Kola-Fu“, Zuchthaus und Konzentrationslager
12.-15.4.1945 86 km Fußmarsch nach Kiel, ins „Arbeitserziehungslager“ (AEL) „Nordmark“ in Hassee, Außenlager des KL Neuengamme in Kiel.
Rettungsaktion „Graf Bernadotte“ durch das Schwedische Rote Kreuz
Nach Verhandlungen des schwedischen Graf Bernadotte und Norbert Masur vom World Jewish Congress, Stockholm mit Heinrich Himmler nahe Berlin werden u.a. 153 jüdische Häftlinge und ihre Kinder aus dem AEL Nordmark nach Schweden freigelassen.
1.5.1945 153 Juden mit weißen Bussen des Roten Kreuz nach Pattburg, Dänemark, Entlausung in der Quarantänestation; weiter mit dem Zug nach Kopenhagen
2.5.1945 mit der Fähre nach Malmö; erste Quarantäne ca. 10 Tage
4.5.1945 Befreiung des AEL Nordmark Hassee durch britische „Royal Army“
Mai Mai 1945 in Smalandstenar
8.6. bis Mitte Juli 1945 Flüchtlingsheim Holsbybrunn, Ausländerheim der Schwedischen Ausländerkommission
15.7.- 31.8.1945 in der Internatsschule in Viggbyholm bei Anna Kronheimer, eine Ausbildungsstätte für Hauswirtschaft
1.9.1945 Anstellung als Hausmädchen bei Büroleiter Samuel Serov, Nockeby
Emigration in die USA, Uruguay, Argentinien
17.-28.11.1945 Margot Löbenstein auf der SS STAVANGERFJORD von Oslo nach New York zu Onkel Dr. Leo Gottlieb, Arzt aus Siegburg; Sohn Fred
Ausbildung zur Medzinischen Technikerin am Brooklyn Jewish Hospital in New York;
1.4.1946 – 30.9.1947 Besuch der Boro Hall Academy und des Brooklyn College
18.9.1950 Heirat in Lake County, Indiana
Hochzeitsreise zu den Schwiegereltern
Niederlassung in Montevideo
1970 Emigration von Montevideo nach Buenos Aires
Gedenken
15.11.2014 Pages of Testimony für die Eltern von Cousin Fred Gottlieb
26.5.2010 Stolpersteine für die Eltern in Eschwege, Fr.-Wilhelmstraße 14
Quellen
https://www.joodsmonument.nl/nl/page/680851/biographie-bella-l%C3%B6benstein
https://archief.amsterdam/indexen/persons?ss=%7B%22q%22:%22L%C3%B6benstein%201914%22%7D
Thomas Beck, Letzter Gruß der Mutter; Eschweger Geschichtsblätter 31/2020
https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20459/Datterode%20EG_31_2020.pdf
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/11206813
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130335565
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/11245826
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/70385340
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT411209-12.jpg
Peter W. Lande, Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
http://www.fuldawiki.de/fd/index.php?title=Gehringshof
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/78790374
Arolsen Archives, Arolsen Signatur DE ITS 2.1.1.1 HE 016 JÜD 7 ZM
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch
Dietlind Kautzky, Thomas Käpernick Hrsg., Mein Schicksal ist nur eins von Abertausenden VSA 2020
Bernd Philipsen, Fred Zimmak, Hrsg., Wir sollten leben, Novalis 2020
Wolfgang Scheffler, Diana Schulle, Buch der Erinnerung, Die ins Baltikum deportierten Juden 2011
Gertrude Schneider, Reise in den Tod, Deutsche Juden in Riga 1941-1944, Laumann-Verlag, 2008
Gertrude Schneider, Exile and Destruction, The Fate of the Austrian Jews 1938-1945; Praeger 1995
Hilde Sherman: Zwischen Tag und Dunkel. Mädchenjahre im Ghetto, Frankfurt/M.-Berlin-Wien, 1984
Anita Kugler, Scherwitz – Der Jüdische SS-Offizier, 2017