Ruth Mischliburski
*23.2.1924 in Wiesbaden; + März 1943 in Auschwitz
Staatsangehörigkeit staatenlos
Religion jüdisch
Vater David Mischliburski *2.5.1899 in Posen; Händler; Suizid 3.2.1942 in Mauthausen
Heirat der Eltern am 25.6.1922 in München; Scheidung der Eltern, Datum unbekannt
Mutter Gertie Lindheimer*11.1.1902 in Klingenberg; +1942 in Polen
Geschwister
Fritz Mischliburski, später Shalom Tedhar *12.3.1923 in München;
Ernst Mischliburski *19.5.1925 in Wiesbaden; +28.7.1942 in Majdanek
Lore Mischliburski *4.7.1930 in Klingenberg; +1943 in Polen
Beruf Schneiderin
Adressen Wiesbaden, Frankfurter Straße 17b; Klingenberg a. Main, Bergwerkstraße 7; Frankfurt, Günthersburgallee 29, Musikantenweg 4; Ahrensdorf (Landwerk)
Heirat –
Kinder –
Weiterer Lebensweg
Volksschule in Klingenberg, Rathausstraße 1
10.11.1938 Verwüstung der Wohnung durch SA in Klingenberg im Novemberpogrom,
3.4.1939 Bruder Fritz legal in Haifa mit Fremdenpass nach Palästina eingereist
17.5.1939 mit der Mutter und Geschwistern in Klingenberg bei Minderheiten-Volkszählung
6.6.1939 Umzug der Familie nach Frankfurt mit den Großeltern Lindheimer
23.6.1939 Vertrag zwischen der RVJD und der Stadt Paderborn zur Errichtung des Umschulungs- und Einsatzlagers Paderborn, Grüner Weg 86; vom Hechaluz wird eine „Aufbaugruppe nach Paderborn geschickt
1939 Ruth geht ins Hachschara-Lager des Makkabi Hazair Landwerk Ahrensdorf
8.8.1939 Vater verhaftet in Wiesbaden
1.12.1939 Vater von der Großen Strafkammer Wiesbaden zu 2 Jahren Gefängnis wegen „Devisenvergehen“ verurteilt
6.3.1940 Vater noch im Gerichtsgefängnis Wiesbaden
5.7.1941 behördliche Anordnung zur reichsweiten Auflösung der Hachschara-Lager auch Ahrensdorf
8.1.1942 aus Ahrensdorf angemeldet im „Jüdischen Arbeitseinsatzlager Paderborn“, mit einer Gruppe- u.a. auch ihr Freund Ernst Michel – die nach Auflösung von Ahrensdorf noch abschließende Aufräumarbeiten erledigen musste.
14.5.1942 Verhaftung der Mutter und Geschwister Ernst und Lore
24.5.1942 Mutter, Geschwister Ernst und Lore von Frankfurt nach Izbica deportiert
1.8.1942 Vater ins KL Mauthausen eingewiesen
3.8.1942 Suizid des Vaters im KL Mauthausen „durch Elektrozaun“
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Paderborn“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.
27.2.1943 die Pforte des Lagers Paderborn wird von Polizisten bewacht, um Fluchten zu verhindern
1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Paderborn; mit der Bahn nach Bielefeld; mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz
Erwin Angress berichtet:
„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht” ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“
Ernst Michel war mit Ruth im Waggon:
„Ich fand einen Platz neben Ruth, einem Mädchen, das ich kurz nach meiner Ankunft in Paderborn (?) kennengelernt hatte. Sie war das erste Mädchen, das mir wirklich gefiel. Sie war in meinem Alter, hatte meine Größe, war sehr intelligent und sehr hübsch. Sie kam aus Frankfurt, nicht weit entfernt von Mannheim. Ich mochte sie sofort und wir verbrachten viel Zeit
miteinander in Paderborn. Nun hielten wir in dem nasskalten Viehwaggon nacheinander Ausschau.
„Viel länger könne sie uns nicht hier drin behalten“, flüsterte sie mir zu.
„Noch ein Tag und keiner hat mehr Kraft. Dann sterben wir.“
2.3.1943 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager
3.3.1943 Ankunft und Selektion in Auschwitz;
Ernst Michel berichtet von der Selektion an der Rampe:
„Ich hatte keine Zeit die Situation zu erfassen, als Ruth mir zum letzten Mal ihre Hand entgegenstreckte. Wir konnten nicht sprechen. Ich versuchte, sie zu ergreifen, aber sie war schon weg. Es waren nun zwei Reihen, die sich langsam vorwärts bewegten. Männer auf einer Seite, Frauen auf der anderen“
… Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“
Ruth Mischliburski wurde kurz nach der Ankunft im März 1943 durch Gas ermordet
Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943
„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“
Gedenken
3.1.1957 Pages of Testimony für die ganze Familie vom überlebenden Bruder Fritz(Shalom Tedhar)
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de931487
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de930229
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de931483
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de931486
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de931485
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_hhn_420524.html
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013
Susanne Reber, Biografie Ruth Mischliburski, 2015
https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=14268319&ind=2