Bernhard Berni Baruch Wallheimer
*22.5.1925 in Aurich; ✡ 5.2.2006 in Karkur Israel
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Wilhelm Benjamin Wallheimer *20.3.1897 in Aurich ✡13.1.1943 in Auschwitz
Mutter Reisi Rosa Fröhlich *12.2.1899 in Kosow, Galizien ✡ 13.1.1943 in Auschwitz
Tanten in Recklinghausen
Fanny Hirschberg geb. Wallheimer *11.11.1890 in Aurich, ✡1.10.1944 Stutthoff
Betty Wallheimer *19.11.1877 oo Abraham Wolffs; Sohn Wilhelm (*1906); Bismarkstr.3, Recklinghausen bis 1.4.1940, zurück nach Aurich; deportiert nach Lodz; ✡7.9.1942 KZ Kulmhof, Chełmno
Erna Wallheimer *23.3.1896 oo 1923 Moses Wolff (*20.1.1898 Aurich), bis 2.9.1940 Bismarkstr.3
Geschwister
Horst Wallheimer *3.3.1928 in Aurich; ✡13.1.1943 in Auschwitz
Vera Wallheimer *14.12.1930 in Aurich; ✡13.1.1943 in Auschwitz
Beruf Gärtner
Adressen Aurich, Breiter Weg 1; Groß-Breesen; Ahrensdorf; Neuendorf; Karkur
Heirat Esther Jacheta Luksenburg *20.11.1927 Szczakowa, Jaworzno; ✡13.2.2007 in Hadera, Israel
Kinder
Nir Wallheimer *6.8.1955
Vered Wallheimer *15.12.1956
Weiterer Lebensweg
Vater Viehhändler und Großmetzger in Aurich
8 Jahre Volksschule
10.11.1938 Vater verhaftet im Novemberpogrom, „Schutzhaft“ in Sachsenhausen
17.12.1938 Entlassung des Vaters aus dem KL Sachsenhausen mit der Auflage, Deutschland zu verlassen
17.5.1939 mit den Eltern und Geschwistern Horst und Vera in Aurich bei der Minderheiten-Volkszählung
29.7.1939 mit 14 Jahren Ausstellung der Kennkarte in Aurich
30.7.1939 aus Aurich zur Hachschara ins Lehrgut für Gruppenauswanderer in Groß Breesen (nicht zionistisch); dort sind auch sein Freund Dodo Cohen aus Aurich und die Geschwister Albrecht und Friedel Weinberg aus Leer
Die Vertreibungsaktion der Juden aus Ostfriesland, Aurich und Oldenburg
27. 2. 1940 Anordnung der Gestapo Wilhelmshaven, dass sämtliche Juden bis zum 1. April 1940 Ostfriesland, Aurich und Oldenburg die Region verlassen müssten; Begründung: die Nähe zum Kriegshafen Wilhelmshaven
Dr. Max Plaut von der RVJD konnte die Deportation nach Polen abwenden;
Die Eltern und Geschwister ziehen nach Berlin, Alte Schönhauser Straße 58
Anfang Mai 1941 vor Auflösung Wechsel ins Landwerk Ahrensdorf, Pfadfinderbund Makkabi HaZair
Ende Mai -September 1941 Auflösung von Ahrensdorf; Verlegung in das Lehrgut Neuendorf im Sande;
27.5.1941 Wallheimer von Ahrensdorf nach Neuendorf
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung der noch bestehenden in „Jüdisches Arbeitseinsatzlager“
Berni Wallheimer in Neuendorf als Friedhofgärtner, muss Festsäle für Veranstaltungen von Stadt und NSDAP schmücken
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
10. 4.1943 Aus Neuendorf mit LKW nach Fürstenwalde, von dort mit der Bahn nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager Große Hamburger Straße
19.4.1943 auf dem 37. Osttransport als Teil der Fabrikaktion, allein 153 Personen aus dem Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde, zusammen mit seinem Freund Albert und dessen Schwester Friedel Weinberg aus Westrhauderfehn
Esther Bejarano erinnert sich:
„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“
Esther berichtet auch, dass viele alte und schwache Menschen diesen mehrere Tage dauernden Horrortrip in den Viehwaggons nicht überlebten. Ihre Leichen blieben die ganze Zeit in den Waggons.
Mit Esther saßen viele der Jugendlichen im Waggon, mit denen sie in Neuendorf zusammen war: Eli Heymann, Schimschon Bär, Schoschana Rosenthal, Miriam Edel, Anne Borinski, Hilde Grünbaum, Karla und Sylvia Wagenberg, Herbert Growald und noch viele andere. 20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:
„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“
Berni wird die Auschwitz-Häftlingsnummer 116928 in den linken Unterarm tätowiert. Kommentar des tätowierenden Häftlings: „Euch wird das Lachen noch vergehen.“
Zunächst im extrem harten Arbeitskommando Kabelkolonne; Kapo Karl Seligmann aus Emden (*22.1.1909, ✡24.6.1946 in Emden) verschafft ihm leichtere Arbeit im Küchenkommando
18. 9. 1943 -20.1.1944 mit Fieber im Häftlingskrankenbau von BUNA KL Monowitz;
er wird im Labor der Waffen-SS auf Malaria und Tuberkulose getestet, aber negativ
Nach drei Tagen 23.1—11.3.1944 wieder im HKB Häftlingskrankenbau von BUNA KL Monowitz
Von den 21 Monaten in Buna war er 13 Monate krank.
15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten
18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge;
18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau
Bernhard Wallheimer bleibt krank im Lager zurück
Bericht Berni Wallheimer:
„Doch kehren wir zum 17. Januar 1945 zurück: ‚Berni‘ sagte Karl Seligmann zu mir, ‚du musst aufstehen, morgen wird das Lager geräumt. Es ist aussichtslos zu glauben, dass sie auch nur eine Person lebend zurücklassen werden.‘ – ‚Karl‘, sagte ich zu ihm, ‚in meiner Lage werde ich nicht mal zwei Stunden durchhalten. Du hast noch eine Chance. Mit etwas Glück wirst du diese Hölle überleben. Man hört schon das Echo der Kanonen. Das Ende des Dritten Reiches ist nah.‘ „
27.1.1945 Eintreffen einer Vorhut der Roten Armee im KL Auschwitz
Bericht Berni Wallheimer:
„Am Morgen des 27. Januar 1945 hörte ich das Rattern von automatischen Waffen, Explosionen von Handgranaten oder Sprengstoff und Rufe: ‚Die Russen, die Russen!‘ Sie durchbrachen den Zaun von Nordosten her. … Und schon standen sie in den Baracken, umarmten uns, setzten uns hin, öffneten ihre Wasserflaschen und versuchten uns zu trinken zu geben. Ich dachte es wäre Wasser oder Tee, nahm einen großen Schluck und begann sofort zu husten – es war purer Wodka.“
Berni zur OP nach Kattowitz (Resektion eines kindskopfgroßen Tumors; Lipom?)
Kibbuz Buchenwald II – Nebenlager in Gersfeld
August/September 1945 Errichtung des Nebenlager des „Kibbuz Buchenwald“ in Gersfeld nach Beschlagnahme des Hofes durch Leutnant Finkelstein von der US-Militärverwaltung in Fulda
6. 2.1946 Berni Wallheimer registriert im DP Center Fulda Nr.138
2.6.1946 registriert als Chawer auf dem Ableger des Gehringshof „Kibbuz Buchenwald“ im hessischen Gersfeld
30.7.1946 Wallheimer auf der Namensliste der Jüdischen Gemeinde, Adresse Berlin Lindtruper Straße 10,
30.10.1946 in Hamburg mit Vermerk „abgewandert“.
April 1947 Antrag von Berni Wallheimer auf Unterstützung durch die UNRRA in Rivoli bei Turin
8.8.1947 im DP Center München-Laim
27.9.1947 Ankunft in Haifa mit 434 Chaluzim von Italien auf der SS AF-AL-PI-CHEN (=Trotz Allem); das Schiff wird von der britischen Marine aufgebracht und nah Zypern umgeleitet
1947- 1948 britisches Detainmentcamp auf Zypern
1948 Einreise nach Palästina
4 Monate im Kibbuz Afikim
1948 -1965 Jahre im Kibbuz Netzer Sereni
1963 Teilnahme am Hachschara Treffen im Kibbuz Maayan Zwi
April 1965 die Familie Wallheimer verlässt den Kibbuz Netzer Sereni
1965-1982 Leiter des Milchbetriebs im Moschav Habonim
Fachmann für Milchwirtschaft für mehrere Kibbuzim
1985 Lebt im Kibbuz Karkur bei Haifa
Mai 1986 Treffen der Groß Breesener in Shavej Zion in Israel
1992 und 2002 zur Woche der Begegnung in Aurich
5.2.2006 Tod von Berni Wallheimer in Karkur
Der Weg der Familie Wallheimer
Januar 1940 Anordnung der Gestapo Wilhelmshaven: Ausweisung der in Ostfriesland lebenden Juden „aus militärischen Gründen“ bis zum 1. April 1940;
März 1940 Räumung von Aurich, Umzug der Eltern nach Berlin, die Geschwister kommen ins israelitische Kinderheim in Köln, Aachener Straße;
Sommer 1942 Auflösung des Kinderheims in Köln, die Eltern holen die jüngeren Geschwister nach Berlin
12.1.1943 die Eltern und Geschwister Horst und Vera auf dem 26. Osttransport von Berlin nach Auschwitz; Ermordung der Familie mit Gas nach Ankunft in Auschwitz
Gedenken
19.4.1955 Pages of Testimony für die Eltern und Geschwister von Baruch Wallheimer
12.6.2012 acht Stolpersteine für die Familie Wallheimer in Aurich, Breiter Weg 1
Quellen
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1175385
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1175483
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1175488
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1175591
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130832921
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/11261746
www.stolperstein-geschichten.de/geschichten/bernhard-berni-wallheimer/
Bernie Wallheimer, Die Woche der Befreiung, in : Wiehn, Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010, Hartung Gorre Verlag
Peter W. Lande, Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History
https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=FL4311316
Anneliese Ora Borinski, Erinnerungen
Herbert Fiedler, Eine Geschichte der Hachschara; Verein Internationale Begegnungsstätte Hachschara-Landwerk Ahrensdorf e.V
Herbert und Ruth Fiedler, Hachschara, Hentrich & Hentrich 2004
http://www.hachschara-ahrensdorf.de/html/body_anfang.html
Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015
Urs Faes, Ein Sommer in Brandenburg, Suhrkamp 2015
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013
Video-Interview mit Issy Philipp 1994
Esther Bejarano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989
Esther Bejarano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013
Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386
Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz
https://objekte.jmberlin.de/person/jmb-pers-12574/Herbert+Sonnenfeld?se=Suche&qps=q%3DSonnenfeld