Wolff Karl

Karl Charles Wolff (c: Roland Paul)

*10.5.1915 in Pirmasens; ✡  23.6.2006 in Atlanta, Georgia

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Maximilian Wolff *16.11.1879 in Pirmasens; ✡ 25.11.1938 in Dachau

Heirat der Eltern 6.5.1913

Mutter Meta Lindheimer *9.5.1891 in Aschaffenburg; ✡ 9.6.1955 in Manhattan

Tante Selma Wolff geb. Bär *24.10.1886 in Pirmasens; ✡17.5.1942 Suicid in Wiesbaden

Bruder

Hans Werner John Wolff *10.4.1920 in Pirmasens; ✡23.6.2010 in Danbury

Beruf

Adressen Pirmasens, Exerzierplatz 6; Alt-Schermbeck;  

Heirat

Kinder

Die Hachschara Bewegung

In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.

Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.

Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachschara-Stätten (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).

So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.

Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1000 Palästina Pfund mitbringen mussten. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.

Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.

Haus Berta am Freudenberg bei Alt-Schermbeck

Auf Betreiben von Leo Gompertz, Vorsitzender der RjF-Ortsgruppe Gelsenkirchen entstand 1934 auf dem Heide und Waldgelände des Julius Goldschmidt ein Jugend-und Ferienheim, Haus Berta, benannt nach der Mutter des Julius Goldschmidt. Die feierliche Eröffnung fand am 29.7.1934 im Beisein von reichsweiter RjF- und Rabbinats-Prominenz statt. Heimleiter wurde Dr. jur. Willi Stern, 1933 von den Nazis außer Dienst gestellter Amtsgerichtsrat aus Recklinghausen. Madrich für das erste Landsommerhalbjahr 1935 war Heinz Kahn (HaKa)aus Eschwege.

Die geistliche Betreuung übernahm der zuständige Bezirksrabbiner Dr. Selig Auerbach aus Recklinghausen. Das Ehepaar Leo und Rosa Auerbach war für die Hauswirtschaft zuständig, Ruth Stamm für den Jugendsport und die Gymnastik. Die vom Hamburger Oberrabbiner Dr. Joseph Carlebach empfohlene Edith Möller aus Hamburg-Altona führte die streng koschere Küche.

Vom 10.5.-31.10.1935 fand das bereits an einer Hachschara ausgerichteten erste Landhalbjahr statt; Madrich war Heinz Kahn (HaKa) aus Eschwege.

Als vermutlich bewusste Provokation wurde Haus Berta 1937 während eines wie immer besonders festlich begangenen Freitagabend-Gottesdienst zum jüdischen Schabbat von der Gestapo geschlossen.

Aus dem Lagebericht von 1937 der Staatspolizeidienststelle für den Regierungsbezirk Münster:

„Die polizeiliche Schließung des jüdischen Ferienhauses (…) hat nach dem vorliegenden Bericht des Landrats in Recklinghausen in der Bevölkerung lebhafte Befriedigung ausgelöst.“

Weiterer Lebensweg

Ende Juni 1935 Karl Wolff mit einem Freund aus Pirmasens für zwei Wochen in das Ferienheim/ Umschichtungslager „Haus Berta“ am Freudenberg bei Alt-Schermbeck in Trägerschaft des Reichsbund jüdischer Frontsoldaten RjF

10.5.-31.10.1935 Erstes Landhalbjahr in „Haus Berta“

Karl Charles Wolff schreibt 1963 einen Bericht und stellt einige Fotos aus Haus Berta zur Verfügung

Er erinnert sich an die Hindenburg-Gedenkfeier

10.11.1938 Mit Vater und Bruder verhaftet im Novemberpogrom, arretiert im Pirmasenser Volksgarten; sie werden über die Grenze nach Frankreich getrieben, von dort aber zurückgewiesen

11.11.1938 Verbringung nach Ludwigshafen

12.11.1938 Inhaftierung mit dem Vater und Bruder Hans in „Schutzhaft“ im KL Dachau; Max hatte die Häftlingsnummer 23935, Karl 23938 und Hans 23942

25.11.1938 Tod des Vaters im KL Dachau (Resignation, allgemeine Schwäche)

5.12.1938 Entlassung zusammen mit Bruder Hans aus dem KL Dachau

1939 Flucht der Brüder zu Verwandten nach Frankreich; später im Flüchtlingsheim in Martigny-les-Bains in den Vogesen

September 1939 als „feindliche Ausländer“ interniert

Dezember 1939 werden die Brüder nach Paris entlassen

27.12.1939 Passausstellung in Bordeaux: Durch ihr Affidavit, das der 1938 in die USA emigrierte Ernst Lindheimer (Bruder von Meta Lindheimer) bereits für sie besorgt hatte, gelang ihnen die weitere Flucht in die USA.

Januar 1940 Ankunft der Mutter bei ihrem Bruder Ernst Lindheimer

12.-26.2.1940 Karl zusammen mit Bruder Hans auf der SS LE GRASSE von Le Havre nach New York

Zieladressen Cousin Joseph Beer und Onkel Ernst Lindheimer

Gedenken

16.2.2022 Gedenktafeln für die Familie Wolff, Pirmasens, Gasstraße 8-10, ehemals Wolff’sche Villa

Quellen

Karl Wolff, Von Pirmasens über Frankfurt nach Dachau; Bericht 1948

Charles Wolff, ohne Titel ( Description of Jewish life in youth colony „Haus Berta“ in 1935), 1963

https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=IE9189820

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 6446); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1534743

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de995119

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/10783719

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130429540

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/10371772

https://archives.cjh.org/repositories/5/archival_objects/785194

https://archive.org/details/leogompertzcolle01gomp/page/n59/mode/1up?view=theater

http://www.holstina.de/history/hausberta.html

https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-345341#id20

http://www.dorsten-unterm-hakenkreuz.de/2012/05/28/haus-bertha-am-freudenberg-ein-lichtblick-und-kurzer-hoffnungsstrahl-fur-bedrangte-judische-kinder-aus-dem-reich-den-willen-zum-uberleben-gestarkt/

https://www.schermbeck-grenzenlos.de/index.php/aktuelles/2-uncategorised/17069-auf-den-spuren-der-geschichte-von-haus-berta

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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