Eichenwald Elli

Elli Eichenwald geb. Moses

*15.11.1901 in Rosbach, Windeck; ✡ 26.10.1992 in Valley Village, Kalifornien, USA

Vater Hermann Moses *28.9.1865 in Rosbach; Recklinghausen; ✡17.9.1943 in Auschwitz

Heirat der Eltern am 10.8.1896 in Großkrotzenburg

Mutter Selma Hirschmann *15. 6.1870 in Großkrotzenburg; ✡ca 1903

Stiefmutter Sophie Moses geb.  Hirschmann *11.6.1883 in Großkrotzenburg; ✡17.9.1943 in Auschwitz

Bruder Ferdinand Moses *10.2.1894 in Rosbach; kriegsgefallen Juli 1917 in Pronville Frankreich

Schwester Frieda Moses *23.3.1899 in Rosbach; oo Willy Rosenberg; ✡Mai 1942 Ghetto Zamosc

Halbschwester Henny Moses *18.2.1906 ; ✡30.4.1943 in Sobibor; oo16.9.1938 Alfred Nathan Schönthal

Die Geschwister Elly, Ferdinand, Henny und Frieda Moses ca 1915

Beruf Kauffrau

Adressen Rosbach, Bergstr. 7; Recklinghausen, Suderwich, Sachsenstr.13, Kellerstr.1 und später 21; Elper Weg 92

Heirat Walter Moritz Eichenwald *18.5.1895 in Herbede; Groningen, Westerbork;  ✡14.9.1943 Auschwitz

Tochter Ruth Eichenwald *6.1.1929 in Recklinghausen; ✡11.3.1989 in Los Angeles

Weiterer Lebensweg

11.2. – 10.8.1928 Suderwich, Sachsenstraße 13
10.8.1928 Umzug zur Bladenhorsterstraße 16

21.3.1932 Umzug zur Castroperstraße 39

11.11.1933-9.7.1937 Umzug zur Kellerstraße 21

Vater Hermann zieht mit der zweiten Frau Sophie Moses geb.  Hirschmann von Rosbach zur Tochter Elly nach Recklinghausen, Kellerstraße 21

1.12.38 Emigration des Ehemann Walter nach Groningen, Niederlande; Elli mit Tochter daraufhin zur Kellerstraße 1 ( späteres Ghettohaus)

18.3.1939 Vater Hermann und Sophie Moses aus Recklinghausen abgemeldet nach Amsterdam

Mai 1939 in Recklinghausen ohne Ehemann erfasst bei Minderheitenzählung

28.8.1941 zurück zur Kellerstraße 21 bis zum 15.9.1941

November 1942 Ankündigung der Deportation „in den Osten“

14.12.1942 der ursprüngliche Dportationstermin wird auf Januar 1942 verschoben, wegen reduzierter Kapazitäten der Reichsbahn durch die Soldaten-Weihnachtsurlaube

24.1.1942 Deportation mit LKW´s nach Gelsenkirchen zur Ausstellungshalle am Wildenbruchplatz

27.1.1942 Deportation von Gelsenkirchen über Dortmund nach Riga, Ghetto

1.2.1942 Ankunft Riga-Skirotawa; Fußmarsch ins Ghetto

Elly Eichenwald schreibt 1946 an Erich Jakobs einen Brief (Auszüge daraus im weiteren kursiv)

„Im Ghetto ging Ruth erst noch zur Schule, dabei [war sie] schwach von Unterernährung, dass sie kaum noch die Treppen steigen konnte. Bei mir war es am Anfang ebenso. Leider ist unsere Frau Marcus [Selma, Steinstraße] verhungert. Ich ging dann etwas später vom Ghetto aus zur Arbeit von morgens früh um 6 bis abends 7 Uhr. [Ich] bekam am Arbeitsplatz etwas Suppe u. brachte auch oft Ruth etwas Suppe mit. Ruth ging später auch zur Arbeit [ab 1943] u. bekam draußen ebenfalls Suppe u. von arischen Letten mal heimlich ein Stückchen Brot zugesteckt. Wir hielten uns dadurch so eben aufrecht.“

„Anfang März (1942) war schon die erste Aktion. Wir mussten alle antreten, u. der Kommandant suchte Leute aus. Damals wusste man noch nicht, dass es in den Tod ging; es hieß, man käme in ein Fischerdorf nach Dünamünde. Bei diesem Transport waren auch sehr viele Recklinghauser, meist ältere Menschen wurden ausgesucht, kamen alle in den Hochwald [Bikernieki] u. wurden dort erschossen.

„Als wir noch in Riga waren, bekam ich ein Geschwür nach dem anderen u. musste sogar operiert werden, da
ich ein schreckliches Karbunkel bekam.“

Juli-2. November 1943 schrittweise Auflösung des Ghettos; Einrichtung des Konzentrationslagers Riga-Kaiserwald und verschiedener Betriebslager mit lokaler Kasernierung;

16.7.1943 Tochter Ruth Eichenwald aus der Gruppe Dortmund mit 14 Jahren auf der Liste der Frauen, die nach Auflösung ihres bisherigen Kommandos zur Neueinteilung auf dem „Blechplatz“ zum Appell antreten müssen, zusammen mit weiteren Frauen aus Recklinghausen wie die Schwestern Else und Minna Aron-Heimberg, Herta Salomons.

August 1943 Einrichtung der Außenkasernierung AEG-Lager Riga (Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft) an der Vizdemer Chausee in Riga Strasdenhof. Die AEG-Betriebsleitung forderte ständig mehr Frauen aus dem KL Kaisewald an, so dass schließlich etwa 1000 Frauen unter der Aufsicht von aus dem KL Kaisewald abkommandierten SS-Frauen (Emma; Marija, Kowa) Zwangsarbeit bei der Produktion von Kabeln und Glühbirnen leisteten, im Lagerjargon deshalb auch „Frauenkloster“ genannt. Die junge Mädchen arbeiteten in einer eigenen Gruppe unter Leitung der österreichischen Jüdin Naftali. Die Blockälteste Hilda, eine Jüdin aus Libau, war nicht besonders beliebt.

6.11.1943 Aufnahme von Ruth mit der Mutter im KL Kaiserwald, Riga; Kommandant Obersturmbannführer Sauer

Dann kam die Auflösung des Ghettos, u. die Verschickung ins K.Z. begann. Schon beim 2. Transport waren wir dabei. Ein Transport nach dem anderen folgte jede Woche. Zurück blieben Alte, Kranke u. alle die Kinder, die dann nach Auschwitz zum Vergasen geschickt wurden. Es haben sich herzzerreißende Szenen abgespielt.“

6. November 1943 Aufnahme KL Kaiserwald, Riga, von Elly mit Tochter Ruth zunächst ins KL Kaiserwald, dann in die Außenkasernierung AEG-Lager Riga (Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft) -im Lagerjargon auch „Frauenkloster“ – zusammen mit der Tochter.

Elly Eichenwald schreibt:

800 Frauen wurden vom K.Z. angefordert in eine Fabrik A.E.G. Ich hatte Glueck u. konnte Ruth mitnehmen. Wir kamen in Steinbaracken, standen unter Aufsicht des K.Z. und hatten S.S. Frauen bei uns. Das dieselben teils sehr schlimm waren, haben Sie sicher schon gehört. Aber es war wenigstens im Winter in der Fabrik warm. Nach u. nach wurde die Arbeit in den einzelnen Abteilungen weniger u. die Russen rückten näher.

Sommer 1944 Auflösung des KL Kaiserwald, Riga und seiner Außenlager; Selektionen:

„Eine Aktion nach der anderen begann. Die Leute zum Vergasen wurden ausgesucht, u. wir standen dabei, wie die Frauen u. Mädels aus den Reihen herausgesucht wurden. Wir beide, Ruth u. ich, haben bei den Kabeln gearbeitet. Das war die wichtigste Arbeit, u. diese Leute gebrauchte man noch.“

Juli – September 1944 Transporte der Arbeitsfähigen aus Riga per Schiff nach Stutthof

6. – 8.8.1944 1. Großer Transport mit 6382 Juden auf der „Bremerhaven“ von Riga nach Danzig

August 1944 die AEG Fabrik wird wegen der herannahenden Roten Armee nach Thorn verlegt. Kommandant Obersturmbannführer Sauer kommt in die Außenkasernierung AEG, um das Scheren der Haare der weiblichen Häftlinge persönlich durchzusetzen.

Zunächst werden 500 weibliche Häftling in Güterwaggons nach Thorn deportiert.

Die verbleibenden AEG-Frauen werden am 27.9.1944 zum Hafen von Riga gebracht

28.9.-1.10.1944 3155 Häftlinge aus Riga Kaiserwald, 300 von der Lenta auf dem Frachtschiff „Kanonier“ von Riga->Danzig; auf Kohleschiffen weiter nach Stutthof, so auch die Eichenwalds

„Plötzlich eines Tages wurden wir und alle anderen Juden, die noch in Riga waren, abtransportiert u. verschleppt nach Stutthof bei Danzig. Vorher hatten wir alle die Haare geschoren bekommen, Sträflingskleider sowie Holzschuhe bekamen wir alle schon viel früher. Was sich auf dem Transport abgespielt hat, ist nicht wiederzugeben, so schrecklich!

1.10.1944 Ankunft von Elly mit Tochter Ruth im KL Stutthof

„In Stutthof wurden wir von S.S. Frauen u. [S.S.] Männern, die scharenweise ankamen, empfangen. Der
Marsch bis ins K.Z. dauerte fast 1 Stunde.

Hinweiskarte Stutthof, Elli macht sich 5 Jahre jünger

Dann kam das Allerschlimmste. Dort wurde nicht gearbeitet, wir wurden nur gequält. Es war einfach die
Hölle! Wir waren alle so verlaust. Eines Tages wurde unsere Abteilung, die wir in Riga Kabel ausbesserten, aufgerufen. Wir waren G. s. D.
dabei und wurden nach Thorn geschickt. Aber das Fortkommen war nicht so leicht; wir mussten alle vorm Arzt [vorbei ziehen], u. ich war nur noch ein Skelett, u. auf ein Haar noch wäre ich festgehalten worden. Wieder wie ein Wunder kam ich heraus.

Elly zusammen mit der Tochter Ruth ins AEG-Lager Thorn-Wickau; Lagerkommandant war SS-Mann Blatterspiegel aus dem KL Kaiserwald, zuvor Außenlager Spilve

„In Thorn haben [die] lb. Ruth u. ich wieder zusammengearbeitet, Tag- u. Nachtschicht. Wir wurden auch
gequält u. mussten enorm arbeiten. Plötzlich eines Tages ging es wieder weiter. Die Russen kamen näher, u.
man schleppte uns 80 km zu Fuß. Tag und Nacht sind wir marschiert, fast keine Verpflegung bei uns.
Am 21. Januar 45 begann der Marsch. Oh, so furchtbar, ich bin ganz alle, wenn ich daran denke. Viele von uns blieben liegen, ich bin auch dauernd hingefallen. Dabei weinte Ruth auch noch u. konnte plötzlich nicht mehr. Aber wir haben es dennoch geschafft! –
Die S.S.
(Blatterspiegel und SS-Wachen) ergriff zuletzt die Flucht. Wir sollten noch alle erschossen werden, aber dazu war keine Zeit mehr. –
20 Kilometer hinter Bromberg wurden wir von Russen befreit!

1946 -1949 Recklinghausen Elper Weg 92 einquartiert in der Wohnung eines inhaftierten Nazi

Wir wohnen jetzt Elperweg 92 – haben eine möblierte Wohnung eines Nazis bekommen, der im Camp war
u. jetzt wieder zurückgekommen ist, u. will er seine Wohnung wieder haben. Er wird aber, solange wir noch
hier sind, kein Glück damit haben, denn unsere Sachen sind uns ja alle von der Gestapo gestohlen worden u.
haben wir nichts mehr.

Ruth macht eine Lehre als Friseurin

Die lb. Ruth ist schon 17 Jahre u. sehr groß geworden. Sie lernt Friseuse u. ist schon 1 Jahr in der Lehre. Der Beruf macht ihr Freude, u. sie hat großes Talent hierzu.

August 1949 im DP Center Wentorf bei Hamburg, dann DP Camp Grohn Standort der United States Army in Bremen

5.8.1949 mit der SS General Blachford Bremen – New York mit Tochter Ruth unterstützt durch HIAS

26.10.1992 Tod in Valley Village, California

29.3.2012 Stolpersteinverlegung in Rosbach, Bergstraße 7 für Vater Hermann Moses, Stiefmutter Sophie, die Schwestern Frieda, Elli und Henny sowie für Tante Amalie Wolff

Quellen

Brief der Elly Eichenwald an Familie Erich Jacobs, 1946; der Historikerin Gertrud Althoff zur Verfügung gestellt von Tochter Friedel Jacobs

Max Kaufmann, Churbn Lettland, München 1947

https://www.yumpu.com/en/document/read/20265283/small-riga-ghetto

https://www.recklinghausen.de/Inhalte/Startseite/Ruhrfestspiele_Kultur/Gedenkbuch/_Opferbuch_selfdb.asp?form=detail&db=545&id=87

Heinz Reuter, Die Juden im Vest Recklinghausen, Vestische Zeitschrift Bd. 77/78, 1978/1979

Jüdische Holocaust-Gedenkstätten und jüdische Einwohner Deutschlands 1939-1945

Jüdische Einwohner Recklinghausens, Sta Re III 6520

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Georg Möllers, Jürgen Pohl, Abgemeldet nach „unbekannt“ 1942, 2013

Bundesarchiv Koblenz. Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933 –1945. Stand: 20.5.2020 (www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/)

Gedenkbuch Opfer und Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945

https://collections.arolsen-archives.org/en/archive/4575534/?p=1&s=Eichenwald&doc_id=4575535

List of jews now in Rhineland and Westphalia Febr. 1946

U.S. Sterbe-Verzeichnis der Sozialversicherung (SSDI)

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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