Feingersch Benjamin

Benjamin Feingersch

*17.12.1925 in Oldau (Kaliwerk) bei Celle; ✡ in Israel

Staatsangehörigkeit staatenlos

Religion jüdisch

Vater Isaak Feingersch *17.7.1882 in Odessa; ✡ Okt. 1944 in Stutthof (Foto mit Bruder Hermann)

Mutter Rebekka Rifka Aswolinskaya *17.6.1887 in Odessa; ✡ vermutlich 1943 in Riga oder Auschwitz

Geschwister

Marie Feingersch *21.10.1911 in Odessa; ✡26.10.1944 in Auschwitz; oo Gerrit Klijnkramer

David Feingersch *7.4.1914 in Frankfurt; ✡30.5.1994 in Israel; oo 1939 Ruth Breuer

Moshe (Max) Feingersch *17.3. 1916 in Celle; 2008 in Israel; oo Hanna Frank (1916 Ahlen, ✡1979)

Rafael Feingersch *30.5.1917 in Oldau; Ramat Hascharon, Israel

Fanny Feingersch *7.10.1918 in Winsen, Aller; ✡6.3.1944 in Auschwitz; oo 1941 Wilhelm Prager; Sohn Gideon 1942

Rosa Feingersch *29.8.1920 in Oldau; ✡7.9.1943 in Auschwitz

Sally Feingersch *19.1.1922 in Oldau; Kfar Saba Israel

Elias Feingersch später Eyal *19.7.1923 in Ovelgönne; ✡2009 Ramat Hasharon; oo Rubinstein

Hermann Feingersch *16.6.1929 in Celle; ✡ in Riga Jungfernfernhof

hintere Reihe: v.l. Marie, Rafael, David, Moshe, Rosa,

vorn: Fanny, Elias, Mutter Rebecca, Benjamin, Hermann, Vater Isaak und Sally Feingersch ca 1935

Beruf Landarbeiter, Schlosser

Adressen Oldau; Celle, Im Kreise 24; Jessen-Mühle; Neuendorf;

Heirat Renate

Kinder

Orly Feingersch

Weiterer Lebensweg

Acht Jahre Volksschule

1922/1923 Umzug der Familie aus Oldau (Kaliwerke) nach Ovelgönne

Die Kaliwerke Prinz Adalbert, Einigkeit II in Oldau bestanden bis 1926

17.5.1939 in Hannover Ahlem mit Bruder Hermann bei Minderheiten-Volkszählung

Mitglied im Makkabi HaZair

1941 zur Hachschara nach Jessen Mühle unter Madrich HaWo Cohn mit Gertrud Weill als Madricha Walter Keschner/Ze’ev Keschet schreibt über HaWo Cohn: „Jessen Mühle 1940, der große Schlafsaal der Jungen, über dem Generator. Die Tür im Fußboden des oberen Stockwerkes öffnet sich, und die beiden Madrichim Trude Weil und Hawo kommen herunter aus dem Mädchenstockwerk, um uns gute Nacht zu wünschen. Es war nicht einfach nur ein Gute-Nacht-Wunsch, sondern es wurden jedem Chawer ein paar aufbauende Worte gesagt, kleinen Beichten zugehört – über Anpassungsschwierigkeiten, das gemeinschaftliche Leben, Dinge zwischen einem Jungen und einem Mädchen oder einfach so kurze tröstende Gespräche.“

27.5.1941 von Jessen Mühle ins Landwerk Neuendorf im Sande

27.5.1941 Madrich Hans Cohn mit den acht Chawerim Benjamin Feingersch, Peter Fliess, Walter Keschner, Assi Lerner, Gerhard Maschkowski, Roman Neger, Jako Rosenbaum und Peter Sieburth sowie drei Chaweroth Rita Fränkel, Jutta Kleczewski und Inge Wolff (insgesamt 12) aus Jessen in das Lehrgut Neuendorf im Sande;

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Um­be­nen­nung der noch bestehenden in „Jü­di­sches Ar­beits­ein­satz­lager“

27.5. -31.8.1941 Auflösung des Hachscharalagers Jessen- Mühle;

November 1941 die Eltern erhalten den Deportationsbefehl; Benjamin darf mit Sondererlaubnis zum Abschied am 6.12.1941 aus Neuendorf nach Celle zu kommen.

2.4.1942 Verhaftung der älteren und der bereits bei der Gestapo zuvor auffällig gewordenen Chaluzim aus Neuendorf und Deportation auf Lastwagen in eine große Turnhalle nach Frankfurt/Oder

3.4.1942 Deportation dieser Neuendorf-Gruppe mit 1009 Personen nach Warschau

November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“

März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert

31.3.1943 Die Belegschaftsliste des Landwerk Neuendorf enthält 96 Männer (drei abwesend) und 66 Frauennamen

7.4.1943 Zustellung der Transportlisten

10. 4.1943 169 Chawerim aus Neuendorf mit LKW nach Fürstenwalde, von dort mit der Bahn nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager ehemaliges jüdisches Altenheim Große Hamburger Straße; in Berlin vom Transport zurückgestellt 16 Personen (Geltungsjuden, Juden aus privilegierten Mischehen etc.)

19.4.1943 auf dem 37. Osttransport als Teil der Fabrikaktion, allein 153 Personen aus dem Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde.

Esther Bejarano erinnert sich:

„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“

Esther berichtet auch, dass viele alte und schwache Menschen diesen mehrere Tage dauernden Horrortrip in den Viehwaggons nicht überlebten. Ihre Leichen blieben die ganze Zeit in den Waggons.
Mit Esther saßen viele der Jugendlichen im Waggon, mit denen sie in Neuendorf zusammen war: Eli Heymann, Schimschon Bär, Schoschana Rosenthal, Miriam Edel, Anne Borinski, Hilde Grünbaum, Karla und Sylvia Wagenberg, Herbert Growald und noch viele andere. Schimschon und Esther hatten sich getrennt, sie hatte inzwischen ein Auge auf Eli Heymann geworfen, an dessen Seite sie den Transport in die Hölle überstand.

20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:

„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“

Benjamin Feingersch wird die Auschwitz-Häftlingsnummer 117016 in den linken Unterarm tätowiert

9.2.1944 Letzte Aktennotiz in Auschwitz

Eines Tages wird er mit Lungenentzündung und 40° Fieber in die Krankenbaracke von Monowitz gebracht:

Er wird mit Hilfe von Artur Posnanski vor einer Selektion durch den SS-Arzt gerettet:

„Einmal lagen Isi Philipp und Benjamin Feingersch auf der Inneren Station. Sie hatten Lungenentzündung mit hohem Fieber, so dass sie bereits wirr redeten. Ein Hinweis an die drei Pfleger reichte aus, und die Jungen überstanden die Krankheit.“

Zwei anderen Chawerim aus Paderborn – Manfred Abraham und Nathan Joselewitsch haben bereits resigniert und werden mit einem Lastwagen in die Gaskammern von Auschwitz-Birkenau gebracht.

18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit der 10 000 Männer aus dem KL Monowitz

Sein bester Freund Bernd Oppenheimer muss mit einer schweren Verletzung im Häftlingskrankenbau HKB im KL Monowitz zurückbleiben

Benjamin Feingersch berichtet später:

„Ich bitte alle toten Freunde, deren Namen ich nicht erwähne, wenn ich nur den Namen meines besten Freundes nenne, Bernd Oppenheimer. Bernd, der Schwer verletzt war, verabschiedete sich von mir mit einem Händedruck und sagte bei vollem Bewußtsein: ‚Benjamin, in dieser Welt werden wir uns nicht mehr wiedersehen.‘ Wenige Minuten danach wurde er aus dem Zimmer geholt und von SS-Männern erschossen.“

Der Todesmarsch nach Geppersdorf

Die Route des Todesmarsches von Auschwitz über Nikolai (Übernachtung in einer Scheune) nach Gleiwitz (ca. 50 Km). Ein Überlebender berichtet:

„Am 21. Januar mussten wir mit dem Zug weiterfahren. 4500 Gefangene wurden in offene Waggons verladen, in die jeweils 100 bis 130 Menschen gepresst wurden. 30 Stunden mussten wir auf die Abfahrt warten, bei Temperaturen von 15 bis 20 Grad unter Null. Dann, nach nur 15 Kilometern, stoppte der Zug. Den Häftlingen wurde befohlen, die Waggons sofort zu verlassen. Wem von der Kälte die Glieder steif geworden waren, so dass er den Wagen nicht schnell genug verlassen konnte, der wurde erschossen.“

Grafik: DW

Der Todesmarsch führt über Ratibor, Neustadt, Neisse, Glatz, Frankenstein, Langenbielau, Waldenburg, Hirschberg nach Geppersdorf, in der Nähe von Greiffenberg lag das sogenannte Geppersdorfer Lager, ein Außenlager des KL Groß-Rosen; es sollen nur 280 dort angekommen sein.

Die Gruppe um Onny Ohnhaus, mit Benjamin Feingersch, Horst Goldschmidt und Erich Auerbach kommt zunächst ins das Arbeitslager Riesa in Wüstegiershof, Außenlager von KL Groß-Rosen

Zwangsarbeiterlager Geppersdorf-Dörnhau bei Oppeln, Dienststelle Schmelt (Bautrupps)

Schindlers Liste

Von Schindler für sein Werk in Brünnlitz angefordert aus dem Arbeitslager Geppersdorf

Liste von „Schindlerjuden“ mit den Namen der Juden die in das KL-Außenlager Brünnlitz verlegt werden durften, wohin Oskar Schindler seinen Rüstungsbetrieb verlegt hatte.

18.4.1945 Benjamin Feingersch mit Häftlingsnummer 77004 als Schlosser auf der Lagerliste der Lagerverwaltung in Brünnlitz mit 1098 Häftlingsnamen, u.a. der Chawer aus Paderborn Abraham Matuszak (Nr. 77016) aus Gelsenkirchen

Mai 1945 nach Holland, um die Schwestern zu suchen- ohne Erfolg

Ende 1945 auf Alija nach Palästina

Schicksal der Familie

25.2.1939 Schwestern Rose und Fanny in die Niederlande

4.9.1939 Bruder Elias legale Alija aus Schniebinchen mit Studentenzertifikat nach Haifa

21.5.1939 Schwester Marie in die Niederlande

6.12.1941 Eltern mit Bruder Hermann ab Hamburg nach Riga Jungfernhof

22.5.1943 Heirat von Schwester Marie in Westerbork mit Gerrit Klijnkramer

3.9.1942 Schwestern Rose und Marie ins Durchgangslager Westerbork

4.9.1942 Schwester Rose von Westerbork nach Auschwitz; Tod in Auschwitz

28.2.1944 Schwester Fanny Prager ins Durchgangslager Westerbork

3.3.1944 Schwester Fanny Prager von Westerbork nach Auschwitz; Tod in Auschwitz

4.9.1944 Schwester Marie Klijnkramer von Westerbork nach Theresienstadt

23.10.1944 Schwester Marie Klijnkramer von Theresienstadt nach Auschwitz

28.2.1945 Tod von Schwester Marie Klijnkramer

Gedenken

19.8.1955 Pages of Testimony für die Eltern, die Schwestern Fanny und Mari und Bruder Hermann sowie weitere Verwandte von David Feingersch

Grabstein für Elias Feingersch/Eyal auf dem New Ramat Hasharon Morasha Cemetery

Grabstein für Bruder David auf dem Yarkon Petah Tikva Friedhof, Israel

April 2004 Bruder Eli Eyal hält eine Rede anlässlich der Stolpersteinverlegung für die Eltern und die Geschwister Rosa und Hermann in Celle, Im Kreise 23

Quellen

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de864318

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de864319

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de864320

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de864321

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de945815

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de899572

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212881

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130832944

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_%E2%80%9ESchindlerjuden%E2%80%9C#S

https://www.celle.de/output/pdfexport.php

BILDER & DOKUMENTE – הכשרות החלוץ בגרמניה – דור המשך (hachshara-dor-hemshech.com)

https://yvng.yadvashem.org/ad

https://www.dw.com/de/von-auschwitz-nach-geppersdorf-ein-unbekannter-todesmarsch/a-56612097

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Benjamin Feingersch, „Wer hätte das geglaubt?“ in Wiehn Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010

https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de

Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten

Harald Lordick, Landwerk Neuendorf in Brandenburg, in: Kalonymos, 2017, Heft 2

Esther Bejerano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989

Esther Bejerano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013

Anneliese Ora Borinski, Erinnerungen

Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386

Video-Interview mit Issy Philipp 1994

Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015

Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883

https://www.ortschroniken-mv.de/images/d/d9/MAL_KZ_Aussenlager.pdf

https://www.ernster.com/annot/564C42696D677C7C393738333839313434333533387C7C504446.pdf?sq=2

https://www.spiegel.de/geschichte/esther-bejarano-ist-tot-erinnungen-an-den-sommer-1945-a-06923ddf-6dc0-4c75-8136-011be044df7a

https://www.topfundsoehne.de/ts/de/service/mediathek/videos/2020/139178.html

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883

Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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