Nelson Gerhard

Gerhard Gustav Nelson

*23.11.1923 in Freiburg; ✡ 1989

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Siegfried Nelson *30.11.1886 in Freiburg; ✡ 15.8.1942 in Auschwitz

Mutter Marie Heilbrunner *3.5.1888 in Sulzburg; ✡ 6.2.1942 in Gurs

Cousin Rolf Heilbruner *1.2.1924 in Freiburg; ✡ 1997

Geschwister –

Beruf Kaufmann

Adressen Freiburg, Lehenerstr. 21, Hohenzollernstraße 1; Bielefeld;

Heirat 16.11.1951 Ingeborg Morawietz *1.6.1930 in Leipzig

Kind

Weiterer Lebensweg

8 Jahre deutsche Volksschule

1939-1941 Zwangsarbeitslager in Berlin

17.5.1939 mit beiden Eltern in Freiburg bei Minderheiten-Volkszählung

Die Bürckel-Wagner-Aktion in Baden

22.10.1940 beide Eltern mit 6500 Juden des Saarlandes, der Pfalz und Baden in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich transportiert in der „Bürckel-Wagner-Aktion“

6.2.1942 Tod der Mutter im Lager in Gurs

12.8.1942 Vater Siegfried vom Sammellager Drancy nach Auschwitz

Das Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Schlosshofstraße 73 a

1939 Nach­dem zahl­rei­che, in Bie­le­feld le­ben­de Jü­din­nen und Ju­den in „Ju­den­häu­sern“ zwangs­ein­ge­wie­sen wur­den, schloss die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RVJD) mit den jeweiligen Städten Verträge zur Errichtung der Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Schlosshofstraße 73 a und Paderborn, Grüner Weg 86;

Anfang September ent­stan­d zu­nächst ein Wohn- und Ar­beits­la­ger in der Ko­blen­zer Stra­ße 4 (heu­te: Ar­tur-La­de­beck Stra­ße 6)

März 1940 erfolgte wegen der räumliche Enge der Wechsel in das Lager in der Schloß­hof­stra­ße 73a. Dort bestand eine Un­ter­kunft für alte und kran­ke Jü­din­nen und Ju­den („Sie­chen­heim“) als Ein­rich­tung der RVJD.

1940 erfolgte ein Austausch männlicher Bewohner mit dem Umschulungslager Paderborn; die zionistischen Chawerim wechselten nach Paderborn und umgekehrt.

12.4.1941 Gerhard Nelson kommt aus Gut Skaby in das Umschulungs- und Einsatzlager Bielefeld

19.4.1941 Cousin Rolf Heilbruner aus Freiburg ins Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Um­be­nen­nung „Jü­di­sches Ar­beits­ein­satz­lager Bielefeld“

9.7.1941 ist er mit Freund Paul Hoffmann zur Geburtstagsfeier von Lotte Windmüller eingeladen

Daniel Hoffmann schreibt:

Lotte Windmüller lädt Paul zu ihrer Geburtstagsfeier in die Pension von Johanne Peppmöller in Bielefeld ein. Weitere Gäste sind Pauls Freund Gerhard Heilborn (*1921 in Breslau), Gerhard Nelson (*1921 in Freiburg) sowie als Freundinnen aus Bielefeld Hildegard Blank (*1923 in Horn/Lippe) und Ursula Gottschalk (*1923 in Bielefeld).

19.8.1941 Cousin Rolf Heilbruner abgemeldet aus Bielefeld in das Forsteinsatzlager Schönfelde Mark

Herbst 1942 Errichtung von Baracken für junge Familien auf dem Gelände.

November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“

März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz deportiert, um den Arbeitskräftebedarf im Nebenlager Buna zu decken.

27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Bielefeld“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.

1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Bielefeld, mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz

Erwin Angress berichtet:

„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht‘ ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“

2.3.1943 ab dem Güterbahnhof Bielefeld für 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit den 69 Insassen des Lager Bielefeld Schloßhofstraße und allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager Paderborn.

3.3.1943 Ankunft und Selektion der ‚Alten Rampe‘ am Güterbahnhof von Auschwitz;

Ernst Michel berichtet:

„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“

Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943

„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“

Gerhard N. eingewiesen in Auschwitz III zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, auf LKW in die Quarantäneblöcke des „Arbeitslager Buna“ gebracht; Tätowierung der „nichtarischen“ Häftlinge, er bekommt die Auschwitz-Häftlingsnummer  105131in den linken Unterarm tätowiert

15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten

18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca. 60 000 Häftlinge; 10000 Männer aus Monowitz

Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:

Asher Aud:

„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“

Sigmund Kalinski:

„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“

Isidor Philipp berichtet:

„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“

19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Groß Rosen, Buchenwald, Ravensbrück, Sachsenhausen

Isidor Philipp berichtet:

„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“

Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.

Gerhard N. zunächst nach Groß Rosen; Weitertransport nach Buchenwald

10.2.1945 aus dem KL Groß Rosen nach Buchenwald

5.3.1945 Deportiert in das KL Bisingen Außenlager von Natzweiler, Wüste-Werke Nr. 2 und 3 Tarnname Unternehmen Wüste zur Ölgewinnung aus Schiefer, Ölschieferabbau aber ineffektiv

Der ehemalige Häftling Alfred Korn im Interview:

„Aber das Öl floß nicht, es tröpfelte spärlich. Ich will mich nicht festlegen, aber es kam mir so vor, als ob alle vier oder fünf Minuten aus dem Rohr ein Tropfen in die Zisterne floß. Das heißt, „fließen“ ist ja hier wohl nicht das richtige Wort. … Das war also die große Leistung des Schieferwerks Bisingen.“

7.3.1945 Ankunft von 1000 Häftlingen (900 Juden) aus dem KL Buchenwald im KL Bisingen

9.3.1945 Registrierung im KL Bisingen

Anfang April 1945 einige Bisinger Häftlinge auf Lastwagen in das KZ Spaichingen gebracht

12. und 14. 4.1945 nicht gehfähige Häftlinge über Dachau in das Außenlager Allach transportiert.

Die verbleibenden Häftlinge marschierten nach Schörzingen oder Dautmergen

17.-23.4.1945 Todesmarsch aus Bisingen und Dautmergen endet in Altshausen

14. 4.1945 Gerhard Nelson eingeliefert im KL Dachau

1949 in Freiburg (Una = BUNA)

In den 50erJahren führt Gerhard Nelson Rückerstattungsklagen vor dem Landgericht Freiburg zusammen mit Cousine Rosa Bauchwitz geb. Nelson (Zürich) als Nebenklägerin

Gedenken

Quellen

Auszug aus dem Hausbuch Schloßhofstraße des Einwohnermeldeamtes Bielefeld (Signatur: StArchBi, Bestand 104,3 Einwohnermeldeamt, Nr. 1547)

Daniel Hoffmann, Lebensspuren meines Vaters, Wallstein Verlag 2007

Verein „Initiative KZ-Gedenken in Spaichingen“ (Hrsg) „Sie waren nur Haut und Knochen“, Spaichingen 2021

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130832066

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/68396128

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de935207

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de935212

Daniel Hoffmann, Lebensspuren meines Vaters, Wallstein Verlag 2007

Bettina Wenke, Interview mit Alfred Korn, in: Interviews mit Überlebenden,Stuttgart 1980;

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_wfn_43a.html

https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=en&s_id=&s_lastName=Dessauer&s_firstName=&s_place=Gelsenkirchen&s_dateOfBirth=&cluster=true

https://www.statistik-des-holocaust.de/OT430302_1.jpg

Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7

Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013

Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998

www.80jahrepogrom.jgpb.de/erwin-angress/

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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