Rudy Katz
*15.12.1920 in Lembeck; 1939 Südlohn; Belgien; 1940 USA; ✡28.7.2002 in Germantown
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Leopold Katz *18.1.1891 in Köln; Vertreter; ✡ nach Nov. 1941 Ghetto Minsk
Mutter Rosalie Lebenstein *7.2.1889 in Lembeck; ✡ nach Nov. 1941 Ghetto Minsk

Großvater Isaac Lebenstein *10.7.1847 in Lembeck; Repräsentant der SG Dorsten; ✡3.9.1918 in Lembeck

Großmutter Sophie Elkan *4.11.1861; ✡10.5.1942 in Raesfeld

Geschwister
Karl– Heinz Katz *19.11.1925 in Essen; Lembeck; 1938 Essen; ✡ nach Nov. 1941 Ghetto Minsk

Manfred Katz *27.3.1927 in Essen; ✡ nach Nov. 1941 Ghetto Minsk
Beruf Landwirtschaftlicher Praktikant
Adressen Essen, Sachsenstraße 16 später Nr. 13; Alt-Schermbeck;
Heirat Gertrude Bamberger *30.11.1926 in Coburg; ✡28.6.1879 in Memphis
Kinder drei
Jeffrey Katz *17.10.1956
Ruby Katz
Mollie Katz
2. Ehe mit Margot Nathan
Lebensweg
Vater Vertreter für Herrenbekleidung nur bis 1934/1935; danach kleines Radio-Reparaturgeschäft, in der Nähe der Steeler Straße

1927 Einschulung in der neueingerichteten Jüdischen Volksschule Sachsenstraße 33
1932-1938 leben die jüngeren Brüder bei der Großmutter in Lembeck, besuchen dort die katholische Volksschule. Rudy Katz berichtet:
„Ich verbrachte viele Ferien – Sommer und Winter – in Lembeck und kann mich noch auf viele Familien entsinnen. Ich war sehr befreundet mit Familie Holtrichter und deren Kindern, die Nachbarn waren, Ich bin nicht in Lembeck zur Schule gegangen, sondern mein jüngerer Bruder Karl-Heinz Katz. Er wohnte für einige Jahre bei meiner Oma in Lembeck.“
1931 bis 1935 Rudy Katz auf der Humboldt-Oberrealschule in Essen
1935 Karl-Heinz für einige Monate auf der Humboldt-Oberrealschule
10.11.1938 im Novemberpogrom Rudy und Vater Leo von zwei SS Männern vergeblich gesucht; Rudy für einige Tage unterwegs
November 1938 bis Januar 1939 bei den Eltern
Januar 1939 Tante Anna geb. Katz aus Köln arrangiert, dass er illegal nach Belgien geschleust wird
1939 Bruder Manfred mit Kindertransport nach Antwerpen, wohnt bei einer jüdischen Familie
1940 Manfred nach der Besetzung Belgiens wieder nach Essen zurück
Der Bund deutsch-jüdischer Jugend (BdjJ)
Der BdjJ wurde 1933 als ein Zusammenschluss verschiedener jüdisch-liberaler und deutsch-patriotischer Jugendgruppen auf nationaler Ebene gegründet; inhaltlich liberal und assimilatorisch ausgerichtet, organisatorisch dem Reichsbund jüdischer Frontsoldaten nahestehend.
Um dem zunehmenden Emigrationsdruck zu entsprechen wurde, 1936 das Lehrgut „Groß Breesen“ als Umschulungslager für Übersee-Gruppenwanderer eingerichtet. Auf Druck der Behörden musste das Wort „deutsch-jüdisch“ aus dem Verbandsnamen gestrichen werden, weshalb die Umbenennung in „Ring, Bund der jüdischen Jugend“ erfolgte. Im Januar 1937 musste der „Ring“ aufgelöst werden. Der BdjJ hatte bis zu 5000 Mitglieder in 16 Landesverbänden gezählt.
Die Hachschara Bewegung
In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.
Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.
Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachschara-Stätten (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).
So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.
Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1000 Palästina Pfund mitbringen mussten. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.
Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.
Haus Berta am Freudenberg bei Alt-Schermbeck
Auf Betreiben von Leo Gompertz, Vorsitzender der RjF-Ortsgruppe Gelsenkirchen entstand 1934 auf dem Heide und Waldgelände des Julius Goldschmidt ein Jugend-und Ferienheim, Haus Berta, benannt nach der Mutter des Julius Goldschmidt. Die feierliche Eröffnung fand am 29.7.1934 im Beisein von reichsweiter RjF- und Rabbinats-Prominenz statt. Heimleiter wurde Dr. jur. Willi Stern, 1933 von den Nazis außer Dienst gestellter Amtsgerichtsrat aus Recklinghausen. Madrich für das erste Landsommerhalbjahr 1935 war Heinz Kahn (HaKa)aus Eschwege.
Die geistliche Betreuung übernahm der zuständige Bezirksrabbiner Dr. Selig Auerbach aus Recklinghausen. Das Ehepaar Leo und Rosa Auerbach war für die Hauswirtschaft zuständig, Ruth Stamm für den Jugendsport und die Gymnastik. Die vom Hamburger Oberrabbiner Dr. Joseph Carlebach empfohlene Edith Möller aus Hamburg-Altona führte die streng koschere Küche.
Vom 10.5.-31.10.1935 fand das bereits an einer Hachschara ausgerichteten erste Landhalbjahr statt; Madrich war Heinz Kahn (HaKa) aus Eschwege.
Als vermutlich bewusste Provokation wurde Haus Berta 1937 während eines wie immer besonders festlich begangenen Freitagabend-Gottesdienst zum jüdischen Schabbat von der Gestapo geschlossen.
Aus dem Lagebericht von 1937 der Staatspolizeidienststelle für den Regierungsbezirk Münster:
„Die polizeiliche Schließung des jüdischen Ferienhauses (…) hat nach dem vorliegenden Bericht des Landrats in Recklinghausen in der Bevölkerung lebhafte Befriedigung ausgelöst.“
Weiterer Lebensweg
1935 Rudy Katz muss die Humboldt-Oberrealschule in Essen vorzeitig verlassen
1935 Rudy Katz in das Ferienheim/ Umschichtungslager „Haus Berta“ am Freudenberg bei Alt-Schermbeck in Trägerschaft des Reichsbund jüdischer Frontsoldaten RjF
10.5.-31.10.1935 Rudi Katz Teilnehmer des „Ersten Landhalbjahrs“ in „Haus Berta“
Gustav Blum vom RjF Essen verschafft ihm für eine Lehrstelle in seinem Essener „Bekleidungshaus Blum“
1939 Flucht nach Antwerpen

1.-12.3.1940 Rudy auf der SS WESTERNLAND von Antwerpen nach New York; Adresse des Vaters
Bruder Manfred von Antwerpen zurück nach Essen

9./10. 11.1941 Deportation der Eltern und Brüder aus Essen nach Düsseldorf , dann am 10.11. 1942 um 10.40 Uhr vom Güterbahnhof Düsseldorf-Derendorf nach Minsk
Gedenken
Stolperstein für die Eltern Katz und die Brüder Karl-Heinz und Manfred in Essen Sachsenstraße/Ecke Geibelstrasse
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Interview Rudy Katz Oral history (Audio)
https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn513136
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de895437
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de895787
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de895381
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de895531
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/11198908
Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 6449); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85https://www.jmw-dorsten.de/hachschara-auf-haus-berta/
https://archives.cjh.org/repositories/5/archival_objects/785194
https://archive.org/details/leogompertzcolle01gomp/page/n59/mode/1up?view=theater
http://www.holstina.de/history/hausberta.html
https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-345341#id20
Carolin Huber, Jüdische Kindheit und Jugend im nationalsozialistischen Deutschland, Eine vergleichende Studie für die Städte Düsseldorf und Essen, Dissertation 2009
Peter W. Lande, Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History
https://archive.org/stream/MitteilJdischerPfadfinder/Nr.%2010%20%281936%29_djvu.txt