Goldschmitt Heinz

Heinz Goldschmitt (Henry Goldsmith)

*14.3.1921 in Essen; ✡3.5.2001 in Aspen

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Alfred Goldschmitt * 8.1.1882 in St. Johann/Saar; ✡3.12.1942 in Auschwitz

Heirat der Eltern 13.8.1920 in Essen

Mutter Sabine Nathan *3.2.1882 in Vallendar; ✡3.12.1942 in Auschwitz

Großeltern Leonhard Goldschmitt und Jeanette Loeb

Großeltern Samuel Nathan und Karoline Binge

Onkel Ludwig Nathan *20.11.1885 in Vallendar, Bad Ems; ✡30.7.1956 in Binghamton

Tante Emma Nathan geb. Meyer *11.7.1883 in Lübbecke; ✡ in USA

Halbschwestern

aus 1. Ehe des Vaters mit Berta Baum (*31.12.1882, ✡22.9.1914 Evang. Krankenhaus Mülheim)

Irma Goldschmitt *9.7.1908 in Witten; ✡1.1.1979 in Recklinghausen; Heirat 9.9.1932 in Essen

mit Julius Alfons Spitmann (1909-20.5.1981 in Recklinghausen)

Frieda Goldschmitt *6.9.1910 in Essen; ✡27.9.1942 in Auschwitz; oo 5.2.1941 in Amsterdam Julius Sanders (1898-1942)

Cousin/e

Benno Bruno Nathan (?)*15.6.1914

Irma Nathan *20.1.1917 in Essen; ✡20.3.1965; oo Beckman

Kurt Nathan *27.6.1920 in Essen; ✡7.10.2016 in Somerset New Jersey

Dora Nathan *11.7.1924 in Essen

Erich Schwarz *30.6.1908 in Freren; Essen; ✡ 1942 in Auschwitz

Beruf Elektriker

Adressen Essen, Bornstraße 13; Alt-Schermbeck; Amsterdam; Paris; Mülheim, Bergstraße 25

Heirat 27.7.1948 in Mülheim Hilde Ellen Baldeschwiller *20.1.1930 in Duisburg

Kinder

Kindheit/ Schule

Vater Alfred Inhaber mehrerer Tabakwarengeschäfte „Goldschmitt Zigarrenhaus“

Vater Alfred aktiv in der Jüdischen Gemeinde Essen, las regelmäßig die Thora vor

Der katholische Schwager Spitmann musste sich vor der Ehe mit Halbschwester Irma beschneiden lassen

Ostern 1927-1931 Volksschule in Essen

Ostern 1931 Vorn  n.n., Lothar Leyser, Herbert Salomon,
hinten Wolfgang Pelz, Bernd Löwenstein, Heinz Goldschmitt

Ostern 1931-1934 Humbold-Oberrealschule in Essen zusammen mit Lothar Leyser

1935 nach Alt Schermbeck Haus Berta

1936-1937 Heinz zur „Talmud-Thora-Schule“

Die Hachschara Bewegung

In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.

Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.

Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachschara-Stätten (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).

So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.

Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1000 Palästina Pfund mitbringen mussten. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.

Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.

Haus Berta am Freudenberg bei Alt-Schermbeck

Auf Betreiben von Leo Gompertz, Vorsitzender der RjF-Ortsgruppe Gelsenkirchen entstand 1934 auf dem Heide und Waldgelände des Julius Goldschmidt ein Jugend-und Ferienheim, Haus Berta, benannt nach der Mutter des Julius Goldschmidt. Die feierliche Eröffnung fand am 29.7.1934 im Beisein von reichsweiter RjF- und Rabbinats-Prominenz statt. Heimleiter wurde Dr. jur. Willi Stern, 1933 von den Nazis außer Dienst gestellter Amtsgerichtsrat aus Recklinghausen. Madrich für das erste Landsommerhalbjahr 1935 war Heinz Kahn (HaKa)aus Eschwege.

Die geistliche Betreuung übernahm der zuständige Bezirksrabbiner Dr. Selig Auerbach aus Recklinghausen. Das Ehepaar Leo und Rosa Auerbach war für die Hauswirtschaft zuständig, Ruth Stamm für den Jugendsport und die Gymnastik. Die vom Hamburger Oberrabbiner Dr. Joseph Carlebach empfohlene Edith Möller aus Hamburg-Altona führte die streng koschere Küche.

Vom 10.5.-31.10.1935 fand das bereits an einer Hachschara ausgerichteten erste Landhalbjahr statt; Madrich war Heinz Kahn (HaKa) aus Eschwege.

Als vermutlich bewusste Provokation wurde Haus Berta 1937 während eines wie immer besonders festlich begangenen Freitagabend-Gottesdienst zum jüdischen Schabbat von der Gestapo geschlossen.

Aus dem Lagebericht von 1937 der Staatspolizeidienststelle für den Regierungsbezirk Münster:

„Die polizeiliche Schließung des jüdischen Ferienhauses (…) hat nach dem vorliegenden Bericht des Landrats in Recklinghausen in der Bevölkerung lebhafte Befriedigung ausgelöst.“

Weiterer Lebensweg

März 1933 nach dem Reichstagsbrand Cousin Erich Schwarz als KPD-Zellenleiter in Essen verhaftet „Schutzhaft“ im „wilden Konzentrationslager“ Lichtenburg, Torgau

Der Vater Alfred Goldschmitt war Mitglied im RjF Essen, Träger des EK I

Vater Alfred Goldschmitt glaubte er lange nicht an eine Bedrohung und bezeichnete diejenigen, die die Katastrophe herannahen sahen, als „Schwarzseher“.

1935 Heinz Goldschmitt in das Ferienheim/ Umschichtungslager „Haus Berta“ am Freudenberg bei Alt-Schermbeck in Trägerschaft des Reichsbund jüdischer Frontsoldaten RjF

10.5.-31.10.1935 Erstes Landhalbjahr in „Haus Berta“

21.7.-31.10.1935 Heinz Goldschmidt Teilnehmer des „Ersten Landhalbjahr“

Mai 1936 Cousin Kurt Nathan zur Hachschara auf den Hof Westerbeck/Stern, Hachscharalager des jüdischen Pfadfinderbundes „Makkabi Hazair“ auf Gut Westerbeck in Westerkappeln

17.-25.11.1937 Familie Nathan auf der SS MANHATTAN mit den Eltern von Hamburg nach New York

1937- Nov. 1938 Klempnerlehrling bei Klempnermeister Schweitzer in Essen

9./10.11.1938 11.1938 In der Pogromnacht verstecken sich Heinz und sein Vater bei der Halbschwester Irma Spitmann in Essen und entgehen so der Verhaftung

30.11. 1938 Heinz Goldschmitt emigriert „halblegal“ mit dem Zug über Emmerich-Arnheim nach Amsterdam zu Tante Ida Nathan-Schwarz (1878-1943); Halbschwester Frieda ist ab dem 9.12.1938 in Amsterdam gemeldet ist

Dez.1938 – Dez.1939 angestellt beim Judenrat in Amsterdam

Dez. 1939 -Juli 1942 Klempner/Installateur bei Fa. DEUS in Amsterdam

30.11.1941 Heinz Goldschmitt zeigt den Diebstahl seines Vorderrades auf einer Polizeiwache in Amsterdam an

1940 -1942 Heinz Goldschmitt mehrmals Besuch bei den Eltern in Nijmegen

Juli 1942 -August 1943 illegal untergetaucht in Amsterdam; angeblich nach Deutschland

August 1943 Flucht nach Paris als „Heinz Fenger“ mit falschen Papieren

August 1943 – Juli 1944 illegal in Paris; aktiv im Widerstand; ausführlich in seinem Buch (Henry Goldsmith, My first life, Author House, 2011)

Weihnachten 1943 zu Besuch in Amsterdam; Reinmann, ein deutscher Militärpolizist, Nachbar der Schwester Irma aus Essen, arrangiert ein Treffen mit deren Sohn Dieter in einer konspirativen Wohnung

Juli 1944 als Mitglied der Resistance in Paris verhaftet, deportiert nach Buchenwald,

Buchenwald-Häftlingsnummer Nr. 123 222;

Von Buchenwald verlegt zur Zwangsarbeit in einer Salzmine in Wansleben in der Nähe von Leipzig

Flucht auf dem Todesmarsch

Befreiung durch die US Army

April -Juni 1945 in Eisleben in einem Office der US Army

Juni 1945 -Dez. 1947 nach Billerbeck zu Schwager Spitmann, Arbeiter in der „Genossenschaft der Amputierten NEUWERK“; dort hatte der Schwager im letzten Kriegsjahr Zuflucht gefunden.

15.12.1945 in Amsterdam gemeldet Rijnstraat 231 bei Frenkel

1947 -1949 Mülheim Bergstraße 231; eröffnet sein eigenes Geschäft

1950 Emigration in die USA

20.3.1950 Ankunft mit Ehefrau und Sohn Frank von Bremen am Flughafen Idlewood , New York

1955 Einbürgerung vor dem US District Court, Brooklyn, N.Y.; Umbenennung in Henry Goldsmith

Schicksal der Eltern und der Halbschwester Frieda

August 1940 Eltern flüchten aus Essen nach Haarlem

9.10.1940 Umzug der Eltern aus Haarlem nach Nijmegen, Berghstraat 159

15.7.1941 Schwester Frieda von Amsterdam nach Nijmegen gemeldet

10.10.1942 Schwester Frieda mit Ehemann von Westerbork nach Auschwitz

27.9.1942 Tod der Schwester Frieda in Auschwitz

November 1942 Eltern in Nijmegen verhaftet

18.11.1942 Internierung der Eltern im Judendurchgangslager Westerbork

Aus Westerbork schreiben sie an Heinz eine verklausulierte Karte :

 “Lieber Freund, das Wetter hier in Nimwegen ist sehr schlecht, heute Nacht sind wir von einem schweren Gewitter überrascht worden und mussten das Haus verlassen. Unsere Habe mussten wir bei Beckers lassen. In der Hoffnung, Dich zu sehen, wenn alles vorüber ist, Deine wahren Freunde“

30.11.1942 Eltern mit Transport 39 von Westerbork nach Auschwitz

3.12.1942 Tod der Eltern in Auschwitz

Schwester Irma überlebt wegen ihrer „privilegierten Mischehe“ mit Julius Spitmann

Gedenken

Quellen

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 7808); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de876851

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de876874

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de958707

https://archief.amsterdam/indexen/persons?ss=%7B%22q%22:%22Goldschmitt%22%7D

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/79129377

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/5284423

https://collections.arolsen-archives.org/en/document/130294748

https://collections.arolsen-archives.org/en/document/79129373

https://collections.arolsen-archives.org/en/document/130294649

https://collections.arolsen-archives.org/en/document/5149049

Henry Goldsmith, My first life, Author House, 2011

https://www.joodsmonument.nl/nl/page/129888/sabine-goldschmitt-nathan

https://archives.cjh.org/repositories/5/archival_objects/785194

https://archive.org/details/leogompertzcolle01gomp/page/n59/mode/1up?view=theater

http://www.holstina.de/history/hausberta.html

https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-345341#id20

http://www.dorsten-unterm-hakenkreuz.de/2012/05/28/haus-bertha-am-freudenberg-ein-lichtblick-und-kurzer-hoffnungsstrahl-fur-bedrangte-judische-kinder-aus-dem-reich-den-willen-zum-uberleben-gestarkt/

https://www.schermbeck-grenzenlos.de/index.php/aktuelles/2-uncategorised/17069-auf-den-spuren-der-geschichte-von-haus-berta

Carolin Huber, Jüdische Kindheit und Jugend im nationalsozialistischen Deutschland, Eine vergleichende Studie für die Städte Düsseldorf und Essen, Dissertation 2009

https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-12632/Ver%C3%B6ffentlichungsfassung%20Diss.%20Huber_pdf-a.pdf

Peter W. Lande,  Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History

https://archive.org/stream/MitteilJdischerPfadfinder/Nr.%2010%20%281936%29_djvu.txt

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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