Weinberg Naomi

Nina Naomi Deborah Wajnberg/Weinberg

*28.2.1928 in Warschau; ✡ ?

Staatsangehörigkeit polnisch, staatenlos

Religion jüdisch

Vater Joel Wajnberg in Baczki; ✡ September 1942 in Treblinka

Heirat der Eltern 1920

Mutter Dwojra Deborah Wilenska * ca 1899; ✡ 4.11.1991 in Netzer Sereni

Geschwister

Halina Weinberg -Grabowski *10.10.1923; ✡4.2.1985 in Netzer Sereni

Rifka Weinberg *1924 Baczki; ✡1942 in Baczki

Sechs Brüder und Schwester Rifka sind in der Shoa umgekommen

Beruf Haushaltshilfe

Adressen Warschau; Fabryka Baczki; Hattenhof Nr. 36;

Heirat Simcha Apfelbaum *6.10.1927 in Malecz

Kinder

Weiterer Lebensweg

Vater Joel betreibt einen Milchhandel in Baczki

Das Ghetto in Baczki

1.9.1939 Überfall der Wehrmacht auf Polen

9.9.1939 Besetzung von Baczki; die Wehrmacht verhält sich korrekt gegenüber Polen und Juden; die Familie freundet sich mit einem Wehrmachtsadjutanten an. Diese Beziehung besteht bis zum 22.6.1941, als das Regiment nach Russland verlegt wird.

1.1.1940 Einrichtung des Ghetto Baczki

Tenhumberg schreibt über das Ghetto Bazki:

„Ein großer Teil der ansässigen Juden, unter ihnen auch der Fabrikbesitzer Perlis/Fells und seine Familie, flüchtete in die Sowjetunion. Die Besatzer beschlagnahmten die Fabriken und brachten Arbeiter aus einer Fabrik im nahe gelegenen Ostrowsk nach Baczki. Um eine reibungslose Produktion der Fabriken zu gewährleisten, behandelte man die Juden relativ milde. Nichtsdestotrotz kamen gelegentlich SS-Männer aus dem nahe gelegenen Lochow, um Juden zur Zwangsarbeit einzuziehen. Diese Zwangsarbeiter wurden gegen Schmiergelder befreit, die Baczkis Judenrat unter Yaakov Friedman zahlte.
Ende 1939 trafen knapp 500 Flüchtlinge in der Region ein. Die einheimischen Juden wurden angewiesen, ihre Häuser (von denen mehrere der Familie Perlis gehörten) zu räumen und in überbelegte Gebäude umzuziehen die man ihnen eigens zugeteilt hatte. In die von den Juden geräumten Wohnungen zogen Volksdeutsche aus Posen ein.
Eine Bahnlinie zum Vernichtungslager Treblinka verlief quer durch Baczki, die Schreie derjenigen, die in den Tod fuhren, waren Tag und Nacht zu hören. Die einheimischen Juden gewährten jenen Hilfe, die von den Zügen absprangen, versteckten die Überlebenden und bestatteten die Toten.“

23. und 25. September 1942, zwei Tage nach Jom Kippur (20./21. September) wird das Ghetto Baczki aufgelöst, die Bewohner nach Treblinka deportiert. Dutzende Juden aus Baczki, die sich in den umliegenden Dörfern versteckten, wurden aufgespürt und erschossen. In der Nacht vor der Deportation entschließen sich Mutter und die Töchter Naomi Halina und Rifka zur Flucht. Halina und Rifka wollen sich nach Warschau schleusen lasen, der Vater bleibt in der Fabrik. Rifka wird gefangen und später erschossen. Mutter Dwoira berichtet:

Wir verließen alle die Häuser und rannten in den Wald. Also haben sie Juden zusammengetrieben und erschossen. Sie haben auch auf die mittleren Häuser geschossen, sie saß mit Halina in einem Busch und ging hinaus, Halina kam nicht heraus, jemand kam und erkannte sie (Rifka), und er nahm sie mit und erschoss sie.“

Naomi, ihre Mutter und Schwester Halina überleben die Aktion im Versteck. Der Vater wird nach Treblinka deportiert.

Leben im Versteck

Wochenlang müssen die Schwestern ihre Verstecke wechseln, einmal wird sie entdeckt, der fromme Bauer kann aber die Häscher mittels Bestechung dazu bringen, sie gehen zu lassen.

Als „polnische Arierinnen“ in Deutschland

Zuerst Schwester Halina, dann sie selbst, gefolgt von der Mutter bekommen sie aus dem polnischen Widerstand gefälschte Papiere, mit denen sie sich in Warschau als Fremdarbeiterinnen für Deutschland anwerben lassen. Bei der Registrierung fliegt ihre Tarnung der Mutter beinahe auf.

Nach der Bahnfahrt nach Deutschland kommt die Mutter auf ein Landgut und bleibt dort als Fremdarbeiterin, bis zur Befreiung durch die Russen.

Die Mutter schließt sich 1945 einem Mädchen aus Hagrawitz zur Heimkehr nach Polen an; vier Monate bleibt sie dort, geht dann nach Warschau und nach Baczki; zehn Jahre lebt die Mutter in Bilsko in Niederschlesien, bevor sie sich zur Emigration nach Palästina entschließt

Naomi gilt jetzt als „19-jährige Emelia Janina Spidinska“. Sie fährt mit 40 anderen Fremdarbeitern nach Berlin, kommt dort ins „Wilhelmslager“.

Nach einigen Tagen kommt sie in den gutbürgerlichen Haushalt der Familie eines Konsuls.

Von dort wird sie weitergeleitet zu Verwandten nach Triptis bei Gera. Sie arbeitet dort auf einem Gutshof im Haushalt.

Sie lebt in ständiger Angst, entdeckt zu werden.

1945 Die Amerikaner kommen ins Dorf.

Kurze Zeit später werden alle Fremdarbeiter zunächst nach Gera und dann nach Buchenwald gebracht. Dort trifft sie auf Oscar (Oskar Wassermann)und Zimcha (Simcha Dymant)und gibt ihre Tarnung auf. Oscar bringt sie im Judenblock 16 unter, wo auch Alex (Alex Grynbaum) war.

Sie tritt der Gruppe Kibbuz Buchenwald bei.

Kibbuz Buchenwald I auf Hof Egendorf

April 1945 Die ehemaligen Buchenwald-Häftlinge und Leiter von zionistischen Gruppen im Lager Elias Grynbaum, Heinrich Chaskel Tydor und Moritz Zauderer wenden sich an Herschel Schacter (1917-2013), Rabbi der US-Army in Buchenwald mit der Bitte um Unterstützung, die zunehmend verwilderten jüdischen Jugendlichen aus dem Lager herauszubringen.

Anfang Mai 1946 Rabbi Schacter bittet den US-Oberst der Militärverwaltung für Thüringen in Weimar um Hilfe; dieser entschied sich – nach Überprüfung verschiedener Höfe in der Umgebung von Weimar – für den Hof Egendorf bei Blankenheim sei, der sich zuvor im Besitz der Nazis befunden hatte.

Mitte Mai 1945 Alex Grynbaum, Yehezkel Tydor und Moritz Zauderer zum Gespräch mit dem US-Oberst nach Weimar, dieser schlägt vor, dass sie mit den Chaluzim Ende Mai auf den Hof Egendorf umziehen sollen

25.5.1945 Elias Grynbaum informiert die Chaluzim in Buchenwald, dass sie in den nächsten Tagen auf den Hof Egendorf umziehen

3.6.1945 eine erste Gruppe von 16 Chaluzim zieht auf den Hof Egendorf bei Blankenhaim, u.a. Naomi Weinberg, Abraham (Ahuvia), Samuel und Chaim Gottlieb, Simcha Dymant, Alex Grynbaum, Yehezkel Tydor, Oskar Wassermann und Moritz Zauderer. Sie nennen ihn „Kibbuz Buchenwald“.

Anfang Juni Gründungsfeier und Benennung in „Kibbuz Buchenwald“; Rabbi Schacter teilt mit, dass gemäß dem Potsdamer Abkommen das Land Thüringen von der US-Army der russischen Militärverwaltung unterstellt werden würde.

Noch am selben Abend beschließen Grynbaum, Tydor und Zauderer den Wechsel des Kibbuz in die amerikanische Zone

9.6.1945 Tydor, Moritz Zauderer und Victor Herskovics wollen mit dem Jeep von Rabbi Schacter und dessen Fahrer Chaim Shulman zur US-Militärverwaltung nach Frankfurt, um die Zusage für den Wechsel zu beschaffen. Sie machen aber einen Zwischenstopp in Hattenhof und besichtigen den jetzt von Volksdeutschen bewohnten Hof.

Nach Weigerung des Dorfvorstehers in Hattenhof fahren sie zur US-Militärverwaltung nach Fulda. Kommandant Leutnant Finkelstein beschlagnahmt und überschreibt ihnen den Gehringshof.

Kibbuz Buchenwald II auf dem Gehringshof

24.6.1945 53 Chawerim machen sich auf den Weg von Egendorf zum Gehringshof

Abraham Gottlieb (Ahuvia) in seinem Tagebuch:

Wir kamen mit 53 Freunden nach einer stundenlangen Fahrt in einem Bus und zwei LKWs auf einer Berg- und Talstraße nach Gehringshof bei Fulda an.“

Der Gehringshof wird offiziell IRO Camp 553.

15.7.1945 Eliahu Dobkin (stellvertretender Leiter der Alijah-Abteilung der Jewish Agency) im Kibbuz zu Besuch mit der Ankündigung, dass das Palästina-Büro in Paris in 6 Wochen 79 Zertifikate aus Vorkriegsbeständen zur Verfügung stellt. Da im Kibbuz Buchenwald nur 60 Personen für ein Zertifikat in Betracht kommen, reist Simcha Dymant mit seinem Freund Arthur Posnanski zur Hechaluz-Zentrale in Bergen Belsen, um dort 20 Chaluzim zur Alija auszuwählen.

1945 Krankenbehandlungsliste Dr. Bogner in Neuhof, praktischer Arzt

Mitte August 1945 20 Chaluzim der NOHAM-Gruppe aus Bergen-Belsen auf den Gehringshof, u.a Piese Zimche, Herbert Growald, Manci Ferenc/Ohnhaus, Shlomo Schiff, Bella Staub, Guste Zisner, Anna Adler, Esther Loewy, Margot Edel, Rivka Kuperberg, Israel Lerner

25.8.1945 Ankunft der Beth-Jakov Gruppe von 12 Frauen und zwei MAPAI-Jungen um Rita Rivka Englard, Rachel Schnitzer aus Bergen Belsen (Mädchenschulorganisation Beth Jakob“ =Haus Jakob)

Kibbuz Buchenwald III in Palästina – Netzer Sereni

Alija auf der SS MATAROA

27.8. 1945 Naomi Weinberg, Elias Grynbaum, Tydor und Moritz Zauderer, insgesamt 80 Chaluzim der Gründergruppe – 53 Männer, 27 Frauen – vom Gehringshof über Baden nach Marseille

4.9.1945 Abfahrt der SS MATAROA aus Marseille

8.9.1945 Ankunft der 78 Chaluzim in Haifa auf der SS MATAROA mit Arbeiterzertifikat C/L

Nach kurzem Aufenthalt im britischen Internierungscamp Atlith gehen viele in den Kibbuz Afikim am See Genezareth.

Elias Grynbaum: „aber sie verstanden uns überhaupt nicht.“

Lola Sultanik (Ahuvia) fügte hinzu: „Meine Freunde hörten die Geschichten, aber ich weiß nicht, ob sie es überhaupt hören wollten. Als ich glaubte, dass sie mir nicht glaubten, hörte ich auf zu erzählen.“

28.3.1946 Ankunft von Simcha Appelbaum in Haifa, Alija Bet auf der SS TEL HAI

Auszug aus dem Kibbuz Afikim

300 NOHAM Mitglieder verstreut im Jordantal in den Kibbuzim (Degania, Ashdot Yaakov, Ein Gev, Masada und Afikim (70).

13.11.1947 Umzug nach Nahalat Jehuda,

23.-31.12. 1947 Zuzug der in Afikim zurückgebliebenen ca 60 Buchenwalder nach Nahalat Jehuda

Eine Nähwerkstatt für die Jugend-Alija unter Leitung von Israel Lerner wird eingerichtet

9.5.1948 Besetzung der von den Briten geräumten Spohn-Farm durch die Givʿati-Brigade (Namensgebung nach dem Verwalter der Jahre 1894-1917 Matthäus Spohn, arabischer Name „Bir Salim“)

14.5.1948 Unabhängigkeits-Proklamation durch David Ben Gurion, Staatsgründung Israel und Beginn des Unabhängigkeitskriegs

Mai/Juni 1948 Mitglieder des Kibbuz erhalten den militärischen Auftrag die benachbarte verlassene Spohn-Farm zu verteidigen

20.6.1948 während der ersten großen Waffenruhe („Hafuga הפוגה“) geht die erste Gruppe von 14 Männern und zwei Frauen des Kibbuz Buchenwald, bewaffnet mit tschechischen Gewehren, unter dem Kommando von Simcha Appelbaum auf die Spohn-Farm, die in der vorderen Linie gegenüber der arabischen Legion in Ramlah lag. Zu dieser Gruppe zählten u.a Ohni Ohnhaus, Emanuel Shmulewitz, Shlomo Najman, Theo Lehmann

September 1948 nach drei Monaten Kriegsdienst konnten die Verteidiger der Farm ihre Frauen und Kinder nachziehen; später beantragen sie bei der Sochnuth/Jewish Agency, dass ihnen die Farm in Erbpacht zugesprochen wird.

Simcha Appelbaum berichtet Nurit Bacia mit einem breiten Lächeln im Gesicht auf einem Platz vor Haus B der Spohn-Farm:

„Hier haben Naomi und ich geheiratet. Es war die erste Hochzeit an diesem Ort. Minister Meir Ahuvia grüßte, und Ihre Mutter Rivka (Dwoira) sang das beliebte Lied „Felder im Tal“.

Naomi Appelbaum, die an der Ahava-Institution studierte, sich aber „immer als Kibbuzkind betrachtete“.

1949 nach ihrem Dienst in der IDF kehrte Naomi in den Kibbuz Buchenwald zurück, um dort ihr Haus zu bauen

Gedenken

2019 „Lo al HaEtz lewado“, Buch des israelischen Schriftstellers Yigal Shachar über Simcha und Naomi Appelbaum. Der Buchtitel ist eine hebräische Anspielung sowohl auf das Bibelwort aus dem Buch „Dewarim“ (5. Mose), Kap. 8, Vers 3, wonach der Mensch nicht nur vom Brot lebe.

Pages of Testimony für den Vater und Schwester Rifka von Naomi Apfelbaum

Quellen

Interview mit Naomi und Deborah Weinberg im März und Juni 1987; in:

Zeugnisse aus dem Tal des Todes, Veteranen des Kibbuz Netzer-Sereni erzählen; Oranit Verlag, 1998

Nurit Cohen Bacia, Die Geschichte eines Ortes, 1948-2009; O-Sonic-Press, 2009

Judith Tydor Baumel, Kibbuz Buchenwald, Hrsg. Kibbuz HaMeuhedet, Tel Aviv 1994

http://www.tenhumbergreinhard.de/1933-1945-lager-1/1933-1945-lager-b/baczki.html

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/70385253

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/69631493

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/81989942

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/81989961

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/81989964

https://newrepublic.com/article/151061/road-buchenwald

https://www.jewiki.net/wiki/Netzer_Sereni

https://de.wikipedia.org/wiki/Netzer_Sereni

Home – Deutsch

BILDER & DOKUMENTE – הכשרות החלוץ בגרמניה – דור המשך (hachshara-dor-hemshech.com)

https://www.mappingthelives.org

http://www.dpcamps.org/listDPCampsbyTeamNo.pdf

http://www.fuldawiki.de/fd/index.php?title=Gehringshof

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/78790374

Arolsen Archives, Arolsen Signatur DE ITS 2.1.1.1 HE 016 JÜD 7 ZM

https://yvng.yadvashem.org/ad

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch

Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten

Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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