Wartenburg Gisela

Gisela Wartenburg geb. Säbel

*22.11.1920 in Leipzig; ✡ März 1943 in Auschwitz

Staatsangehörigkeit stattenlos

Religion jüdisch

Vater Israel Säbel *17.9.1892 in Sokolow ✡ 19.4.1940 im KL Sachsenhausen

Mutter Perl Wassermann *17.6.1901 in Hussakow; ✡ in Belzec

Onkel Hermann Hersch Säbel *20.3.1896 in Sokolow;

Geschwister

Leo Säbel *23.2.1924 in Leipzig; Theresienstadt -> Dänemark

Hella Säbel *11.7.1934 in Leipzig; ✡ in Belzec

Beruf Anstreicher

Adressen Leipzig, Blumenstraße 1, Schützenstraße 9 bei den Großeltern Wassermann; Paderborn, Grüner Weg 86;

Heirat 2.11.1942 in Paderborn

Hans Khanan Wartenburg *6.10.1919 in Beuthen; ✡ 1945 Todesmarsch ab Flossenbürg

Kinder –

Weiterer Lebensweg

28.10.1938 Onkel Hersch in der 1. Polenaktion nach Zbaszyn abgeschoben

17.5.1939 mit den Eltern und Geschwistern Leo und Hella in Leipzig bei Minderheiten-Volkszählung

23.6.1939 Vertrag zwischen der RVJD und der Stadt Paderborn zur Errichtung des Umschulungs- und Einsatzlagers Paderborn, Grüner Weg 86;

10.11.1939 aus dem Hachschara Lager Ellguth bei Steinau kommend angemeldet in Paderborn

1.9.1939 Überfall der Wehrmacht auf Polen

September 1939 Vater verhaftet in der 2. Polenaktion

1.3.1940 Gisela Säbel aus Leipzig angemeldet in Paderborn

19.4.1940 Vater Israel verstirbt im KL Sachsenhausen;

9.6.1940 die Familie erhält die Urne des Vaters gegen Bezahlung

5.11.1940 Volkszählung Dänemark: Bruder Leo aufgenommen vom Ehepaar Krogman in Kopenhagen, Tordenskjoldsgade

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Um­be­nen­nung „Jü­di­sches Ar­beits­ein­satz­lager Paderborn“

10.5.1942 Deportation der Mutter mit Schwester Hella mit dem Transport Weimar-Leipzig nach Auschwitz mit vielen staatenlosen und polnischen Juden, auch die Kinder aus dem Kinderheim Leipzig, Jakobstraße 7

November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“

2.11.1942 Heirat vor dem Standesamt in Paderborn mit Gisela Säbel

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“

März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert

27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Paderborn“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.

27.2.1943 die Pforte des Lagers Paderborn wird von Polizisten bewacht, um Fluchten zu verhindern

1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Paderborn; mit der Bahn nach Bielefeld, dann mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz

Erwin Angress berichtet:

„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht‘ ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“

2.3.1943 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager

3.3.1943 Ankunft und Selektion in Auschwitz; Ernst Michel berichtet:

„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“

Hans Wartenburg eingewiesen in Auschwitz III zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, Häftlingsnummer 105055

Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943

„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“

Tod von Gisela Wartenburg vermutlich 4. März 1943 in Auschwitz

6.10.1943 Bruder Leo mit dem Transport XXV/2 mit 198 anderen aus Kopenhagen ins Ghetto Theresienstadt

18.1.1945 Ehemann Hans zur „Evakuierung“ aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge auf dem Todesmarsch über 80 km von Auschwitz nach Gleiwitz; Isidor Philipp berichtet:

„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“

„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“

6.2.1945 Ankunft nach Todesmarsch im KL Flossenbürg Häftlingsnummer 47902

Ehemann Hans vermutlich im April bei Evakuierung des KL Flossenbürg auf dem Todesmarsch nach Dachau ermordet

Weißer Bus mit dänischen Juden aus Theresienstadt in Haderslev, April 1945
Foto Nationalmuseet – National Museum of Denmark

Mitte April 1945 Bruder Leo wird mit 423 dänischen Juden bei einer „Bernadotte-Aktion“ mit weißen Bussen aus Theresienstadt nach Haderslev gerettet; sie hatten sich erst geweigert, in die Busse zu steigen, da sie fürchteten, es sei ein Tarntransport ins Vernichtungslager.

Gedenken

29.10.1955 Pages of Testimony für Hans und seine Frau Gisela, sowie für die Eltern von Schwester Jehudit

Quellen

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Volkszählung in Dänemark von 1940

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130832165

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/12671090

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de986177

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de956701

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de986176

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de986203

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de252237

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de956710

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de956702

Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7

Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013

Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998

www.80jahrepogrom.jgpb.de/erwin-angress/

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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