Heinz Gross
*23.2.1919 in Bromberg; ✡ 29.11.2005 in St. Paul, Minnesota
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Moritz Groß *18.8.1889 in Bromberg; ✡ Ghetto Warschau USA
Mutter Betty Rebecka Edel *8.2.1887 in Frankfurt; ✡ April 1942 Ravensbrück? Bernburg?
Geschwister
Julius Groß *24.4.1917 in Bromberg; ✡ in Auschwitz, Datum unbekannt
Beruf –
Adressen Bromberg; Fürstenwalde, Kreis Lebus, Frankfurter Straße 18
Heirat
1.Ehe 23.12.1942 in Bielefeld Helga Julie Grüneberg *24.3.1921 in Berlin; ✡1.5.1943 in Auschwitz
2. Ehe 1946 in Bielefeld Ruth Willner geb. Seelig *28.11.1919 in Kolberg
Kinder (aus zweiter Ehe)
Tochter Elga Gross *1946 oo Swerdfiger
Edgar (?) Gross
Weiterer Lebensweg
8 Jahre Volksschule
9.11.1938 mit dem Vater und Bruder Julius verhaftet im Novemberpogrom, „Schutzhaft“ in Sachsenhausen;
19.2.1939 Vater entlassen aus Sachsenhausen
17.5.1939 mit den Eltern und Bruder Walter in Neuendorf, Fürstenwalde bei Minderheiten-Volkszählung
Das Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Schlosshofstraße 73 a
1939 Nachdem zahlreiche, in Bielefeld lebende Jüdinnen und Juden in „Judenhäusern“ zwangseingewiesen wurden, schloss die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RVJD) mit den jeweiligen Städten Verträge zur Errichtung der Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Schlosshofstraße 73 a und Paderborn, Grüner Weg 86;
Anfang September 1939 entstand zunächst ein Wohn- und Arbeitslager in der Koblenzer Straße 4 (heute: Artur-Ladebeck Straße 6)
Heinz Gross vermutlich noch 1939 in das Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld
20.9.1939 Julius aus Fürstenwalde bei Lebus angemeldet im Lager Paderborn
März 1940 erfolgte wegen der räumliche Enge der Wechsel in das Lager in der Schloßhofstraße 73a. Dort bestand eine Unterkunft für alte und kranke Jüdinnen und Juden („Siechenheim“) als Einrichtung der RVJD.
24.11.1939 Julius aus Paderborn abgemeldet ins Lager Bielefeld, Koblenzer Straße 4
23.3.1940 Wechsel von Heinz aus dem Lager Koblenzer Straße in die Schloßhofstraße 73 a
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung „Jüdisches Arbeitseinsatzlager Bielefeld“
2.4.1942 Vater von Berlin ins Ghetto Warschau
Herbst 1942 Errichtung von Baracken für junge Familien auf dem Gelände.
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz deportiert, um den Arbeitskräftebedarf im Nebenlager Buna zu decken.
27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Bielefeld“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.
1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Bielefeld, mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz
Erwin Angress berichtet:
„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht‘ ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“
2.3.1943 ab dem Güterbahnhof Bielefeld für 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit den 69 Insassen des Lager Bielefeld Schloßhofstraße und allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager Paderborn.
3.3.1943 Ankunft und Selektion der ‚Alten Rampe‘ am Güterbahnhof von Auschwitz;
Ernst Michel berichtet:
„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“
Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943
„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“
Julius und Heinz Gross eingewiesen in Auschwitz III zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz; beide Brüder geben als Kontakt Cousine Hertha Hellmann, Berlin, Schönhauser Allee 130 an; sie werden auf LKW in die Quarantäneblöcke des „Arbeitslager Buna“ gebracht; Tätowierung der „nichtarischen“ Häftlinge, Bruder Julius bekommt die Auschwitz-Häftlingsnummer 104935, Heinz die Häftlingsnummer 104936 in den linken Unterarm tätowiert
1.5.1943 Ehefrau Helga stirbt in Auschwitz
Bruder Julius stirbt in Auschwitz Todesort und Datum unbekannt
Die Todesmärsche aus Auschwitz
15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten
18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca. 60 000 Häftlinge; 10000 Männer aus Monowitz
18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau
Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:
Zofia Posmysz:
„Der letzte Tag in Auschwitz war der 18. Januar. Nach drei Tagen und drei Nächten zu Fuß wurden wir in offenen Güterwagen nach Ravensbrück gebracht.“
Asher Aud:
„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“
Sigmund Kalinski:
„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“
Isidor Philipp berichtet:
„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“
19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück, Sachsenhausen
Isidor Philipp berichtet:
„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“
Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.
26.1.1945 Ankunft von Heinz Gross im KL Buchenwald
3.3.1945 Verlegung in das rechtsrheinische Außenlager Spaichingen des KL Komplexes Natzweiler-Struthof/Elsass; es bestand in der Nähe von Tuttlingen vom 26.9.1944 bis 15.4. 1945; 100 – 400 Mann arbeiteten für die Waffenfabrik Mauser in Oberndorf;
Anfang März erfolgte der größte Transport mit 250 Häftlingen aus Buchenwald. In den sieben Monaten des Bestehen sterben 110 namentlich bekannte Häftlinge, die meisten auf Transporten zu oder in Spaichingen. Neun Häftlinge kamen auf dem Todesmarsch ins Allgäu um.
17./18. April 1945 Evakuierung und Todesmarsch der Spaichinger Häftlinge in Richtung Dachau und zur fiktiven „Alpenfestung“.
Der ungarische Häftling Imre Kiss berichtet:
„Wegen Frontannäherung am 18. April 1945 wurde unser KZ Lager evakuiert. Fünf Tage und fünf Nächte marschierten wir ohne jede Nahrungsaufnahme in Richtung Dachau. Unser Bettlertrupp marschierte durch Tuttlingen, Messkirch, Pfullendorf, Waldsee“. Wer nicht mehr weiter konnte, wurde erschossen. „Ich blieb im Landkreis Memmingen halbtot in einem Wald liegen. Die Staatspolizei von Memmingen brachte mich in den Polizeiarrest. Am 26. April 1945 wurde ich von den Amerikanern befreit und schwer krank ins Kreiskrankenhaus Memmingen gebracht.“ (Zur Verfügung gestellt von Tochter Eva Kiss, München)
Ende April 1945 Heinz Gross befreit durch US Truppen in Memmingen
1946 Heinz heiratet in Bielefeld Ruth Willner geb. Seelig *28.11.1919 in Kolberg (aus dieser Ehe Tochter Elga Gross *1946 oo Swerdfiger)
8.7.1948 Heinz im DP Camp
25.11.1949 Heinz via Bremen-Grohn in die USA
7.-17.12.1949 Heinz mit Frau Ruth und Tochter Elga auf dem Marinetransporter USS GENERAL MC RAE von Bremerhaven nach New York; Ziel Philadelphia
Gedenken
Quellen
Auszug aus dem Hausbuch Schloßhofstraße des Einwohnermeldeamtes Bielefeld (Signatur: StArchBi, Bestand 104,3 Einwohnermeldeamt, Nr. 1547)
Verein „Initiative KZ-Gedenken in Spaichingen“ (Hrsg) „Sie waren nur Haut und Knochen“, Spaichingen 2021
Daniel Hoffmann, Lebensspuren meines Vaters, Wallstein Verlag 2007
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de879512
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de879223
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130831941
www.kz-gedenken-spaichingen.de/?page_id=90
U.S. Sterbe-Verzeichnis der Sozialversicherung (SSDI)
Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 7772); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85
https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01020401/0009/114663243/001.jpg
https://collections.arolsen-archives.org/en/document/130831943
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013
Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998