Harry Rosenwasser
*1.9.1921 in Berlin; ✡ unbekannt
Staatsangehörigkeit polnisch
Religion jüdisch
Vater Meir Max Rosenwasser *12.8.1886 in Siedlce; ✡ August 1942 in Siedlce (Foto Yad Vashem)
Heirat der Eltern 21.3.1921
Mutter Rifka Regina Ritter *2.9.1889 in Auschwitz; ✡ 8.9.1942 in Riga (Foto Yad Vashem)
Großeltern Josef Rosenwasser (1862-1938), Frimmet Grünpelz (1861-1915)
2. Frau des Großvaters Else Levy *10.4.1889; ✡19.2.1943 in Auschwitz
Tante Chana Rosenwasser *1891 in Siedlce; ✡1914 in Berlin
Geschwister
Fanny Rosenwasser *4.1.1916 in Berlin ; oo Speier
Amalie Mirjam Rosenwasser *10.5.1917 in Berlin; oo Sandor Friedmann (1912-1945); oo Brandler
Beruf Landwirtschaftlicher Praktikant
Adressen Berlin, Thomasiusstraße 5, Belziger Straße 38; Westerkappeln;
Heirat –
Kinder-
Die Hachschara Bewegung
In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.
Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.
Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachschara-Stätten (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).
So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.
Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1000 Palästina Pfund mitbringen mussten. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.
Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.
Hof Stern in Westerbeck
Der erste Hachschara-Hof in Westfalen entstand in der Gemeinde Westerkappeln. Die Umschulungs- und Einsatzlager des RVJD in Bielefeld und Paderborn folgten erst später und bestanden von 1939 bis 1943. Die Brüder Leo (1900-1938) und Rudolf Stern (1898-1957) aus Osterkappeln hatten den Hof Elstroth, Westerbeck mit der Hausnummer 74 in der Gemeinde Westerkappeln mit 20 Hektar Land Ende 1932 bei einer Zwangsversteigerung erworben. In den Jahren 1933 bis 1938 verpachteten sie den Großteil ihres Hofes Stern an den jüdischen Pfadfinderbund „Makkabi Hazair“, der hier eine landwirtschaftliche Ausbildung für die mittlere und die reguläre Hachschara(>17 Jahre) anbot.
Januar 1934 Beginn der Hachschara; die ersten Chawerim heißen Henry Cohen (Altkarbe), Edgar Adamski (Leipzig) und Markus Lichter (Chemnitz)
1934-1938 arbeiteten und lernten hier 97 „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) 31 Mädchen und 66 Jungen, im Mittel 19 Jahre alt. Manche blieben nur wenige Tage, andere bis zu eineinhalb Jahren zwei allerdings sogar zweieinhalb Jahre
1937 in Westerbeck auf dem Hof Stern 27 Bewohner gemeldet
Von Juni 1936 bis zum Februar 1938 verließen viele Jugendliche den Hof, zumeist in ihre Heimatorte, 18.2.1938 18 Personen abgemeldet aus Westerbeck. Dieser Exodus markiert wohl das Ende der strukturierten Hachschara-Ausbildung.
März -August 1938 nur noch fünf Chaluzim auf dem Hof gemeldet.
Die Leitung des Hofes lag zuletzt (Mai-November 1938) bei dem aus Syke bei Bremen stammenden Ehepaar Dora und Siegfried Löwenstein, die mit ihrer Tochter Grete auf dem Hof lebten.
9./10. November 1938 in der Pogromnacht überfiel ein SA-Trupp den Hof. Das Verwalterehepaar Löwenstein wurde brutal misshandelt, das Mobiliar wurde zerstört, Fensterscheiben wurden zerschlagen. Vier junge Männer lebten zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Hof Stern; Julius Weinberg, Hans Bensew, Rudi Frank, werden mit Verwalter Siegfried Löwenstein festgenommen und in Westerkappeln inhaftiert. Während Löwenstein nach einer Woche auf den Hof zurückkehren konnte, wurden die vier anschließend für einige Wochen ins KZ Buchenwald verschleppt. Nur Rudi Frank kann später nach Santo Domingo flüchten.
3.12.1938 Zwangsverkauf des Hofes an den Landwirt Heinrich Pöppelwerth aus Haustenbeck/Lippe
Weiterer Lebensweg
1908 Umzug der Familie aus Siedlce nach Berlin; Aufbau einer Zigarettenfabrik in der Kaiserstraße 8
Harry Schüler des Luisen-Gymnasiums in der Turmstraße
Nach 1933 Max Mejers Tochter Amalie vom Dorotheen-Oberlyzeum verwiesen
1936 Amalie emigriert nach Palästina. In den Jahren 1937 und 1939 folgten ihre Geschwister Harry und Fanny, die sich ebenfalls aus Deutschland in das britische Mandatsgebiet Palästina retten konnten
7.11.1936 Passausstellung in Berlin
Harry Rosenwasser zur Hachschara auf den Hof Westerbeck/Stern, Hachscharalager des jüdischen Pfadfinderbundes „Makkabi Hazair“ auf Gut Westerbeck in Westerkappeln
12.6.1937 abgemeldet aus Westerkappeln nach Berlin-Charlottenburg zusammen mit den Chawerim Kurt Jacob und Betty Brenner
25.8.1937 Einschiffung in Triest zusammen mit Betty Brenner auf der SS GALILEA
30.8.1937 Ankunft Haifa mit Betty Brenner auf der SS GALILEA mit Hechaluz-Studentenzertifikat Kategorie B III
28.3.1939 Ankunft von Fanny in Haifa auf der SS GALILEA mit Hechaluz-Studentenzertifikat B III
1941 Eintritt von Harry in die Jewish Brigade der Royal Army
10.6.1942 Einbürgerung von Harry Rosenwasser Palästina
Polenaktion und Massenerschießung in Siedlce
28.10.1938 Vater Meir in der Polenaktion abgeschoben nach Zbaszyn.
Oktober 1939 Auflösung des Lagers in Zbaszyn, Vater Meir ins Ghetto Krakau deportiert
Nach 1940 weiter in seinen Geburtsort Siedlce
Harry Rosenwasser berichtet über die Erschießungen bei Auflöung des Ghetto Siedlce:
„Mein Vater wurde im Jahre 1938 von den Nazis abgeholt u. nach Polen u. zwar m.W. nach Benszyn u. später nach seinen Geburtsort Siedlce verschickt. Dort ist mein Vater im August 1942, wie ich später erfahren habe, zusammen mit seiner Schwester vor seinem Geburtshaus erschossen worden.“
Massenerschießung des Berliner Riga -Transports
August 1942 Mutter Rifka in Berlin verhaftet und in eine Sammelstelle verbracht.
5.9.1942 Mutter Rifka mit dem eigentlich für den 31.8.1942 geplanten „19. Osttransport“ über den Güterbahnhof Moabit zum Bahnhof Riga-Šķirotava deportiert; Massenerschießung des Transport unmittelbar nach Ankunft in Riga
Gedenken
25.4.1999 Pages of Testimony für die Eltern von Schwester Fanny Speier
8.8.2014 Stolpersteine für Max Meir und Rifka Rosenwasser sowie die 2. Frau des Großvaters Else Levy in Berlin Thomasiusstraße 5
Quellen
https://www.stolpersteine-berlin.de/de/thomasiusstrasse/5/max-mejer-rosenwasser
Jüdische Einwohner von Westerkappeln seit 1933 mit Belegungsliste Westerbeck, erstellt von der Gemeinde Westerkappeln am 14.11.1946
Peter W. Lande, Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History
Gisbert Strotdrees, Kibbuz Westerbeck (Hof Stern), in: Hachschara als Erinnerungsort, 12.12.2022
https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/4
https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/ein-kibbuz-in-westfalen/
https://archive.org/stream/MitteilJdischerPfadfinder/Nr.%2010%20%281936%29_djvu.txt