Stern Artur

Artur Abraham Stern

*7.5.1922 in Netra, Eschwege; ✡ 1982 in Israel

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Moritz Stern *16.5.1893 in Netra; ✡ ?

Heirat der Eltern 15.8.1920 in Netra

Mutter Jenni Rothschild *22.2.1897 in Netra; ✡ 1942 im Distrikt Lublin

Großeltern Jacob Stern und Lisette Nussbaum; Hermann Rothschild und Johanna Levy

Onkel Josef Stern *30.3.1890 in Netra; oo Anna Liebstädter

Tante Frieda Stern *3.2.1895 in Netra; März 1971 in Israel; oo Ferdinand Nussbaum

Bruder

Gerhard Stern *5.1.1929 in Eisenach; ✡ 1942 im Distrikt Lublin

Beruf Landwirtschaftlicher Praktikant

Adressen Netra; Eisenach; Alexanderstraße 8, Georgenstraße 36; Westerkappeln;

Heirat  Lea Stern

Kinder zwei

Die Hachschara Bewegung

In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.

Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.

Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachschara-Stätten (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).

So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.

Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1000 Palästina Pfund mitbringen mussten. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.

Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.

Hof Stern in Westerbeck

Der erste Hachschara-Hof in Westfalen entstand in der Gemeinde Westerkappeln. Die Umschulungs- und Einsatzlager des RVJD in Bielefeld und Paderborn folgten erst später und bestanden von 1939 bis 1943. Die Brüder Leo (1900-1938) und Rudolf Stern (1898-1957) aus Osterkappeln hatten den Hof Elstroth, Westerbeck mit der Hausnummer 74 in der Gemeinde Westerkappeln mit 20 Hektar Land Ende 1932  bei einer Zwangsversteigerung erworben. In den Jahren 1933 bis 1938 verpachteten sie den Großteil ihres Hofes Stern an den jüdischen Pfadfinderbund „Makkabi Hazair“, der hier eine landwirtschaftliche Ausbildung für die mittlere und die reguläre Hachschara(>17 Jahre) anbot.

Januar 1934 Beginn der Hachschara; die ersten Chawerim heißen Henry Cohen (Altkarbe), Edgar Adamski (Leipzig) und Markus Lichter (Chemnitz)

1934-1938 arbeiteten und lernten hier 97 „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) 31 Mädchen und 66 Jungen, im Mittel 19 Jahre alt. Manche blieben nur wenige Tage, andere bis zu eineinhalb Jahren zwei allerdings sogar zweieinhalb Jahre

1937 in Westerbeck auf dem Hof Stern 27 Bewohner gemeldet

Von Juni 1936 bis zum Februar 1938 verließen viele Jugendliche den Hof, zumeist in ihre Heimatorte, 18.2.1938 18 Personen abgemeldet aus Westerbeck. Dieser Exodus markiert wohl das Ende der strukturierten Hachschara-Ausbildung.

März -August 1938 nur noch fünf Chaluzim auf dem Hof gemeldet.

Die Leitung des Hofes lag zuletzt (Mai-November 1938) bei dem aus Syke bei Bremen stammenden Ehepaar Dora und Siegfried Löwenstein, die mit ihrer Tochter Grete auf dem Hof lebten.

9./10. November 1938 in der Pogromnacht überfiel ein SA-Trupp den Hof. Das Verwalterehepaar Löwenstein wurde brutal misshandelt, das Mobiliar wurde zerstört, Fensterscheiben wurden zerschlagen. Vier junge Männer lebten zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Hof Stern; Julius Weinberg, Hans Bensew, Rudi Frank, werden mit Verwalter Siegfried Löwenstein festgenommen und in Westerkappeln inhaftiert. Während Löwenstein nach einer Woche auf den Hof zurückkehren konnte, wurden die vier anschließend für einige Wochen ins KZ Buchenwald verschleppt. Nur Rudi Frank kann später nach Santo Domingo flüchten.

3.12.1938 Zwangsverkauf des Hofes an den Landwirt Heinrich Pöppelwerth aus Haustenbeck/Lippe

Weiterer Lebensweg

1914-1918 Vater Moritz in den Preußischen Verlustlisten dreimal als „verwundet“ gemeldet, 1915 „schwer verwundet“

Mitte der 1920er Jahre Umzug der Familie von Netra nach Eisenach

Vater Moritz Viehhändler mit seinem Schwager Ferdinand Nussbaum

Artur Stern zur Hachschara auf den Hof Westerbeck/Stern, Hachscharalager des jüdischen Pfadfinderbundes „Makkabi Hazair“ auf Gut Westerbeck in Westerkappeln

12.6.1937 abgemeldet aus Westerkappeln nach Eisenach

19.8.1938 Onkel Josef Stern mit Ehefrau Anna nach Haifa

1938/39 Vater Moritz nach Palästina.

Mutter Jenny führt einen Mittagstisch für jüdische Gäste im Haus Georgenstraße 36.

Eli Reitmann, selbst Gast in der „Pension Stern“, erinnert sich:

 „Die Pension Stern war Treffpunkt für uns Juden, denn in allen Lokalen, Hotels usw. waren die Zeichen ‚Juden nicht erwünscht‘ … Ich kann nur sagen, es waren sehr, sehr schwere Zeiten, und es war gut, dass ein Platz, wie die Pension Stern, war, wo man sich treffen konnte.“

10.5.1942 1942 Mutter und Bruder Gerhard aus Eisenach  auf dem Transport ab Weimar-Leipzig nach Belzec deportiert

Gedenken

Stolpersteine für seine Mutter und den Bruder Gerhard in Eisenach Georgenstraße 36

13.3.1956 Gedenkblatt für seine Mutter und den Bruder Gerhard von Abraham Stern

Quellen

Jüdische Einwohner von Westerkappeln seit 1933 mit Belegungsliste Westerbeck, erstellt von der Gemeinde Westerkappeln am 14.11.1946

Preußische Verlustlisten 29.10.1915, 2.4. 1918 und 5.12.1918, Seiten 9707, 23044 und 23538

Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Eisenach

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1002822

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1002711

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/128450583

Peter W. Lande,  Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History

Gisbert Strotdrees, Kibbuz Westerbeck (Hof Stern), in: Hachschara als Erinnerungsort, 12.12.2022

https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/4

https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/ein-kibbuz-in-westfalen/

https://www.wochenblatt.com/landleben/nachrichten/fluchtpunkt-landwirtschaft-ein-bauernhof-als-rettende-insel-12528911.html

https://archive.org/stream/MitteilJdischerPfadfinder/Nr.%2010%20%281936%29_djvu.txt

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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1 Kommentar

  1. Ihre ansonsten hervorragend konzipierte Seite enthält einen Fehler, auf den ich Sie aufmerksam machen möchte: Moritz Stern, der Vater von Artur wurde nicht 1883, sondern am 16. Mai 1893 geboren. Sie können dies überprüfen bei: http://www.lagis-hessen.de
    Mit freundlichem Gruß
    Hans Isenberg

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