Hinzelmann Herbert

 Herbert Hinzelmann

*28.12.1884 in Gnesen; ✡

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Siegfried Hinzelmann; ✡

Mutter Rosa Strelitz; ✡   

Geschwister

Max Moses Hinzelmann *24.7.1880 in Gnesen ; ✡ 8.1.1855 in Berlin

Gertrud Hinzelmann *22.6.1881 in Gnesen; 20.7.1956 in Buenos Aires; oo Leo Tannchen; Söhne Heinz Ferdinand (*19.12.1913), Rudolf Alfred (*14.11.1915) und Siegfried Franz (*12.7.1917) (Schüler des Wilhelm-Gymnasiums

Else Hinzelmann *1882 in Gnesen ; ✡ unbekannt

Margarete Hinzelmann *21.8.1883 in Gnesen

Beruf Landwirtschaftlicher Praktikant

Adressen Gnesen; Braunschweig; Westerkappeln; Shanghai

Heirat

Kinder-

Die Hachschara Bewegung

In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.

Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.

Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachschara-Stätten (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).

So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.

Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1000 Palästina Pfund mitbringen mussten. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.

Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.

Hof Stern in Westerbeck

Der erste Hachschara-Hof in Westfalen entstand in der Gemeinde Westerkappeln. Die Umschulungs- und Einsatzlager des RVJD in Bielefeld und Paderborn folgten erst später und bestanden von 1939 bis 1943. Die Brüder Leo (1900-1938) und Rudolf Stern (1898-1957) aus Osterkappeln hatten den Hof Elstroth, Westerbeck mit der Hausnummer 74 in der Gemeinde Westerkappeln mit 20 Hektar Land Ende 1932  bei einer Zwangsversteigerung erworben. In den Jahren 1933 bis 1938 verpachteten sie den Großteil ihres Hofes Stern an den jüdischen Pfadfinderbund „Makkabi Hazair“, der hier eine landwirtschaftliche Ausbildung für die mittlere (14-17 Jahre) und die reguläre Hachschara(>17 Jahre) anbot.

Januar 1934 Beginn der Hachschara; die ersten Chawerim heißen Henry Cohen (Altkarbe), Edgar Adamski (Leipzig) und Markus Lichter (Chemnitz)

1934-1938 arbeiteten und lernten hier 97 „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) 31 Mädchen und 66 Jungen, im Mittel 19 Jahre alt. Manche blieben nur wenige Tage, andere bis zu eineinhalb Jahren zwei allerdings sogar zweieinhalb Jahre

1937 in Westerbeck auf dem Hof Stern 27 Bewohner gemeldet

Von Juni 1936 bis zum Februar 1938 verließen viele Jugendliche den Hof, zumeist in ihre Heimatorte, 18.2.1938 18 Personen abgemeldet aus Westerbeck. Dieser Exodus markiert wohl das Ende der strukturierten Hachschara-Ausbildung.

März -August 1938 nur noch fünf Chaluzim auf dem Hof gemeldet.

Die Leitung des Hofes lag zuletzt (Mai-November 1938) bei dem aus Syke bei Bremen stammenden Ehepaar Dora und Siegfried Löwenstein, die mit ihrer Tochter Grete auf dem Hof lebten.

9./10. November 1938 in der Pogromnacht überfiel ein SA-Trupp den Hof. Das Verwalterehepaar Löwenstein wurde brutal misshandelt, das Mobiliar wurde zerstört, Fensterscheiben wurden zerschlagen. Vier junge Männer lebten zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Hof Stern; Julius Weinberg, Hans Bensew, Rudi Frank, werden mit Verwalter Siegfried Löwenstein festgenommen und in Westerkappeln inhaftiert. Während Löwenstein nach einer Woche auf den Hof zurückkehren konnte, wurden die vier anschließend für einige Wochen ins KZ Buchenwald verschleppt. Nur Rudi Frank kann später nach Santo Domingo flüchten.

3.12.1938 Zwangsverkauf des Hofes an den Landwirt Heinrich Pöppelwerth aus Haustenbeck/Lippe

Weiterer Lebensweg

Soldat der 3. Kompagnie des Lehr-Infanterie-Regiments

22.7.1915 in den Preußischen Verlustlisten gemeldet als als verwundet1935-1936 Neffe Heinz zur Hachschara im Lehrgut Schocken/Gut Winkel bei Spreenhagen

6.7.1936 Neffe Heinz zur Alija nach Palästina

Oktober 1936 Neffe Siegfried Tannchen emigriert nach Argentinien

Bis 1938 Herbert Hinzelmann mit Schwester Gertrud Tannchen in Braunschweig, Wachholtzstraße 1; Schwester Margarete auf der Fasanenstraße 14 in Braunschweig

10.11.1938 verhaftet zusammen mit Schwager Rechtsanwalt Leo Tannchen im Novemberpogrom

„Schutzhaft“ im KL Buchenwald

9.12.1938 Entlassung mit 469 „Aktionsjuden“ aus dem KL Buchenwald

16.12.1938 Schwager Rechtsanwalt Leo Tannchen aus dem KL Buchenwald entlassen

23.12.1938 Schwester Gertrud, Leo Tannchen mit den Söhnen nach Buenos Aires

Dezember 1938 Herbert Hinzelmann flüchtet auf den Hof Westerbeck/Stern, Hachscharalager des jüdischen Pfadfinderbundes „Makkabi Hazair“ auf Gut Westerbeck in Westerkappeln

Letzte Zuflucht Shanghai

Herbert Hinzelmann stellt Auswanderungsantrag für Shanghai:

23. 1. 1939 Herbert auf dem Frachtdampfer SS OLDENBURG ab Genua nach Shanghai; die Reise einschließlich Transport seines Umzugsgutes wird von Schwester Margarete mit 2500 RM finanziert.

17.5.1939 Bruder Max mit Ehefrau Marie in Berlin Charlottenburg bei Minderheiten-Volkszählung

17.5.1939 Schwester Margarete in Braunschweig bei Minderheiten-Volkszählung

26.7.1939 Schwester Margarete stellt Auswanderungsantrag für Shanghai, die Ausreiseverzögert sich aber wegen eines Einreisereisestopps in Folge des Beginn des 2. Weltkrieges

1939 Hans Hinzelmann im Adressbuch des jüdischen Viertels in Shanghai

23.3.1940 Schwester Margarete meldet sich aus Braunschweig nach Shanghai ab

Registrierte Anträge bei DAL-Harbin mauf Unterstützung zur Einreise nach Shanghai

23.3. 1940 Schwester Margarete meldet sich nach Shanghai ab

2.-21.2.1949 Herbert und Margarete Hinzelmann auf der SS GENERAL W H GORDON von Shanghai nach San Francisco, um von dort nach Buenos Aires zur Schwester Gertrud weiter zu reisen

Gedenken

Stolpersteine für Leo, Gertrud, Heinz, Rudolf und Siegfried Tannchen und Herbert Hinzelmann in Braunschweig, Wachholtzstraße 1 sowie Margarete Hinzelmann in der Fasanenstraße 14

2016 werden die Stolpersteine in der Wachholtzstraße mit Hakenkreuzen beschmiert.

Quellen

Jüdische Einwohner von Westerkappeln seit 1933 mit Belegungsliste Westerbeck, erstellt von der Gemeinde Westerkappeln am 14.11.1946

Personenkarte von Hof Stern in Westercappeln, Westerbeck Nr. 74

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Passenger Lists of Vessels Arriving at San Francisco, CA, 1893-1953 (National Archives Microfilm Publication M1410, roll 403, line number 13, record id 004896005_01162_12); Digital Folder Number 004896005, Image Number 01162

https://genealogyindexer.org/view/1939Shanghai/65

Central Archives for Jewish People Jerusalem

http://cahjp.nli.org.il/webfm_send/597

Peter W. Lande,  Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History

Gisbert Strotdrees, Kibbuz Westerbeck (Hof Stern), in: Hachschara als Erinnerungsort, 12.12.2022

https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/4

https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/ein-kibbuz-in-westfalen/

https://www.wochenblatt.com/landleben/nachrichten/fluchtpunkt-landwirtschaft-ein-bauernhof-als-rettende-insel-12528911.html

https://archive.org/stream/MitteilJdischerPfadfinder/Nr.%2010%20%281936%29_djvu.txt

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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