
Martin Shaul Neter
*7.12.1913; ✡ 18.5.1948 kriegsgefallen im Unabhängigkeitskrieg in Deganiah
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch

Vater Eugen Neter *29.10.1876 in Gernsbach, Rastatt; Dr. med.; ✡ 8.10.1966 in Deganiah
Heirat der Eltern 19.5.1909

Mutter Luise Liesel Janson *28.5.1875 in Karlsruhe; ✡ 30.7.1950 in Deganiah
Tante Amelie Netere *16.9.1873 in Gernsbach; ✡ 27.11.1940 in Gurs
Geschwister keine
Beruf Landwirtschaftlicher Praktikant
Adressen Mannheim; Westerkappeln;
Heirat 1936 Eva Chava Kochmann *30.11.1914 in Neisse; ✡2008 in Haifa
Kinder vier

Benny Ben Zion Neter *1948; ✡1967 Mt. Hermon; Sohn Benny kriegsgefallen bei Kämpfen um die Golan-Höhen
Ofra Neter; oo Bronstein; oo Garmaise
Der Vater Eugen Neter
1894 Abitur in Rastatt
1894-1899 Medizinstudium in München und Heidelberg
1903 Vater niedergelassener Kinderarzt in Mannheim
Förderer der Geschwister Dora und Rosa Grünbaum beim Aufbau des Fröbelseminar Mannheim
ab 1908 auch als Dozent am Fröbelseminars für angehende Kinderpflegerinnen tätig
19.5.1909 Heirat mit der Christin Liesel Janson „Mischehe“
1914-1918 Vater Stabsarzt in der Reichswehr
1920-1938 Vater Leiter der Mannheimer Ortsgruppe des Reichsbundes Jüdischer Frontsoldaten
Ab 1933 Vater engagiert in Hachschara und Alija-Projekten
Vater kurzfristig verhaftet im Novemberpogrom
25.7.1938 „4. Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ Entzug der Approbation von Dr. Eugen Neter
1939 Vater Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Mannheims
17.5.1939 Eltern mit Tante Amelie Behr in Mannheim bei Minderheiten-Volkszählung
Die „Bürckel-Wagner-Aktion“ – Internierung in Frankreich
22. 10.1940 Eugen und Liesel Neter in das Sammellager Turnhalle der C6-Schule „Kurfürstenschule“
Auf dem ersten von sieben Transporten von 6500 Juden des Saarlandes, der Pfalz und Baden, davon 1972 aus Mannheim in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich transportiert in der „Bürckel-Wagner-Aktion“; im Lager Gurs ist Eugen Neter als Arzt tätig
27.11.1940 Tante Amelie Behr stirbt in Gurs
März 1941 Verlegung verschiedener Gruppen aus Gurs in andere Lager: Betagte Menschen kamen nach Noé, Schwerbehinderte nach Récébédou, Familien in das sogenannte ‚Familienlager‘ Rivesaltes, auch die Familie Althausen
1943 Eugen und Liesel Neter von Gurs in das Lager Sereilhac bei Limoges, durch die „Mischehe“ blieben sie von weiteren Deportationen verschont.
Nach 1945 Eugen und Liesel Neter nach Palästina, sie leben im Kibbuz Degania
Die Hachschara Bewegung
In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.
Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.
Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachschara-Stätten (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).
So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.
Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1000 Palästina Pfund mitbringen mussten. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.
Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.
Hof Stern in Westerbeck
Der erste Hachschara-Hof in Westfalen entstand in der Gemeinde Westerkappeln. Die Umschulungs- und Einsatzlager des RVJD in Bielefeld und Paderborn folgten erst später und bestanden von 1939 bis 1943. Die Brüder Leo (1900-1938) und Rudolf Stern (1898-1957) aus Osterkappeln hatten den Hof Elstroth, Westerbeck mit der Hausnummer 74 in der Gemeinde Westerkappeln mit 20 Hektar Land Ende 1932 bei einer Zwangsversteigerung erworben. In den Jahren 1933 bis 1938 verpachteten sie den Großteil ihres Hofes Stern an den jüdischen Pfadfinderbund „Makkabi Hazair“, der hier eine landwirtschaftliche Ausbildung für die mittlere (14-17 Jahre) und die reguläre Hachschara(>17 Jahre) anbot.
Januar 1934 Beginn der Hachschara; die ersten Chawerim heißen Henry Cohen (Altkarbe), Edgar Adamski (Leipzig) und Markus Lichter (Chemnitz)
1934-1938 arbeiteten und lernten hier 97 „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) 31 Mädchen und 66 Jungen, im Mittel 19 Jahre alt. Manche blieben nur wenige Tage, andere bis zu eineinhalb Jahren zwei allerdings sogar zweieinhalb Jahre
1937 in Westerbeck auf dem Hof Stern 27 Bewohner gemeldet
Von Juni 1936 bis zum Februar 1938 verließen viele Jugendliche den Hof, zumeist in ihre Heimatorte, 18.2.1938 18 Personen abgemeldet aus Westerbeck. Dieser Exodus markiert wohl das Ende der strukturierten Hachschara-Ausbildung.
März -August 1938 nur noch fünf Chaluzim auf dem Hof gemeldet.
Die Leitung des Hofes lag zuletzt (Mai-November 1938) bei dem aus Syke bei Bremen stammenden Ehepaar Dora und Siegfried Löwenstein, die mit ihrer Tochter Grete auf dem Hof lebten.
9./10. November 1938 in der Pogromnacht überfiel ein SA-Trupp den Hof. Das Verwalterehepaar Löwenstein wurde brutal misshandelt, das Mobiliar wurde zerstört, Fensterscheiben wurden zerschlagen. Vier junge Männer lebten zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Hof Stern; Julius Weinberg, Hans Bensew, Rudi Frank, werden mit Verwalter Siegfried Löwenstein festgenommen und in Westerkappeln inhaftiert. Während Löwenstein nach einer Woche auf den Hof zurückkehren konnte, wurden die vier anschließend für einige Wochen ins KZ Buchenwald verschleppt. Nur Rudi Frank kann später nach Santo Domingo flüchten.
3.12.1938 Zwangsverkauf des Hofes an den Landwirt Heinrich Pöppelwerth aus Haustenbeck/Lippe
Weiterer Lebensweg
Martin Neter zur Hachschara ins Landwerk Neuendorf bei Fürstenwald, Hachscharalager des jüdischen Pfadfinderbundes „Makkabi Hazair“
Martin Neter zur Hachschara auf den Hof Westerbeck/Stern, Hachscharalager des jüdischen Pfadfinderbundes „Makkabi Hazair“ auf Gut Westerbeck in Westerkappeln
1936 Alija nach Palästina
3.9.1936 Ankunft in Haifa mit Ehefrau Chawa auf der SS TEL AVIV
Kibbuz Degania (Degania A ist der älteste israelische Kibbuz, gegründet 1910)
29.11.1947 Verabschiedung des UN-Teilungsplanes für Palästina; zunächst nur lokale Kämpfe
14.5.1948 Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel
15.5.1948 Null Uhr, Einmarsch arabischer Truppen in das ehemalige britische Mandatsgebiet; der Vormarsch der syrischen Armee konnte vor dem Ort Degania gestoppt werden
18.5.1948 Tod von Martin Neter bei dem Kämpfen um Degania im israelischen Unabhängigkeitskrieg
Gedenken
2012 Stolperstein vor dem Fröbelseminar (Helene-Lange-Schule)
Gedenktafel am Gebäude der ehemaligen Kinderarztpraxis in Q 1, 9 in Mannheim
Eugen-Neter-Schule im Stadtteil Blumenau
Quellen
Jüdische Einwohner von Westerkappeln seit 1933 mit Belegungsliste Westerbeck, erstellt von der Gemeinde Westerkappeln am 14.11.1946
Personenkarte von Hof Stern in Westercappeln, Westerbeck Nr. 74
Israel, Einwanderungslisten
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Eugen Neter, Erinnerungen an das Lager Gurs in Frankreich
https://www.marchivum.de/de/stolperstein/dr-eugen-neter
Peter W. Lande, Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History
Gisbert Strotdrees, Kibbuz Westerbeck (Hof Stern), in: Hachschara als Erinnerungsort, 12.12.2022
https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/4
https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/ein-kibbuz-in-westfalen/
https://archive.org/stream/MitteilJdischerPfadfinder/Nr.%2010%20%281936%29_djvu.txt