Oesterreicher Adolf

Adolf Oesterreicher

*18.6.1913 in Kassel; ✡ 25.10.1979 in Atlantic City

Staatsangehörigkeit deutsch, staatenlos

Vater Leopold Oesterreicher *27.9.1875 in Rothenditmold, Kassel;

Heirat der Eltern 3.8.1907 in Kassel „Mischehe“

Mutter Bertha Pfaff *24.1.1883 in Wernshaus

Geschwister

Dina Oesterreicher *1906 in Kassel;✡  

Albert Oesterreicher *3.9.1907 in Kassel;✡  

Friedrich Oesterreicher * 6.11.1908 in Kassel;✡  

Erna Oesterreicher * 5.31911 in Kassel;✡ 8.12.2006 in Atlantic City; oo Freudenthal

Leopold Oesterreicher * 1918 in Kassel;✡  

Großvater Adolf Hermann Oesterreicher * in Böhmen;✡  

Großmutter Mindel Opperheim

Goldene Hochzeit der Großeltern Johann und Marie Pfaff ca 1930; Foto privat

Großeltern Johann und Marie Pfaff

Beruf Maler, Autolackierer

Adressen Kassel Rothenditmold, Müllerweg 22

Heirat September 1935 mit Ruth Baruch * 1.26.1908 in Osche/Westpreußen

Kinder

Ellen Oesterreicher *30.5.1938 in Kassel; ✡ 31.5.1938 in Kassel

Weiterer Lebensweg

Vater Leopold soll 1915 im ersten Weltkrieg gefallen sein; er ist aber weder in den deutschen Verlustlisten noch im Gedenkbuch des RjF aufgeführt

Ostern 1919 Einschulung jüdische Volksschule

Ostern 1927 -1930 Lehre als Maler, Autolackierer

1930- Juli 1935 Arbeit als Malergeselle

Der Hachschara- Kibbuz Hag’shamash in Grüsen

April 1934 Gründung des Kibbuz Hag’shamash in Grüsen, genutzt wurden Räume der Gastwirtschaft des jüdischen Gastwirtes Jakob Marx. Die Räume zum Übernachten stellten sechs jüdische Familien aus Grüsen; die Reichsvertretung der Juden, die die Ausbildungsstätte einrichtete, pachtete das erforderliche Land; bis zu 40 Chawerim zwischen 18 und 25 liessen sich hier umschulen.

August 1935 Adolf Oesterreicher abgemeldet nach Grüsen zur Hachschara

September 1935 Heirat mit der Verkäuferin Ruth Baruch, zuvor auch in Grüsen

Wohnung in der Wolfshager Straße 147 (Werkswohnung von Henschel &Sohn)

1937 bis 1941 wohnen Adolf und Ruth in der Philippistraße 22 (Werkswohnung der „Jute“)

17.5.1939  mit vielen Angehörigen erfasst in der Philippistraße bei Minderheiten-Volkszählung

1937- 4.8.1938 als Betriebsmaler in der Jutespinnerei; Entlassung auf Druck der NSDAP

Zwangsarbeit bei der Straßenbaufirma Fehr

Oktober 1941 Zwangsumzug ins Judenhaus Packhofstraße 18 , Besitzer Elsbach

November 1941 Ankündigung der „Umsiedlung in den Osten“

7.12.1941 Eröffnung des Sammellager Turnhalle Schiller-Schule in Kassel

9.12.1941 Fußmarsch durch Kassel, in langer Kolonne von der Schillerstraße über Orleansstraße (Erzberger) – Bahnhofstraße (Werner Hilpert) zum Bahnhof; Transport Da36 von Kassel nach Riga Skirotawa

Günther Strauß aus Altenlotheim berichtet über den Kasseler Riga-Transport:

„Im Nov. 41 bekamen wir Bescheid, uns vorzubereiten zu einer Übersiedlung nach Osten. Es gab Vorschriften, was und wie viel wir mitnehmen durften. Das genaue Datum zur Abfahrt bekamen wir ca 1 Woche vor der Abfahrt. … In Kassel wurden alle in einer Turnhalle gesammelt, und da fing schon Brutalität und Grausamkeit an. Ein Teil der Sachen, die wir mitgenommen hatten, wurde uns abgenommen: alles Geld, Schmuck oder andere wertvolle Sachen wurden abgenommen, auch die Kennkarte wurde weggenommen und abgestempelt mit „Evakuiert nach Riga“. Und danach gab es eine grauenvolle körperliche Untersuchung nach eventuellen versteckten Sachen. Nach 1-2 Tagen wurden wir unter schwerer Bewachung zum Bahnhof abgeführt und in einen Zug eingepfercht. Es war ein Personenzug; da hatten wir noch etwas Glück, denn es gab auch Transporte mit Güterzügen.

12.12.1941 Ankunft Rangierbahnhof Skirotawa, Fußmarsch ins Ghetto Riga, 80 Männer zwischen 18 und 45 Jahren werden ins Aufbaulager Salaspils geschickt.

Adolf Oesterreicher mit den 80 jungen Männer nach Salaspils.

Sommer 1942 Rückkehr ins Ghetto.

Juli-2. November 1943 schrittweise Auflösung des Ghettos; Einrichtung des Konzentrationslagers Riga-Kaiserwald und verschiedener Betriebslager mit lokaler Kasernierung; Kommandant des KL Kaiserwald Sturmbannführer Albert Sauer

3. November 1943 Auflösung des Ghetto Riga

Sommer 1944 Auflösung des KL Kaiserwald, Riga

Juli – September 1944 Transporte der Arbeitsfähigen aus Riga per Schiff nach Stutthof

28.9.-1.10.1944 3155 Häftlinge aus Riga Kaiserwald, 300 von der Lenta auf dem Frachtschiff „Kanonier“ von Riga->Danzig

Schichau-Werft in Danzig

November 1944 Adolf Oesterreicher ins Stutthof Außenlager Schichau-Werft in Danzig-Schellmühl an der Weichsel

Von September 1944 bis März 1945 bestand auf der Werft ein Außenlager des KZ Stutthof. Zunächst arbeiteten dort 500 Jüdinnen, später 1100 weibliche und männliche Häftlinge, die aus dem Lager im Danziger Vorort Kokoschken mit der Bahn zur Arbeit transportiert wurden. Hier wurden die U-Boote Typ VIII C und der modernste Typ XXI gebaut.

Lagerälteste in Kokoschken ist der lettische Jude Glücksmann, sein Vertreter Adolf Oesterreicher. Josef Katz schreibt:

„Dieses Lager hat eine jüdische Häftlingsführung. Glücksmann, ein lettischer Jude ist Lagerältester, sein Gehilfe beim Prügeln heißt Oesterreicher, ein Jude aus Kassel.“

Als Katz mit einer Gruppe für eine zusätzliche Nachtschicht vom SS-Oberscharführer mit reichlich Kartoffeln belohnt wird, erwartet sie am nächsten Morgen eine bittere Enttäuschung:

„Glücksmann und Oesterreicher haben sämtliche Betten und Spinde durchsucht und alle Kartoffeln mitgenommen.“

Januar 1945 Evakuierung der Schichau-Werft; Todesmarsch nach Rieben

Befreiung auf dem Evakuierungsmarsch in Gottentow bei Lauenburg

Rückkehr mit der Ehefrau nach Hessen, Gudensberg, Untergasse 4

September 1949 Antrag auf Entschädigung unter dem Namen Adolf Oster

1951 Auswanderung in die USA zur Schwester Erna nach Atlantic City

Quellen

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/70437459

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

StA NRW Münster Regierung Arnsberg Wiedergutmachung 617713: Modrze

Bernd Philipsen, Fred Zimmak, Hrsg., Wir sollten leben, Novalis 2020

Dietlind Kautzky, Thomas Käpernick Hrsg., Mein Schicksal ist nur eins von Abertausenden VSA 2020

Wolfgang Scheffler, Diana Schulle, Buch der Erinnerung, Die ins Baltikum deportierten Juden 2011

Gertrude Schneider, Reise in den Tod, Deutsche Juden in Riga 1941-1944, Laumann-Verlag, 2008

Gertrude Schneider, Exile and Destruction, The Fate of the Austrian Jews 1938-1945; Praeger 1995

Hilde Sherman: Zwischen Tag und Dunkel. Mädchenjahre im Ghetto, Frankfurt/M.-Berlin-Wien, 1984

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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