Friedmann Hanna

Hanna Friedmann

*4.1.1921 in Spangenberg, Kassel; ✡ 1942 in Auschwitz

Staatsangehörigkeit rumänisch, staatenlos

Vater Philipp Pinchas Friedmann *8.7.1886 Satu Mare Rumänien; ✡ 31.8.1942 in Auschwitz

Mutter Rebecca Levi *5.3.1887 in Schlüchtern, Darmstadt; ✡ 31.8.1942 in Auschwitz

Hannak Friedmann links mit Mutter und Geschwistern

Geschwister

Liselotte Friedmann *23.9.1923 in Spangenberg; ✡ 1970; oo Ashkalony.

Ben Ernst Friedmann/Shalom *3.8.1925 in Spangenberg; ✡ 10.9.2009 in Kühlungsborn

Beruf landwirtschaftliche Praktikantin

Adressen Spangenberg Burgstraße 5, Neustadt 32, Untergasse; Kassel, Giesbergstraße 7; Steckelsdorf

Heirat

Kinder

Weiterer Lebensweg

Vater Philipp Friedmann war Uhrmacher mit eigenem Geschäft in Spangenberg

1933 Vater erstmals wegen politischer Aktivität verhaftet 1936/37 Vater erneut in Haft

8.9.1932 (?)Hanna mit ihren Geschwistern Liselotte und Ernst aus Spangenberg abgemeldet, ins Israelitische Waisenhaus in Kassel Giesbergstraße 7;

Liselotte und Hanna Friedmann oben 3. und 4. Von links; Ernst zweite Reihe 1. Von links
Vorn mittig die Leiter des Waisenheims in Kassel Levi und Sara Heilbrunn; ca 1937

Ben hatte in dem Waisenhaus seine Bar Mitzwa, seine Eltern durften ihn an dem Tag besuchen.

Vor 1937 die Eltern ziehen nach Mannheim Block F4.3

7.7.1938 Vater verhaftet, Internierung im KL Dachau, Häftlingsnummer 18040

27.7.1938 Internierung im KL Dachau, Häftlingsnummer 20761

21.10.1938 Vater entlassen aus dem KL Dachau nach Mannheim F4.3

11.11.-28.12.1938 Vater im Novemberpogrom erneut interniert im KL Dachau

Das Israelitische Waisenhaus in Kassel im Novemberpogrom

Bruder Ben Ernst Friedmann berichtet:

„Gegen 20 Uhr am Abend des 9. November 1938 kamen SA-Männer in das Israelitische Waisenhaus in Kassel an der Gießbergstraße 7 und trieben alle männlichen Bewohner aus dem Haus auf die Straße, so auch mich und zwei meiner Freunde. Auf der Straße waren schon viele Männer versammelt und wir mussten alle gemeinsam zum Ständeplatz marschieren.

Auf dem Weg dorthin zwangen uns die Nazis das Lied „Hänschen klein“ zu singen. Da ich einer der Kleinsten war, ging ich am Schluss der Kolonne. Hinter uns liefen Hitlerjungen und traten uns zu ihrem Vergnügen in den Hintern. Mit Besen, Schrubbern und Zahnbürsten mussten wir zur Belustigung der Umstehenden den Platz reinigen. Zwei Stunden später wurden wir auf LKW verladen und fuhren in die Nacht. Als wir anhielten, befanden wir uns im Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar.

In Buchenwald übernachteten wir im Freien und froren sehr. Am frühen Morgen wurden wir drei Jungens und einige anderen Männer auf ein LKW verladen und wurden zurückgebracht. Anscheinend waren wir doch nicht genug „Mann“, ich weiß nicht, warum sie uns zurückbrachten. Das Waisenhaus in Kassel wurde im Krieg zerbombt und auch die Straße existiert nicht mehr. Von dem, was dann kam, bin ich verschont geblieben. Ein Jahr später schickten meine Eltern mich zu einem Onkel nach Palästina.“

17.5.1939 Hanna mit Liselotte und Ernst in Kassel bei Minderheiten-Volkszählung

Die Rettung der Geschwister im Sommer 1939

Sommer 1939Liselotte mit vom einem jüdischen Ehepaar betreuten Kindertransport nach England

Ben konnte schließlich nach Berlin fahren und sollte sich dort bei der jüdischen Gemeinde melden. Als er an einem Freitagabend in Berlin ankam, hat er bei der Gemeinde niemanden antreffen können. So musste er das Wochenende in Berlin auf der Straße verbringen und bis zum Montagmorgen warten. Von der jüdische Gemeinde erhielt er eine Zugfahrkarte nach Genua, dort wurde auch die Schiffsreise nach Palästina organisiert. Man gab ihm einen weiteren Jungen mit, der ebenfalls über Genua nach Palästina in Sicherheit gelangen sollte. Ben sollte auf den Jungen aufpassen. Im Zug nach Genua trafen die beiden ein jüdisches Ehepaar, dass sich der beiden Kinder annahm und sie während der Reise betreute und verpflegte. In Genua bestiegen sie dann das Passagierschiff nach Palästina.

Lagerleiter/Madrichim waren Sigmar Bromberger, Manfred und Schoschana Litten, Dr. Benjamin Abrahamson, Herbert Schönewald, Friedrich Löwenthal, ab 1941 Kurt Silberpfennig

28.10.1938 4 Chaluzim mit polnischem Pass verhaftet in Steckelsdorf, ausgewiesen in der ersten Polenaktion und nach Zbaszyn deportiert

10.11.1938 Novemberpogrom in Steckelsdorf, am Abend wurde das Landwerk gestürmt und verwüstet. Alle männlichen Funktionsträger wie Simon Berlinger, Adolf Frohmann, Friedrich Löwenthal, Betriebsleiter Werner Hoffbauer und Herbert Schönewald verhaftet ins Polizeigefängnis Magdeburg und später als „Schutzhäftlinge“ nach Buchenwald gebracht.

21.11.1938 Entlassung der Steckelsdorf Madrichim Simon Berlinger, Adolf Frohmann, Friedrich Löwenthal und Herbert Schönewald aus dem KL Buchenwald

1939 Instandsetzung und Übernahme von Steckelsdorf durch die RVJD

1.9.1939 Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen

21.5.1941 Schließung der Büros des Hechaluz, Palästinaamt und Bachad von der Meinekestraße 10 in die Kantstraße 158; Kurt Silberpfennig nach Steckelsdorf

Anklage wegen „illegalem“ Briefverkehr“

28.3.1941 schickt sie „verbotenerweise“ eine Postkarte an ihre Eltern ins „feindliche Ausland“ nach Frankreich; die Postkarte wird von der Zensur abgefangen.

Zur Vernehmung wird auch der Lagerleiter Kurt Silberpfennig vorgeladen.

August 1941 verurteilt das Amtsgericht Rathenow Hanna Friedmann und die ebenfalls Angeklagte Käthe Grünebaum zu einer Strafe von 20,– RM verurteilt. Im Wiederholungsfalle wurde den Angeklagten eine „erhebliche Freiheitsstrafe angedroht“.

Die Schließung des Landwerks

21.5.1942 schriftliche Ankündigung der Schließung für den 24.5.1942

24.5.1942 offizielle Schließung, nur die Stammbelegschaft des Landwerks verbleibt und 15 Zwangsarbeiter der optischen Industrie in Rathenow

11.7.1942 Hanna Friedmann deportiert aus Steckelsdorf auf Transport Magdeburg – Dessau-Berlin nach Auschwitz; 52 Chawerim kamen aus dem ehemaligen jüdischen Umschulungslager Landwerk Steckelsdorf unter Leitung des Steckelsdorf-Madrich Kurt Silberpfennig, der sich mit Frau und dem siebenjährigen Sohn Siegfried freiwillig dem Transport anschließt.

13.7.1942 Ankunft und Selektion der Chaluzim aus Steckelsdorf in Auschwitz

Anneliese Borinski schreibt:

„Noch aus der Bahn bekommen wir eine Karte, abgestempelt hinter Breslau. Sie schreiben, dass sie in Richtung Auschwitz fahren. Dann haben wir nie wieder etwas von ihnen gehört. Auch in den Karteien von Auschwitz (Borinski arbeitete in Auschwitz in der SS-Kommandantur, FJW) konnte ich keinen von den mir namentlich bekannten finden, noch haben unsere Chawerim während der Lagerzeit oder auch nach der Befreiung etwas von irgendjemanden von ihnen gehört. Nur ein erschütterndes Zeichen fand ich. Als wir in der SS-Wäscherei in Auschwitz (Kommandantur) arbeiteten, brachte mir eines Tages eine Chawerah aus der SS-Wäsche eine Unterhose, die mit vollem Namen: Kurt Silberpfennig, gezeichnet war.“

1942 Tod von Hanna Friedmann in Auschwitz

26. 2.1943 endgültige Schließung des Landwerks; Verbringung der letzten sieben jüdischen Bewohner in ein Sammellager in Magdeburg: Ehepaar Leo und Toni Kutzwor, Ehepaar Adolf und Hanne Seligmann, Lotte Stern, Käthe Grünebaum und Max Hammelburger

26. 2.1943 Betriebsleiter Leo Kutzwor mit Ehefrau mit 67 Juden aus Magdeburg kurz vor der Berliner Fabrikaktion auf dem 30. Osttransport von Berlin nach Auschwitz

Keine weiteren Daten bekannt

Wagner-Bürckel-Aktion

22.10.1940 Beide Eltern mit 116 Juden aus Mannheim, insgesamt 5600 Juden aus Baden, sowie 900 Juden aus der Pfalz und dem Saarland in das Internierungslager Gurs deportiert

20.2.1941 beide Eltern verlegt aus Gurs in das Internierungslager für „kranke, alte und Verstümmelte“ in Noe

17. – 28.2.1941 Verlegung von 1.500 Internierten aus anderen Lagern, zumeist Camp de Gurs, nach Noé

August 1942 Deportation der Eltern von Noe ins Durchgangs- Sammellager Drancy

28.8.1942 der Eltern von Drancy nach Auschwitz

31.8.1942 Tod der Eltern in Auschwitz
Bruder Ben Ernst Friedmann in Stichworten

1939 Beginn einer Schuhmacherlehre in Hannover Ahlem, Isr. Gartenbauschule

19.9.1939 Ausstellung eines Fremdenpass in Hannover

30.11.1939 Ausstellung eines Britischen Visums in der Botschaft in Rom

30.11.1939 Einschiffung in Triest nach Palästina

5.12. 1939 Ankunft von Ernst in Tel Aviv

Lebt zwei Jahre auf der Straße

Hilfspolizist in Palästina

13.11.1944 Eintritt in die Palestinian Company der Royal Army, später Jüdische Brigade B.A.O.R.

1944 mit der Jüdischen Brigade zunächst nach Italien

1945 mit der Jüdischen Brigade in Belgien, Standorte der Brigade waren Eindhoven und Antwerpen; Brüssel

1946 Rückkehr nach Palästina

26.8.1946 Austritt aus der Jüdischen Brigade

26.8.1946 Einbürgerungsantrag für Palästina

10.10.1946 Umbenennung in Eliezer Ben-Shalom

Eintritt in die Haganah, Entlassung als Offizier

Heirat, zwei Kinder

1963 Rückkehr nach Deutschland

Hotelier und Gastronom in Marburg

Umzug nach Recklinghausen

Scheidung

2. Ehe und Umzug nach Gelsenkirchen

Krebserkrankung

10.9.2009 Tod in Kühlungsborn auf der letzten Urlaubsreise

Gedenken

25.4.1998 Pages of Testimony für Hanna und die Eltern von Bruder Ben Ernst Friedmann 30.4.2008 drei Stolperstein für Hanna und die Eltern in Spangenberg, Neustadt

Quellen

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de870610

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de870731

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de870917

http://www.gelsenzentrum.de/ben_friedmann.htm

https://www.archiv-spangenberg.de/archive/spangenberg/user_upload/20071108_sp_historisch_stolpersteine_heft.pdf

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/12113210

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/11200764

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130429340

https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/13.pdf

Bettina L. Götze, Landwerk Steckelsdorf-Ausbau, in: Hachschara als Erinnerungsort.

Almuth Püschel, „…der Angeklagte ist Jude“ – Die Auswirkungen der antisemitischen Gesetzgebung auf Bürger der Provinz Brandenburg 1933–1945. Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung, 1996

https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/13> [24.03.2024]

Bettina Götze, Rathenow, in: Irene Annemarie Diekmann (Hrsg.), Jüdisches Brandenburg. Verlag für Berlin-Brandenburg 2008. S. 304–328

Jizchak Schwersenz: Die versteckte Gruppe. Ein jüdischer Lehrer erinnert sich an Deutschland. Berlin: Wichern Verlag 1988

Michael Wermke: Ein letztes Treffen im August 1941. Kurt Silberpfennig und die Praxis religiös-zionistischer Pädagogik, Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland. Münster: Waxmann 2020

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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