Walter Keschner/Ze’ev Keschet
*10.4.1925 in Stanislau; ✡ 31.1.1994 In Haifa
Staatsangehörigkeit polnisch
Religion jüdisch
Vater Chaim Eisig Keschner *1888 in Kolomea; ✡1
Mutter Reisel Rosa Ziegellaub *25.9.1896; ✡ 1
Onkel Hersch Keschner *1898 in Kolomea; ✡1
Geschwister
Susi Keschner *1937 in Stanislau; ✡ ?
Verwandte aus Stanislau
Rachela Keschner *16.11.1920 in Stanislau; ✡ ?
Beruf Schlosser
Adressen Stanislau; Zoppot; Danzig; Jessen-Mühle;
Heirat Emika Silber; ✡2015
Kinder zwei
Tochter oo Farid
Weiterer Lebensweg
4 Jahre jüdische, 3 Jahre polnische Volksschule
10.11.1938 verhaftet im Novemberpogrom, „Schutzhaft“ in Sachsenhausen
Dezember 1938 Entlassung des Vaters aus dem KL Sachsenhausen mit der Auflage, Deutschland zu verlassen
17.5.1939 mit den Eltern bei Minderheiten-Volkszählung
1939 Walter Keschner zur Hachschara nach Jessen Mühle
Walter Keschner/Ze’ev Keschet in einer Rede über den Madrich Hans Cohn:
„Jessen Mühle 1940, der große Schlafsaal der Jungen, über dem Generator. Die Tür im Fußboden des oberen Stockwerkes öffnet sich, und die beiden Madrichim Trude Weil und Hawo kommen herunter aus dem Mädchenstockwerk, um uns gute Nacht zu wünschen. Es war nicht einfach nur ein Gute-Nacht-Wunsch, sondern es wurden jedem Chawer ein paar aufbauende Worte gesagt, kleinen Beichten zugehört – über Anpassungsschwierigkeiten, das gemeinschaftliche Leben, Dinge zwischen einem Jungen und einem Mädchen oder einfach so kurze tröstende Gespräche.“
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung der noch bestehenden in „Jüdisches Arbeitseinsatzlager“
27.5. -31.8.1941 Auflösung des Hachscharalagers Jessen- Mühle;

27.5.1941 Madrich Hans Cohn mit den acht Chawerim Benjamin Feingersch, Peter Fliess, Walter Keschner, Assi Lerner, Gerhard Maschkowski, Roman Neger, Jako Rosenbaum und Peter Sieburth sowie drei Chawerah Rita Fränkel, Jutta Kleczewski und Inge Wolff (insgesamt 12) aus Jessen in das Lehrgut Neuendorf im Sande;
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung der noch bestehenden in „Jüdisches Arbeitseinsatzlager“
Juli -September 1941 Auflösung des Hachscharalagers Jessen; Verlegung in das Lehrgut Neuendorf im Sande;
2.4.1942 Verhaftung der älteren und der bereits bei der Gestapo zuvor auffällig gewordenen Chaluzim aus Neuendorf und Deportation auf Lastwagen in eine große Turnhalle nach Frankfurt/Oder
3.4.1942 Deportation dieser Neuendorf-Gruppe mit 1009 Personen nach Warschau
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
7.4.1943 Zustellung der Transportlisten in Neuendorf
10. 4.1943 Aus Neuendorf mit LKW nach Fürstenwalde, von dort mit der Bahn nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager Große Hamburger Straße
19.4.1943 auf dem 37. Osttransport als Teil der Fabrikaktion, allein 153 Personen aus dem Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde.
Esther Bejarano erinnert sich:
„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“
Esther berichtet auch, dass viele alte und schwache Menschen diesen mehrere Tage dauernden Horrortrip in den Viehwaggons nicht überlebten. Ihre Leichen blieben die ganze Zeit in den Waggons.
Mit Esther saßen viele der Jugendlichen im Waggon, mit denen sie in Neuendorf zusammen war: Eli Heymann, Schimschon Bär, Schoschana Rosenthal, Miriam Edel, Anne Borinski, Hilde Grünbaum, Karla und Sylvia Wagenberg, Herbert Growald und noch viele andere. Schimschon und Esther hatten sich getrennt, sie hatte inzwischen ein Auge auf Eli Heymann geworfen, an dessen Seite sie den Transport in die Hölle überstand.
20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:
„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“

Ihm wird die Auschwitz Häftlingsnummer 117014 in den linken Unterarm tätowiert; eingewiesen zur Zwangsarbeit im KL Buna Monowitz
15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten
18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge;
18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau
Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:
Zofia Posmysz:
„Der letzte Tag in Auschwitz war der 18. Januar. Nach drei Tagen und drei Nächten zu Fuß wurden wir in offenen Güterwagen nach Ravensbrück gebracht.“
Asher Aud:
„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“
Sigmund Kalinski:
„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“
Isidor Philipp berichtet:
„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“
19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück
Isidor Philipp berichtet:
„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“
Das gesamte Funktionspersonal aus Monowitz wird von Gleiwitz nach Buchenwald transportiert
Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.

26.1.1945 Ankunft in Buchenwald, Unterbringung im Kleinen Lager Baracke 51

14.2.1945 aus Buchenwald in das Kommando S III, Ohrdruf zusammen mit Rolf Elkeles, Siegfried und Erich Tichauer. In Ohrdruf, südlich von Gotha, sollte ein unterirdisches Hauptquartier für die deutsche Reichsregierung gebaut werden

Wachtturm des Buchenwald-Außenlagers Ohrdruf; National Archives Washington
2.4.1945 Räumung von Ohrdruf, Todesmarsch nach Buchenwald (51 km)
6.4.1945 Evakuierung von Buchenwald Todesmarsch Richtung Theresienstadt

22.4.1945 Ankunft in Leitmeritz; dann Theresienstadt
8.5.1945 Befreiung von Theresienstadt durch die Rote Armee
13.8.1945 auf einer Deggendorf-Liste zur Emigration nach Palästina
1945 auf einer Deggendorf-Liste zur Emigration nach Mauritius

19.8.1945 im DP Camp Deggendorf
2.10.1945 noch in Deggendorf
Emigration nach Palästina
Er geht nach seiner Alija in den Kibbuz Buchenwald, später umbenannt in Netzer Sereni
Das Schicksal der Eltern
Internierung der Flüchtlinge der SS ATLANTIC auf Mauritius
Oktober 1940 beide Eltern, Schwester Susi und Onkel Hersch aus Polen nach Bratislava;
10.-20.9.1940 von Bratislava nach Tulcea am Schwarzen Meer;
Anfang Oktober 1940 werden 1000 Flüchtlinge auf die drei Schiffe SS PACIFIC, SS MILOS und SS ATLANTIC verteilt, Deutsche auf die PACIFIC, Tschechen auf die MILOS.
Fahrt mit der SS ATLANTIC über die Schwarzmeerroute nach Haifa
1.11.1940 Ankunft der SS PACIFIC in Haifa.
4.11.1940 Alle Passagiere der SS PACIFIC werden auf die SS PATRIA umgeschifft, dem von den Briten beschlagnahmten, als Truppentransporter umgebauten, großen französischen Frachtschiff (18 000 t)
5.11.1940 Ankunft der tschechischen Emigranten auf der SS MILOS, die ebenfalls auf die PATRIA verbracht werden
23. oder 24.11.1940 Ankunft der SS ATLANTIC in Haifa
25.11.1940 Sprengstoff-Anschlag der Haganah im Maschinenraum der SS PATRIA, zu diesem Zeitpunkt waren bereits 1771 jüdische illegale Einwanderer auf das Schiff gebracht.
Walter Steinitz, ebenfalls aus dem Umschulungslager Paderborn kommend, berichtet:
“ Am 25.November morgens um neun Uhr mussten alle auf die Reling, denn der Colonel hatte die Instruktion gegeben, aber um 9.12 Uhr hatte ein Kommando von 60-80 jungen Leuten ins Wasser zu springen, um die Engländer abzulenken, die mit kleinen Booten die Menschen auffischten. Zeitentsprechend zündete einer von uns eine Bombe, keine Zeitbombe, und ist mitgetötet worden. Es war der zweite Transportleiter – Hans Wendel. Niemand hatte von dieser Aktion gewußt – außer acht Leuten. Innerhalb von ein paar Minuten neigte sich das Schiff zur Seite. … Von den 4000 auf der SS PATRIA zusammengedrängten Menschen verloren etwa 260 ihr Leben.“ (ca 200 von 1771)
Die ins Wasser gesprungenen und die an Bord Überlebenden werden als Schiffbrüchige der SS Patria von den Briten an Land gebracht.
25.11.1940 Internierung in einer Lagerhalle im Hafen von Haifa; die von Bord gesprungenen werden in die Arrestzellen der Polizeiwache von Haifa; Serie von Verhören, insbesondere wenn sie von den Briten der Zugehörigkeit zur Haganah verdächtigt wurden.
26.11. und 8.12.1940 die Überlebenden der SS PATRIA werden mit Bussen in das Internierungscamp Atlith verbracht;
Dezember 1940 noch auf die Umladung wartenden 1581 Emigranten auf der MILOS und ATLANTIC werden als „Detainees“ mit holländischen Frachtschiffen nach Mauritius deportiert. Dort treffen sie am 26.12.1940 ein und werden in das das Zentralgefängnis von Mauritius nahe Beau Bassin verbracht.
25.3.1942 Liste von Internierten auf der Insel Mauritius
12.8.1945 Es sollte noch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dauern, bevor die 1.310 überlebenden Flüchtlinge aus Mauritius auf der SS FRANCONIA in das ersehnte Eretz Israel gebracht werden konnten.
Gedenken
Grabstein für Zeev Keschet auf dem Sde Yehoshua (Kfar Samir) Cemetery,
Quellen
Walter Keschner/Ze’ev Keschet,in: Wiehn E. (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1086948
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130832942
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/6262485
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/81974814
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/4996010
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/5284407
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/1277026
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/1277040
BILDER & DOKUMENTE – הכשרות החלוץ בגרמניה – דור המשך (hachshara-dor-hemshech.com)
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de
Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten
Harald Lordick, Landwerk Neuendorf in Brandenburg, in: Kalonymos, 2017, Heft 2
Esther Bejerano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989
Esther Bejerano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013
Anneliese Ora Borinski, Erinnerungen
Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386
Video-Interview mit Issy Philipp 1994
Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015
Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883
https://www.ortschroniken-mv.de/images/d/d9/MAL_KZ_Aussenlager.pdf
https://www.ernster.com/annot/564C42696D677C7C393738333839313434333533387C7C504446.pdf?sq=2
https://www.topfundsoehne.de/ts/de/service/mediathek/videos/2020/139178.html
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013