Tannenbaum Artur

Artur Aron Tannenbaum

*26.10.1924 in Leipzig; ✡8.7.2014 in New Jersey

Staatsangehörigkeit östereichisch

Religion jüdisch

Vater Chaim Tannenbaum *29.4.1884 in Brzeszko, Galizien; ✡1942-44 in Riga

Heirat der Eltern 1909 in Tarnow

Mutter Chaja Spindler *25.12.1888 in Tarnow; ✡ 1942-44 in Riga

Zwillingsbruder

Manfred Moses Tannenbaum *26.10.1924 in Leipzig; ✡ ?; USA

Beruf Landw. Praktikant

Adressen Leipzig, Gottschedstraße 15, Gohliser Straße 11

Heirat

Kinder

Weiterer Lebensweg

1934-1938 Carlebach-Schule in Leipzig

17.5.1939 mit den Eltern und Bruder Manfred in Leipzig bei Minderheiten-Volkszählung

1940 beide Brüder zur Hachschara ins „Hachschara-Lager Havelberg (Jagdgehöft Barella)“; (Februar 1939- April 1940 Posnanski Leiter/Madrich im Hachscharalager Havelberg)

1941 nach Neu Vorwerk, Landpost Werneuchen, Altlandsberg nahe Berlin

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Um­be­nen­nung der noch bestehenden in „Jü­di­sches Ar­beits­ein­satz­lager“

Mai bis September 1941 Auflösung der Hachscharalager Ahrensdorf, Jessen, Havelberg; Verlegung vieler Chaluzim in das Lehrgut Neuendorf im Sande; nur ein kleiner Teil darf noch im Landwerk selbst arbeiten, die meisten werden zur Zwangsarbeit in Arbeitseinsatzlagern verpflichtet.

Sommer 1941 Bei Auflösung gehen der Leiter Heinz Berg nach Paderborn, die Chawerim Willy Ansbacher und Erich Wallach sowie die Chaweroth Johanna David, Suse Fliess, Ingeborg Frank, Susanne Rosenthal und Carla Wagenberg in das Arbeitslager Neuendorf, die Zwillingsbrüder Manfred und Artur Tannenbaum in die „Domäne Altlandberg“

Die Brüder werden in die „Domäne Altlandsberg“ versetzt; der Arbeitseinsatz erfolgt durch das Arbeitsamt Friedersdorf.

21.1.1942 Deportation der Eltern von Leipzig/Dresden nach Riga

November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“

15.1.1943 „Wehrunwürdigkeit“

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“

Ende Februar/März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert

27.2.1943 verhaftet in Einsatzlager Neu Vorwerk, Landpost Werneuchen, Altlandsberg mit 15 weiteren Chawerim

1.3.1943 beide Brüder auf dem 31. Osttransport von Berlin nach Auschwitz wie auch Arthur Posnanski

Die Brüder werden zur Zwangsarbeit im Auschwitz-Nebenlager Monowitz eingewiesen; Artur bekommt die Auschwitz-Häftlingsnummer 104722, Manfred die Nr. 104723 in den linken Unterarm tätowiert

Sie treffen Arthur Posnanski in der Desinfektion wieder: er schreibt:

„Als wir uns nachts im Waschraum nackt gegenüberstanden, sah ich die Brüder Manfred und Artur Tannenbaum, die in Havelberg meine Schützlinge gewesen waren, als ich dort Madrich war. Ich fühlte mich sofort erleichtert, denn ich spürte, dass wir das alles nur dann überleben würden, wenn wir als Chawerim, die die gleichen Ideale haben, für einander einstehen würden.“

Manfred mit hohen Fieber in der Krankenbaracke; Posnanski schreibt:

„Manfred und ich waren unzertrennliche Freunde, und die anderen beneideten uns darum. Einmal erkrankte Manfred mit hohen Fieber und es bestand die Gefahr, dass man ihn in die Krankenbaracke legen würde. In der Nacht legte ich kalte Wadenwickel an, etwas, das ich von meiner Großmutter gelernt hatte. Ich habe mich gefreut, dass er die Krankheit überstand.“

„Aufgrund von Hinweisen von Chanan Ansbacher und Fritz Muschel haben Manfred und ich es geschafft, für eine gewisse Zeit zum Technischen Kommando überzuwechseln. Dieses Kommando war in einer Halle untergebracht und allein diese Tatsache war ein großer Vorteil.“

Die Todesmärsche von Auschwitz

15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten

18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca. 60 000 Häftlinge; 10000 Männer aus Monowitz

Die Funktionshäftlinge aus dem Krankenbau marschieren in einem Block, u.a. die Brüder Tannenbaum, Posnanski, Walter Strass, Benno Reifeld, Ernst Michel

Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:

Asher Aud:

„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“

Sigmund Kalinski:

„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“

Isidor Philipp berichtet:

„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“

18./19.1.1945 Übernachtung in einer stillgelegten Ziegelei in Nicolai

19.1.1945 Ankunft im Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz Von Gleiwitz in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück, Sachsenhausen

Isidor Philipp berichtet:

„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“

Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.

26.1.1945 Ankunft der Funktionshäftlinge in Buchenwald; Unterbringung der Zwillinge zusammen mit Posnanski in der Juden- Jugendbaracke 22, Blockältester Emil Carlebach

2.2.1945 mit Bruder Manfred und Posnanski im Arbeitskommando 57 „Steinträger“

14.2.1945 Bruder Manfred Arbeitskommando 47 „Leichenträger“

Das Ende des KL Buchenwald

5.4.1945 Himmlers Befehl zur Evakuierung von Buchenwald (47500 Häftlinge);

6.-10.4.1945 Die SS beginnt mit der Evakuierung des Konzentrationslagers; etwa 28.000 Häftlinge des Stammlagers und mindestens 10.000 Häftlinge der Außenlager werden auf insgesamt 60 Marschrouten – meist zu Fuß – auf die Todesmärsche getrieben, 12000 (Schätzung) kommen auf diesen Märschen um.

6.4. 1945 von den ca. 6000 Juden im Lager, können etwa 3000 versteckt werden; 3105 Juden werden im Lager zusammengetrieben, in den Werkshallen der DAW (Deutsche Ausrüstungswerke) eingesperrt und Richtung Flossenburg in Marsch gesetzt

7.4.1945 Todeszug nach Dachau verlässt Weimar mit ca. 7000 Häftlingen

10.4.1945 9.280 Insassen haben an diesem Tag Buchenwald in zwei Kolonnen verlassen. Die SS kündigt für den folgenden Tag die vollständige Räumung des Lagers an.

Evakuierung des KL Buchenwald in Güterwaggons nach Theresienstadt, Flossenbürg und Dachau

11.4.1945 Befreiung von Buchenwald durch das 37. Panzerbataillon der 4. US-Panzerdivision; Arthur Posnanski schreibt:

„Von den Chawerim hat das Zwillingspaar Tannenbaum – meine treuen Begleiter – mit mir die Befreiung erlebt. Es verging eine lange Zeit, bis wir den Begriff ‚Freiheit‘ wirklich verstanden.“

12.5.1945 Entlassung von Manfred und Artur aus Buchenwald durch Alliierte Kommission; beide geben als Ziel Chiel Tannenbaum in Givat Brenner an

11.4.1946 Bruder Manfred im DP Center Wiesbaden; gibt als Ziel die USA an

11.-20.5.1946 Manfred mit Walter Tannenbaum auf der USS MARINE FLASHER von Bremerhaven nach New York

Der Buchenwald-Kindertransport des SRK in die Schweiz

22.6.1945 Artur Tannenbaum mit dem von Ora Borinski begleiteten Transport der Kinderhilfe des Schweizer Roten Kreuz kommt er mit 375 „Kindern“ aus Buchenwald nach Rheinfelden/Schweiz. Die Jungen kommen nach Felsenegg in eine alte Landwirtschaftsschule. Dort ist er wie fast alle zur Täuschung der Behörden mit einem gefälschten Geburtsdatum „26.10.1928“ geführt, um als unter 18-Jähriger durchzugehen. Zunächst kommen nur die Mädchen nach La Rochelle in die frühere Klinik von Dr. Liengme in Vaumarcus, später auch Jungen wie Artur.

Herbst 1945 Verlegung mit der Mädchengruppe in das Zionisten-Heim in Neuchatel-Bex, wo er 1945-1946 die Handelsschule besucht.

1946 1946 Artur liberiert mit „18 Jahren“

1946-1949 Schule für Übersetzer in Genf

6.3.1952 Artur auf der SS LIBERTE von Le Havre nach New York, jetzt mit korrekter Geburtsjahr 1924

Gedenken –

Quellen

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/7254496

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212455

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212456

https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=10001607

https://www.statistik-des-holocaust.de/OT420121-Leipzig17.jpg

BILDER & DOKUMENTE – הכשרות החלוץ בגרמניה – דור המשך (hachshara-dor-hemshech.com)

https://yvng.yadvashem.org/ad

Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 7106); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85

Harald Lordick, Das Landwerk Neuendorf: Berufsumschichtung – Hachschara – Zwangsarbeit; in Pilarczyk, Ulrike (Hrsg) Hachschara und Jugendalija, Schulmuseum Steinhorst, 2019

Lore Shelley (Editor), The Union Kommando in Auschwitz, Lanham, New York, London, 1996

Arthur Posnanski, Auschwitz, in: Wiehn Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010, Hartung Gorre Verlag

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de

https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=FL4311316

Harald Lordick, Landwerk Neuendorf in Brandenburg, in: Kalonymos, 2017, Heft 2

Esther Bejarano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989

Esther Bejarano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013

Anneliese Ora-Borinski, Erinnerungen 1940 – 1943, Kwuzat Maayan-Zwi, Israel 1970

Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386

Video-Interview mit Issy Philipp 1994

Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015

Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883

Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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