Hildegard Wolff
* 8.8.1922 in Aurich; ✡ 11.7.1978 in Jerusalem
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Martin Wolff Wolff *24.9.1894 in Aurich; ✡12.3.1942 in Bernburg, Tötungsanstalt
Mutter Karoline Sally geb. Wolff; ✡ 31.10.1942 in Belzec
Großmutter Henriette Wolff geb. van der Walde *24.7.1875 in Aurich; ✡10.3.1944 Theresienstadt
Großmutter Rosette Wolff geb. Schönthal *15.9.1863 in Marienhafe; ✡8.12.1941 im Ghetto Lodz
Tante Ilse Wolff *13.8.1913 in Aurich; ✡1942/43 in Maidanek; oo Isaak Gutmann (*3.5.1906 in Weimar, ✡1942/43 im KL Maidanek)
Onkel Jakob Wolff *18.10.1910 in Aurich; ✡1942/43 im KL Maidanek
Geschwister
Rosel Wolff *2.6.1921 in Aurich; ✡25.3.2019 Manchester; oo Goldstein/Siev
Hannelore Wolff *16.10.1923 in Aurich; ✡4.6.2020 in Rossmore; oo Bernard Hillmann (*24.12.1915-11.4.1986)
Wolfgang Wolff *7.7.1926 in Aurich; ✡ 31.10.1942 in Majdanek oder Budzin
Selly Martin Wolff *1.11.1927 in Aurich; ✡31.12.1942 in Majdanek oder Budzin
Beruf Hauswirtschaftliche Praktikantin
Adressen Aurich, Leerer Landstraße, Gut Eschen; Neuendorf
Heirat Meir Haim Max Frenkel *16.3.1913 in Dettelbach; Aug 1986 in Jerusalem
Kinder fünf
Weiterer Lebensweg
1914-18 Vater Martin im Ersten Weltkrieg schwer verwundet; Eisernes Kreuz
22.1.1934 Einreise von Max Frenkel in Haifa mit Studentenzertifikat B III
Juli 1934 Umzug der Familie aus Aurich, Leerer Landstraße in das Gut Eschen, Besitzer Menko Dieken, Nichtjude
Die Familie organisiert hier bis 1938 Landferien für jüdische Gruppen aus Bremen und Berlin
27.9.1938 nach einer NSDAP-Hetzkampagne werden sie gekündigt und müssen wieder nach Aurich, zu Großmutter Rosette Wolff in der Marktstraße 4 umziehen
Novemberpogrom 1938 in Aurich
Haustür und Scheiben der Wohnung Leerer Landstraße werden eingeschlagen
Hildegard und Schwester Roesel sind zu diesem Zeitpunkt als Haushilfen in Fulda.
10.11.1938 alle Auricher Juden verhaftet im Novemberpogrom; Frauen und Kinder werden noch am 10.11.1938 entlassen alle männlichen Juden in der in der Landwirtschaftlichen Halle „Bullenhalle“ und am folgenden Tag auf dem Ellernfeld schikaniert und gequält. SA-Sportwart Wilhelm Bock ließ die „Schutzhäftlinge“ „Bullenhalle“ in entwürdigender Weise „Sport“ treiben.
12.11.1938 Internierung der Männer als „Aktionsjuden“ im KL Sachsenhausen; Vater Martin darf als Kriegsversehrter nach Hause gehen.
März 1939 Schwester Roesel mit Kindertransport nach England
17.5.1939 Schwester Hannelore Wolff mit den Eltern, beiden Brüdern und Großmutter Rosette in Aurich Marktstraße 4; Großmutter Henriette Wolff in der Lilienstraße bei Minderheiten-Volkszählung
5.12.1939 Max Frenkel in Palästina eingebürgert
1940 Hilde Wolff im Landwerk Neuendorf zur Hachschara;
Hildegard Wolff Mitglied der „religiöses“ Gruppe Esra Noar Agudati
Die Chewra Noar Agudati in Neuendorf umfasste 1940 etwa 30 Mitglieder.
Sie schreiben am 14.4.1940 einen tröstenden Brief anlässlich des Todes der Mutter von Noar Agudati -Madrich Josef Schwarz
Alija Beth – Sonderhachschara VII – der Paraguay-Transport
März 1940 die führenden jüdischen Funktionäre aus Berlin, Prag und Wien werden von SS-Sturmbannführer Adolf Eichmann ins Reichssicherheitshauptamt nach Berlin vorgeladen, um die illegalen „Sondertransporte“ nach Palästina zu forcieren; Ephraim Frank als Vertreter des erkrankten Lyon vom Palästinaamt und als designierter Transportführer dabei.
August 1940 offiziell abgemeldet nach „Paraguay“
16.8.1940 mit dem Zug aus Berlin, Bahnhof Friedrichstraße fahren 350 Jugendliche und 150 Eltern, deren Kinder bereits Palästina-Pioniere in Palästina waren, nach Wien mit dem Ziel über die Schwarzmeerroute nach Haifa zu kommen; Transportführer war Ephraim Frank
Zwei bis drei Wochen in Wien, in einer jüdischen Schule oder Lehrlingsheim
3. 9.1940 mit dem Zug von Wien nach Pressburg/ Bratislava an die Donau;
10.9.1940 zum Donauhafen von Bratislava; dort Verteilung der Chalutzim auf die drei Ausflugsdampfer URANUS, MELK und SCHÖNBRUNN
10.-20.9.1940 von Bratislava nach Tulcea am Schwarzen Meer;
Anfang Oktober 1940 werden 1000 Flüchtlinge auf die drei Schiffe SS PACIFIC, SS MILOS und SS ATLANTIC verteilt, Deutsche auf die PACIFIC, Tschechen auf die MILOS.
Zwischenstopp im Hafen Agios Nikolaos, Kreta, um Kohle aufzunehmen
31.10.1940 von britischer Marine aufgebracht und in den Hafen von Haifa geleitet
1.11.1940 Ankunft der SS PACIFIC in Haifa.
3.11.1940 Ankunft der tschechischen Emigranten auf der SS MILOS, die ebenfalls auf die PATRIA verbracht werden
4.11.1940 Alle Passagiere der SS PACIFIC werden auf die SS PATRIA umgeschifft, dem von den Briten beschlagnahmten, als Truppentransporter umgebauten, großen französischen Frachtschiff (18 000 t)
8.11.1940 Registrierung im Camp Atlith;
zunächst auch zur Deportation nach Mauritius vorgesehen
23. oder 24.11.1940 Ankunft der SS ATLANTIC in Haifa
25.11.1940 Sprengstoff-Anschlag der Haganah im Maschinenraum der SS PATRIA, zu diesem Zeitpunkt waren bereits 1771 Ma’apilim (illegale Immigranten) auf das Schiff gebracht.
Walter Steinitz, ebenfalls aus dem Umschulungslager Paderborn kommend, berichtet:
“ Am 25.November morgens um neun Uhr mussten alle auf die Reling, denn der Colonel hatte die Instruktion gegeben, aber um 9.12 Uhr hatte ein Kommando von 60-80 jungen Leuten ins Wasser zu springen, um die Engländer abzulenken, die mit kleinen Booten die Menschen auffischten. Zeitentsprechend zündete einer von uns eine Bombe, keine Zeitbombe, und ist mitgetötet worden. Es war der zweite Transportleiter – Hans Wendel. Niemand hatte von dieser Aktion gewußt – außer acht Leuten. Innerhalb von ein paar Minuten neigte sich das Schiff zur Seite. … Von den 4000 auf der SS PATRIA zusammengedrängten Menschen verloren etwa 260 ihr Leben.“ (ca 200 von 1771)
Die ins Wasser gesprungenen und die an Bord Überlebenden werden als Schiffbrüchige der SS Patria von den Briten an Land gebracht.
25.11.1940 Internierung in einer Lagerhalle im Hafen von Haifa; die von Bord gesprungenen werden in die Arrestzellen der Polizeiwache von Haifa; Serie von Verhören, insbesondere wenn sie von den Briten der Zugehörigkeit zur Haganah verdächtigt wurden.
26.11. und 8.12.1940 die Überlebenden der SS PATRIA werden mit Bussen in das Internierungscamp Atlith verbracht;
Dezember 1940 noch auf die Umladung wartenden 1581 Emigranten auf der MILOS und ATLANTIC werden als „Detainees“ mit holländischen Frachtschiffen nach Mauritius deportiert. Dort trafen sie am 26.12.1940 ein und wurden in das Zentralgefängnis von Mauritius nahe Beau Bassin verbracht.
1940 zunächst nur Freilassung kleiner Gruppen aus dem Camp Atlith, die eine Aufnahmeadresse in Palästina vorweisen können
September -Dezember 1941 Entlassung der meisten Internierten aus dem Camp Atlith
12.8.1945 Es sollte noch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dauern, bevor die 1.310 überlebenden Flüchtlinge aus Mauritius auf der SS FRANCONIA in das ersehnte Eretz Israel gebracht werden konnten.
Das Schicksal der Eltern und Geschwister
Judenvertreibung aus Ostfriesland/Oldenburg
Januar 1940 Anordnung der Gestapo-Leitstelle Wilhelmshaven: Ausweisung der in Ostfriesland lebenden Juden „aus militärischen Gründen“ bis zum 1. April 1940.
10.2.1940 Schreiben an alle Auricher Juden mit der Anordnung, Aurich zu verlassen
Umzug der Eltern und der Großmutter Henriette von Aurich zur Tante Ilse Gutmann nach Weimar, Lottenstraße 57
Das „Wolf-Seminar“ für Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen
April 1937 Umzug des Seminars in eine große Villa in der Wangenheimstraße 36
1. Juli 1938 Gründerin Lina Wolf gibt die Seminarleitung an die Nichtjüdin Margarethe Fraenkel ab.
Schwester Hannelore nach Berlin zur Ausbildung als Kindergärtnerin in „Dr. Fraenkels Internat für jüdische Mädchen“ in der Wangenheimstraße 36.
sie teilt vermutlich das Zimmer mit Irma Salomons aus Recklinghausen
Das Seminar konnte noch bis Ende April 1942 offen gehalten werden.
Bruder Selly und Wolfgang nach Köln-Braunsfeld– vermutlich in das jüdische Abraham-Frank-Waisen-/Kinderheim in Köln Braunsfeld, Aachener Straße 443
Häftlingseuthanasie 14f13 in Buchenwald/Bernburg
15.1.1942 Verhaftung, Schutzhaft für den Vater durch Gestapo Weimar; wegen „unwahrer Angaben über den meldepflichtigen Besitz eines Fahrrades“
Vater Martin in Buchenwald Block 16
12.3.1942 Vater Martin zur Tötung mit CO-Gas in den grauen Bussen von Buchenwald in die Tötungsanstalt Bernburg/Saale verbracht
12.3.1942 Dritter Transport aus Buchenwald von 105 Mithäftlingen zur „Häftlings- euthanasie“ Code 14f13 in Bernburg a. d. Saale, Tötungsanstalt ; unmittelbar nach Ankunft erstickt durch Kohlenmonoxid.
SS-Mann Erich Fuchs berichtete bei seiner Vernehmung als Zeuge am 8.4.1963:
„In einem Keller wurden etwa 50 Menschen von dortigem Pflegepersonal in eine Gaskammer getrieben. Die Türen wurden verschlossen. Alsdann wurde Flaschengas in die Kammer geleitet. Nach etwa fünf Minuten waren die Menschen tot.“
Deportation Weimar – Belzec
Die Famile wohnt in Weimar in den Judenhäusern Lottenstraße 57 und Brühl 6
Nach der Zustellung des Deportationsbescheids holt die Mutter Tochter Hannelore aus Berlin und die Brüder Selly und Wolfgang nach Weimar, um mit der Mutter auf den Transport zu gehen.
10.5.1942 Mutter Karoline, die Geschwister Hannelore, Wolfgang und Selly Wolff sowie Jakob Wolff und Tante Ilse Gutmann geb. Wolff mit Ehemann Fritz von Weimar/Leipzig nach Belzec
20.9.1942 Großmutter Henriette auf Transport XVI/1 von Leipzig nach Theresienstadt
10.3.1944 Tod der Großmutter Henriette in Theresienstadt
Schindlers Liste
Schwester Hannelore aus dem Ghetto Lublin in die KL Belzyce, Krasnik, Budzyn,
Im Lager Budzyn lernt sie ihren späteren Ehemann, den polnischen Juden Bernard Hillmann kennen.
Wieliczka, Plaszow, Auschwitz, Groß Rosen
Aus dem KL Groß Rosen werden von Oskar Schindler Häftlinge für sein Werk in Brünnlitz angefordert
Hannelore und ihre Freundin Eva Süßkind aus Stettin werden von dem SS-Mann Josef Leipold (1913–1949), der im KZ Plaszow und später in Brünnlitz eingesetzt war, auf die Brünnlitz-Liste gesetzt
23.10.1944 der Deportationszug der 300 Schindler-Frauen fährt zur Quarantäne nach Auschwitz, wo nach der üblichen entwürdigenden „Desinfektion“ ins Lager aufgenommen werden. Erst auf Intervention von Schindlers Sekretär werden sie einige Tage später nach Brünnlitz transportiert
12.11.1944 Liste von „Schindlerjuden“ mit den Namen der Juden aus dem KL Groß Rosen, die in das KL-Außenlager Brünnlitz in Mähren verlegt werden durften, wohin Oskar Schindler seinen Rüstungsbetrieb verlegt hatte.
8.5.1945 Nach Bekanntgabe der Kapitulation im Radio verließ die SS-Wachmannschaft auf Aufforderung durch Schindler gewaltlos das Lager Brünnlitz.
13.5.1945 die Rote Armee erreicht das Lager Brünnlitz, offizielles Befreiungsdatum
22.10.1945 Heirat von Schwester Hannelore mit Bernhard Hillmann in Erding
3.-16.1.1947 Schwester Hannelore mit Ehemann Bernard Hillmann nach Heirat im DP Camp Erding auf der USS ERNIE PYLE von Bremen nach New York
Gedenken
2023 Hannelore Wolff-Straße in Aurich
21.2.1913 Acht Stolpersteine für die Familie Wolff in Aurich, Leerer Landstraße 18
Quellen
https://stolperstein-geschichten.de/geschichten/laura-hillman/ https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de994608
Laura Hillman (Hannelore Wolff) I will plant for you a lilac tree – a memoir of a Schindler’s list survivor, Atheneum, 2005
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de995108
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de994300
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/141373
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/140928
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/5135757
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/128450616
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de995417
https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank
https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/37009-henriette-wolff
Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 7263); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85
BILDER & DOKUMENTE – הכשרות החלוץ בגרמניה – דור המשך (hachshara-dor-hemshech.com)
Harald Lordick, Das Landwerk Neuendorf: Berufsumschichtung – Hachschara – Zwangsarbeit; in Pilarczyk, Ulrike (Hrsg) Hachschara und Jugendalija, Schulmuseum Steinhorst, 2019
https://www.mappingthelives.org/bio/3e8834e3-b966-42ae-a4e7-227339c8abba
https://www.ushmm.org/online/hsv/person_advance_search.php?SourceId=19584
https://www.ushmm.org/online/hsv/source_view.php?SourceId=19561
www.raoulwallenberg.net/general/ruth-kl-uuml-ger-mossad-le/
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de
https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=FL4311316
Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten
Harald Lordick, Landwerk Neuendorf in Brandenburg, in: Kalonymos, 2017, Heft 2
Esther Bejarano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989
Esther Bejarano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013
Anneliese Ora-Borinski, Erinnerungen 1940 – 1943, Kwuzat Maayan-Zwi, Israel 1970
Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015
Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883