Arthur „Abu“ Wolff
*13.5.1924 in Berlin; ✡1998 in Sao Paulo
Staatsangehörigkeit deutsch
Vater Walter Wolff *28.8.1892 in Karlino, Westpommern; ✡ 1.10.1944 in Auschwitz
Heirat der Eltern 4.6.1923 in Berlin
Mutter Hildegard Klein *25.7.1900 in Berlin; ✡ 7.10.1944 in Auschwitz
Großeltern Emil Samuel Klein und Regina Recha Spitz
Tante Margot Klein *19.11.1902 in Berlin; 29.3.1990 in New York; oo Ernst Gladtke
Adoptierter Bruder/Cousin (Mutter Ilse Klein)
Denny Wolff *1936; Kinderheim Berlin; Theresienstadt; ✡1.10.1944 in Auschwitz
Beruf Landwirtschaftlicher Praktikant
Adressen Berlin, Lefèvrestraße 1; Groß Breesen; Sao Paulo
Heirat Ilse Jacobsberg *3.8.1929 in Hamburg; ✡26.9.2017 in Sao Paulo
Kinder zwei
Tochter Wolff; oo Rosset
Weiterer Lebensweg
1930 Einschulung staatliche Volksschule
1934 Wechsel auf die Theodor-Herzl-Schule
1939 Schließung der Theodor-Herzl-Schule
Übersee- Gruppenwanderer Lehrgut Groß Breesen
Mai 1936 Eröffnung des nichtzionistischen Übersee-Gruppenwanderer Lehrgutes Groß Breesen; im Gegensatz zu anderen Lagern ist Groß Breesen nicht an jüdische Organisationen gebunden, war jedoch stark geprägt vom Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C.V., assimiliert, liberal, national)
1936-1939 Curt „Bo“ Bondy Lagerleiter und pädagogischer Leiter, auf Bitten von Leo Baeck; von vielen ‚Groß-Breesenern‘ wurde er als charismatische Persönlichkeit, der sie viel zu verdanken haben, verehrt. Unterstützt wurde er von Ernst Cramer, einem älteren Praktikanten.
Leiter der landwirtschaftlichen Ausbildung war Oberinspektor Erwin Scheier, dessen Frau Ruth oblag die Hauswirtschaft, Tischlermeister Max Kiwi die Schreinerei.
10.11.1938 Überfall der SA auf den Hof in Groß Breesen, alle über 18-Jährigen Männer werden mit einem Bus abgeführt und ins KL Buchenwald gebracht, auch Curt Bondy, der als Homosexueller besonders gefährdet war; die Frauen und Jungen bleiben auf dem Hof zurück.
Scheier wird als Verwalter abgelöst von Dingethal, der wiederum wegen Fronteinsatz im September 1939 von Inspektor Hildebrandt
April 1939 Arthur Wolff zur Hachschara ins Überseeauswanderer Lager Groß Breesen
17.5.1939 Arthur Wolff in Groß Breesen bei Minderheitenzählung
17.5.1939 Walter und Hildegard Wolff in Berlin, Lefèvrestraße 1 bei Minderheitenzählung
1.9.1939 Überfall der Wehrmacht auf Polen; beide Eltern nach Groß Breesen; der Vater übernimmt im Tagesbetrieb viele Funktionen des Inspektors
31.8.1941 Gestapobefehl: Das Lehrgut Groß Breesen wird Arbeitslager; es wird der Gestapo Breslau unterstellt
Die Schließung der Arbeitslagers Groß Breesen
Die Grüssau Gruppe
21.10.1942 Gestapo-Offizier Hampel verliest beim Appell die Namen der 22 zur Verlegung nach Grüssau befohlenen Bewohner
30.10.1942 Verabschiedung der Ehepaare, der jungen Frauen und sechs Jungen
Günther Marcuse schreibt in sein Tagebuch:
„Nach dem Abendessen rief der Inspektor (Hildebrandt) alle zusammen, um die Leute zu verabschieden.“
31.10.1942 Verbringung der 24 Personen in das Judenlager im Kloster Grüssau bei Landeshut – neben Tormersdorf und Riebnig eines der drei Sammellager für die Juden aus der Region Breslau
Günther Marcuse notiert:
„Im Gegensatz zu früheren Alarmen, denen sofort Reklamationen folgte, verliessen uns heute die Kameraden, die uns in langen Jahren lieb geworden waren. Es sind:
Ehepaare: Wolff (Walter und Hildegard Klein), Löwenstein (Aron und Gertrud Monasch), Ascher (Kurt und Ruth Schwarz mit Rea), Baehr (Heinz und Edith Plessner), Cohn (Alfred „Alco“ und Marlo Levy mit Gideon)
Mädels: Berg (Anneliese), Blume I (Ruth geb. Baehr), Blume II (Anneliese), Cohn (Hannelore), Director (Ilse), Frau Berg (Bertha)
Jungens: Blume (Bernhard), Plessner (Heinz), Levy (Ernst), Wolff (Arthur), Ring (Heinz), Krieger (Otto)
(Ruth Blume und Bernhard Blume waren auch ein Ehepaar.)
25 junge Männer verbleiben noch auf dem Hof in Groß Breesen.
Fabrikaktion Februar/März 1943
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“ als Vorbereitung auf die „Fabrikaktion“
Ende Februar/Anfang März 1943 verlassen die letzten „Volljuden“ das Lehrgut Groß Breesen
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
22.2.1943 Verhaftung der Juden im Arbeitslager Grüssau, die gesamte Grüssau-Gruppe aus Groß Breesen bis auf Walter und Hildegard Wolff mit Sohn Arthur (Theresienstadt)
23.2.1943 Ankunft des Grüssauer Transports in Auschwitz; von 250 Juden aus Grüssau werden nur sechs Männer (Nr. 104027 bis 104032) in das Lager zur Zwangsarbeit übernommen
24.2.1943 Walter und Hildegard Wolff mit Sohn Arthur auf dem Transport IX/3 von Breslau nach Theresienstadt; Grund: Privileg des Vaters als Träger des EK 1
28.2.43 Schließung des Lagers im Kloster Grüssau
Fabrikaktion im Arbeitslager Groß Breesen
26.2.1943 Das Tagebuch von Günther Marcuse endet mit dem Hinweis, dass bis zum 1.3.1943 mit einer Gestapoentscheidung zum Abtransport der „Volljuden“ zu rechnen ist, während die „Halbjuden“ in Groß Breesen verbleiben sollten.
1.3.1943 Anordnung der Verbringung der „Volljuden“ aus Groß Breesen
Deportation in ein Sammellager nach Breslau, als Leiter der Gruppe Meister Max Kiwi mit Frau und 21 jungen Männern; vier „Halbjuden“ bleiben zurück
5.3.1943 Deportation der Groß-Breesener mit dem Breslauer Transport nach Auschwitz; eine Transportliste ist nicht überliefert.
6.3.1943 Ankunft des Breslau-Transportes in Auschwitz; 16 der 21 deportierten Männer aus Groß Breesen bekommen in Auschwitz nach Selektion an der Rampe eine Häftlingsnummer, sind somit zu Zwangsarbeit in BUNA Monowitz vorgesehen.
Theresienstadt, Auschwitz, Buchenwald, Berga, Dachau
28.9.1944 Arthur und Walter Wolff auf dem Transport Ek von Theresienstadt nach Auschwitz
Arthur Wolff wird die Häftlingsnummer B 11795 in den linken Unterarm tätowiert; im September 1944 wurden die Häftlingsnummern B 8204 – B 12 656 vergeben
4.10.1944 Mutter Hilde auf dem Transport En von Theresienstadt nach Auschwitz
Verlegung von Arthur Wolff in das Reichsbahn- Ausbesserungswerk Gleiwitz
Zweieinhalb Wochen Todesmarsch über Blechhammer in das KL Groß Rosen, von 1500 kommen nur 250 lebend in Groß Rosen an
6.-10.2.1945 Transport im offenen Güterwaggon von Groß Rosen nach Buchenwald
10.2.1945 Ankunft im KL Buchenwald
Dort trifft den Groß Breesener Herbert Münzer, der auf ihn wie ein „Muselmann“ (Todeskandidat) wirkt.
Arthur Wolff berichtet über Buchenwald:
„Ich war nur relativ wenige Tage in Buchenwald selbst. … Ich selbst kam mit einem Transport nach Berka. … In jener Nacht vor der Abfahrt dieses Transports schlief neben mir ein Todkranker, der zum Transport gehörte. Er starb während der Nacht, und ich vertauschte unsere Jacken zusammen mit den Papieren. Auf diese Weise und unter falschem Namen kam ich am 922 nächsten Tag von Buchenwald weg. Und irgendwo in Buchenwald wurde ein Mann vergraben oder verbrannt, den man für Arthur Wolff hielt.“
(Arthur Wolff verwechselt hier Berka mit Berga/Elster, Codename Schwalbe; hier wurden in den Zikraer Berg Stollen für die Errichtung eines unterirdischen Hydrierwerkes der BRABAG getrieben)
26.2.1945 Nach Quarantäne Verlegung in das Buchenwald Außenlager in Berga a.d. Elster, Codename „Schwalbe“ (Schw); etwa 3.400 meist jüdische Häftlinge mussten dort im Auftrag der Braunkohle Benzin AG Tunnel in den Berg treiben für ein geplantes unterirdisches Hydrierwerk. Über 300 von ihnen kamen ums Leben.
April 1945 verzeichnete noch 1.767 KL-Häftlinge in Berga. Räumung von Berga
Arthur mit 200 nicht marschfähigen Juden mit Krankentransportzug nach Dachau
10.4.1945 Ankunft des Krankentransportzuges im KL Dachau
Eisenbahntransport Dachau – Seefeld – Fiktion Alpenfestung Ötztal
23. 4.1945 Befehl in Dachau einen Häftlingszug „Kommando Ötztal“ zusammenzustellen
25.4.1945 Transportzug mit ca. 1700 Gefangenen und 100 SS Wachen von Dachau nach Garmisch
28.4.1945 Weiterfahrt von Garmisch nach Seefeld; in Seefeld bleibt der Zug liegen.
28.4.1945 Fußmarsch nach Mösern
29.4.1945 von Mösern zurück nach Seefeld; von dort mit den Bahn Richtung Mittenwald; bei Scharnitz mussten alle den Zug verlassen und im Schnee „biwakieren“.
30.4.1945 Der SS-Transportführer bereitet die Erschießung der Gefangenen vor, welche im letzten Moment durch eine Frau verhindert wird, die SS-Mann beiseite führt.
1.5.1945 Befreiung durch die US-Army in Mittenwald
Im DP-Lager in Mittenwald trifft Arthur Wolff auf Soldaten der Jewish Brigade, die ihn in eine britische Uniform stecken und ihn in ihr Hauptquartier in Antwerpen mitnehmen.
Ein Jahr in Brüssel, Belgien
Juni 1946 Auswanderung von Antwerpen nach Sao Paulo
Gedenken
11.5.1955 Pages of Testimony für die Eltern von Arthur Wolff Sao Paulo
14.7.1968 Pages of Testimony für die Eltern und Adoptivbruderbruder Denny von Tante Margot Gladke
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/10783477
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/5135475
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/7447069
https://www.gapgeschichte.de/ns_zeit_1945_todesmarsch_texte/01_text.htm
https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/37019-hildegard-wolff
Werner Angress, Generation zwischen Furcht und Hoffnung, 1985
Arthur Wolff, Damit es nicht vergessen wird, Bericht in zwei Teilen, 1991
Günter Marcuse, Tagebuch Groß Breesen; Groß Breesen Rundbrief Nr. 23, 1966
https://archive.org/details/jdischesausb001f022/page/n2/mode/1up?view=theater
https://www.yumpu.com/de/document/read/3840614/21-brief-19-p745-54-gross-breesen-silesia