Heinrich Max Spittel
* 27.2.1918 in Berlin; +25.4.1945 in Bergen Belsen
Staatsangehörigkeit deutsch
Vater Heinrich Spittel * 28.11.1882 in Eisenach; †2.12.1917 in Hourdain Frankreich
Mutter Gertrud Nachmann *8.8.1883 in Cottbus; +29.1.1943 in Auschwitz
Stiefvater Max Spittel * 29.3.1879 in Eisenach; † 29.1.1943 in Auschwitz
Geschwister keine
Beruf Landarbeiter, Gärtner
Adressen Eisenach, Marienthalstraße 17; Berlin- Charlottenburg, Droysenstrasse 5; Arnheim, Mesdagslaan 64
Heirat 5.2.1942 in Horn mit Lotte Wald * 17.2.1916 in Bochum; +13.11.2012 in Galed, Israel
Kinder keine
Weiterer Lebensweg
2.12.1917 der leibliche Vater Heinrich Spittel, Vize-Feldwebel in der 8. Kompagnie des Infanterie-Regimentes 41 stirbt im Feldlazarett 94; beigesetzt auf dem Friedhof Hourdain, Frankreich Grabstelle Block 18 Grab 1001. Laut RjF-Gedenkbuch lebte er in Berlin. Gertrud Spittel heiratet den Bruder Max Spittel; Heinrich Max bekommt beide Vornamen.
Preußische Verlustlisten vom 28.12.1917 und 18.1.1918 Seiten 22239 und 22494
1935 Mitglied im Habonim (Internationale sozialistisch-zionistische Bewegung), Heinrich Spittel lernt auf einem Treffen der Gruppe in Berlin seine zukünftige Frau Lotte kennen, seitdem sind sie „zusammen“
1937 Heinrich Spittel ins Hachschara-Lehrgut Jägerslust bei Flensburg
10.2.-10.11.1938 Lotte Wald folgt Heinrich nach Jägerslust bei Flensburg, Chawerah des Hechaluz
10.11.1938 brutaler Überfall und Verwüstung des Gut Jägerhof. Alle Chawerim verhaftet, die Männer ins Polizeigefängnis Kiel, von wo sie später ins KL Sachsenhausen deportiert werden. Die Frauen kommen ins Gerichtsgefängnis in Flensburg im Südergraben und werden nach einem Tag entlassen.
27.1. 1939 Heinrichs Entlassung aus Schutzhaft im KL Sachsenhausen
15.2.1939 Lotte Wald und Heinrich emigrieren nach Deventer, Niederlande
4.3.1939 Heinrich kommt zur Familie Wagenvoort in Vierakker.
4.3.1939 Lotte geht nach Steenderen.
2.6. 1939 fängt Heinrich im Werkdorp Wieringer Meer bei Hoorn eine Ausbildung als Gärtner an.
17.5.1939 Mutter und Stiefvater in Berlin Wilmersdorf bei Minderheiten-Volkszählung
21.7.1939 Deventer Papenstraat 45
21.11.1939 Lotte in Arnhem, Mesdaagslaan 64
2.4.1940 Umzug von Lotte nach Amsterdam, erst Spiegelgracht 9, dann Rokin 34
Mai 1940 arbeitet Lotte im vegetarischen Restaurant „Reinhard“ in Amsterdam.
31.10.1940 Lotte umgemeldet ins Werkdorp Wieringer Meer
20.3.1941 Auflösung des Werkdorp durch den SD Amsterdam; 210 der 290 Lehrlinge werden nach Amsterdam verbracht und in Familien untergebracht;
Gerd Vollmann aus Bochum berichtet darüber:
„Am 20. März kamen morgens blaue Busse von der Amsterdamer Gemeindebahn am Rande des Polders. … Die ca. 300 Werkdörfler wurden inspiziert durch Lages in Uniform (Willy Lages, SS-Sturmbannführer, Leiter des Sicherheitsdienstes in Amsterdam) und Barbie in Zivil (Klaus Barbie, SS-Obersturmführer, Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Amsterdam). Unser Betriebsleiter Kemmerlin sorgte dafür, dass ca. 60 Jungen und Mädels bleiben durften, um das Vieh usw. zu versorgen. Die anderen kriegten 10 Minuten die Gelegenheit, um etwas zu packen und dann wurden wir mit Bussen nach Amsterdam gebracht…“
Heinrich hat das große Glück zu den 60 zu gehören, die noch zur geordneten Auflösung Ende Juli 1941 bleiben dürfen. So entgeht er einer brutalen Vergeltungsaktion von Klaus Barbie, SS-Obersturmführer; dieser hatte sich nach einer Bombenexplosion im Marine-Offiziersclub Amsterdam bei der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Amsterdam“ durch Täuschung die Adresslisten der „Werkdorper“ erschlichen. “ So ließ Barbie bei einer Razzia 300 Jugendliche, davon 61 „Werkdorper“ im Durchgangslager Schoorl inhaftieren. Von der „Juni groep“ der Werkdorper wurden 4 freigelassen, 57 in das KL Mauthausen deportiert, keiner überlebte das Jahr 1941.
Juni 1941 bis Dezember 1942, Lotte in Arnheim
Ende Juli 1941 Heinrich nach Abwicklung des Werkdorps nach Arnheim, wo Lotte Arbeit gefunden hat
August 1941 bis April 1942 Heinrich zurück nach Hoorn, Dreiboomlaan 19, vermutlich arbeitet er für Bauern, für die er auch als Werkdorper gearbeitet hat.
Nach der Räumung des Werkdorp bereits im März 1941 zieht ein anderer Werkdorper Ernst Levenbach als Gärtner nach Hoorn, wahrscheinlich für Privatpersonen. Heinz Spittel, lebt einige Zeit auf derselben Adresse, möglicherweise durfte er die Wohnung von Ernst nutzen. Ende 1942 zog Ernst zu seiner Mutter nach Amsterdam.
5.2.1942 Heirat mit Lotte in Hoorn
Frühjahr 1942 beginnt die „Säuberung der Küstenregionen“, die judenfrei werden sollen
10.4.1942 Heinrich daraufhin wieder zu Lotte nach Arnhem, Mesdaaglaan 64
Herbst 1942 Vorbereitungen des Ehepaar Spittel um unterzutauchen, können nicht mehr umgesetzt werden
11.12.1942 alle Juden bei Razzia in Arnheim verhaftet, ins Polizeiliche Judendurchgangslager Westerbork verbracht; Heinrich durch „Albersheim-verklaring“ zunächst vor Deportation geschützt.
Die 70-80 Chawerim wurden gemeinsam in einer Westerbork-Baracke untergebracht.
Es gab in dieser Gruppe eine Flucht; gemeint ist offensichtlich Max Windmüller, der am 14.8.1943 ins Lager kommt und bereits am 18. 8.1943 flüchten kann.
29.1.1943 Heinrichs Eltern mit dem Zug Da 13, 27. Osttransport von Berlin nach Auschwitz
14.9.1943 Transport von Lotte und Heinrich von Westerbork nach Auschwitz, zusammen mit Erco Ernst Cosmann, Sohn des Fritz Cosmann aus Recklinghausen, der auch eine „Albersheim-Verklaring“ besaß.
Es ist zu vermuten, dass er freiwillig die Chaverim, die keine „Albersheim-Verklaring“ besaßen, begleitet hat. Die Westerbork-Insassen mit Palästina-Zertifikat wurden entweder erst 1944 als „Austauschjuden“ ins Sternlager von Bergen-Belsen (wie Rosa Kratzer) oder nach Theresienstadt (wie Kurt Pollack) verlegt.
Spittel gibt sich den deutschen Behörden gegenüber als holländischer Jude aus.
Lotte zunächst im Experimentier-Block von Auschwitz (Dr. Glauberg, Dr. Wirtz)
Sommer 1944 verlegt nach Auschwitz-Birkenau, dort in Arbeitskommandos wie Straßenbau, Kartoffelkommando
26.10.1944 Heinrich von Auschwitz, Buna Monowitz ins KL Natzweiler, Elsass
29.10.1945 Heinrich verlegt vermutlich in rechtsrheinische Natzweiler Außenlager
Nov./Dezember 1944 Transport per Bahn von Lotte aus Auschwitz nach Bergen-Belsen.
Jan. 1945 Lotte meldet sich freiwillig für ein Arbeitskommando in der Munitionsfabrik Draht-
und Metallwarenfabrik in Salzwedel, Außenlager von Neuengamme
30.1.1945 Heinrich Transport über KL Dachau ins KL Buchenwald
23.3.1945 Heinrich auf Transport von Buchenwald nach Bergen-Belsen
April 1945 Heinrich angemeldet für einen Repatriierungstransport von Bergen-Belsen in die Niederlande
14.4.1945 Lotte von 9. US-Army befreit; etwa 3000 zumeist jüdische Frauen im Außenlager Salzwedel, das nach einer weiteren Woche aufgelöst wird
15.4.1945 Max Spittel in Bergen-Belsen von der Royal Army befreit
25.4.1945 Tod von Max Spittel in Bergen-Belsen
28.4. 1945 Lotte kehrt in die Niederlande zurück, wird dort am Blinddarm operiert
Herbst 1945 Lotte auf Alijah nach Kriegsende illegal über Frankreich nach Palästina, Aufnahme im Kibbuz Gal-Ed bei Haifa
Gedenken
Stolperstein für Heinrich Spittel in Hoorn, Drieboomlaan 19; irrtümliches Todesdatum 1943
Quellen
Die jüdischen Gefallenen des deutschen Heeres, der deutschen Marine und der deutschen Schutztruppen, 1914-1918: ein Gedenkbuch, Reichsbund jüd. Frontsoldaten, Verlag Der Schild, 1932
Preußische Verlustlisten vom 28.12.1917 und 18.1.1918 Seiten 22239 und 22494
www.soldatenfriedhof.de
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
www.werkdorpwieringermeer.nl/en/heinrich-max-spittel-2/
https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/7167665?s=Spittel%201918&t=222836&p=1
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1164723
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1165028
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1164913
https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/127212170?s=Spittel%20Max&t=245236&p=1
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT27-33.jpg
https://www.joodsmonument.nl/nl/page/627391/heinrich-max-spittel
http://danielabraham.net/tree/related/hachshara/
https://www.infocenters.co.il/gfh/notebook_ext.asp?book=56710&lang=eng&site=gfh
www.spurenimvest.de/2021/10/12/vollmann-gert/
www.spurenimvest.de/2022/04/09/windmueller-max/
Philipsen, Bernd, Jägerslust. Gutshof, Kibbuz, Flüchtlingslager, Militär-Areal. Schriftenreihe der Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte (69). Flensburg (2008)
Philipsen, Bernd „Dat Judennest hebbt wi utrökert.“ Vom gewaltsamen Ende des Auswanderer-Lehrguts Jägerslust bei Flensburg. In: Hering, Rainer (Hg.) (2016): Die „Reichskristallnacht“ in Schleswig-Holstein. Der Novemberpogrom im historischen Kontext. Hamburg, S. 231-25