Herbert Naftali Rosemann
*18.9.1921 in Berlin; ✡ Tod in Auschwitz
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Michael Rosemann; ✡? Vor 1939
Mutter Gelea Ella Meyer *28.2.1882 in Hamburg; ✡ 1943 in Auschwitz
Geschwister
Menachem Rosemann *10.3.1911 in Obornik; ✡10.7.1943 in Theresienstadt
Dora Orva Ruth Rosemann *21.11.1909 in Obornik; ?; Heinz Nathansohn (*11.8.1908 in Berlin 10.10.1954 in Kiryat Bialik)
Beruf Lehrling; Landwirtschaftlicher Praktikant
Adressen Berlin; Neuendorf
Heirat ledig
Kinder –
Weiterer Lebensweg
17.5.1939 mit der Mutter und Bruder Menachem in Berlin Tiergarten bei Minderheiten-Volkszählung
6.5.1940 aus Berlin zur Hachschara ins Landwerk Neuendorf im Sande
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung der noch bestehenden in „Jüdisches Arbeitseinsatzlager“
Mai bis September 1941 Auflösung der Hachscharalager Ahrensdorf, Jessen, Havelberg; Verlegung der Chaluzim in das Lehrgut Neuendorf im Sande; nur ein kleiner Teil darf noch im Landwerk selbst arbeiten, die meisten werden zur Zwangsarbeit bei Unternehmen in Fürstenwalde verpflichtet.
2.4.1942 Verhaftung der älteren und der bereits bei der Gestapo zuvor auffällig gewordenen Chaluzim aus Neuendorf und Deportation auf Lastwagen in das Sammellager, eine große Turnhalle am Leipziger Platz in Frankfurt/Oder
3.4.1942 Deportation dieser Neuendorf-Gruppe mit 1009 Personen nach Warschau
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
31.3.1943 Die Belegschaftsliste des Landwerk Neuendorf enthält 96 Männer (drei abwesend) und 76 Frauennamen
7.4.1943 Zustellung der Transportlisten für Neuendorf
10. 4.1943 169 Chawerim aus Neuendorf mit LKW nach Fürstenwalde, von dort mit der Bahn nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager ehemaliges jüdisches Altenheim Große Hamburger Straße 26; in Berlin vom Transport zurückgestellt 16 Personen (Geltungsjuden, Juden aus privilegierten Mischehen etc.)
19.4.1943 Chawerim aus 10 jüdischen Einsatzlagern, allein 153 Personen aus dem Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde auf dem 37. Osttransport von Berlin nach Auschwitz (Fabrikaktion)
Esther Bejarano erinnert sich:
„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“
Esther berichtet auch, dass viele alte und schwache Menschen diese mehrere Tage dauernde Fahrt in den Viehwaggons nicht überlebten. Ihre Leichen blieben die ganze Zeit in den Waggons.
Mit Esther saßen viele der Jugendlichen im Waggon, mit denen sie in Neuendorf zusammen war: Eli Heymann, Schimschon Bär, Schoschana Rosenthal, Miriam Edel, Anne Borinski, Hilde Grünbaum, Karla und Sylvia Wagenberg, Herbert Growald und noch viele andere.
20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:
„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“
Er wird zur Zwangsarbeit im Auschwitz-Nebenlager Monowitz eingewiesen; ihm wird die Auschwitz-Häftlingsnummer 116992 in den linken Unterarm tätowiert.
14.8.1943 letzte Aktennotiz im KL Monowitz
Tod in Auschwitz
Schicksal der Familie
29.1.1943 Mutter Gelea auf dem 27. Osttransport von Berlin nach Auschwitz
Alija Beth von Schwester Dora auf der SS PACIFIC
März 1940 die führenden jüdischen Funktionäre aus Berlin, Prag und Wien werden von SS-Sturmbannführer Adolf Eichmann ins Reichssicherheitshauptamt nach Berlin vorgeladen, um die illegalen „Sondertransporte“ nach Palästina zu forcieren; Ephraim Frank als Vertreter des erkrankten Lyon vom Palästinaamt und als designierter Transportführer dabei.
August 1940 Schwester Dora mit Ehemann Heinz Nathanson zur Vorbereitung nach Ellguth/Steinau
17.8.1940 ab Berlin mit dem Zug aus Deutschland fahren 350 Jugendliche und 150 Eltern, die bereits Kinder in Palästina hatten, nach Wien mit dem Ziel über die Schwarzmeerroute nach Haifa zu kommen; Transportführer war Ephraim Frank
30.8.1940 mit einer Gruppe von 29 Chawerim aus Paderborn offiziell abgemeldet nach „Paraguay“
Zwei bis drei Wochen in Wien, in einer jüdischen Schule oder Lehrlingsheim
3. 9.1940 mit dem Zug von Wien nach Pressburg/ Bratislava an die Donau;
10.9.1940 zum Donauhafen von Bratislava; dort Verteilung der Chalutzim auf die drei Ausflugsdampfer URANUS, MELK und SCHÖNBRUNN
10.-20.9.1940 von Bratislava nach Tulcea am Schwarzen Meer;
Anfang Oktober 1940 werden 1000 Flüchtlinge auf die drei Schiffe SS PACIFIC, SS MILOS und SS ATLANTIC verteilt, Deutsche auf die PACIFIC, Tschechen auf die MILOS.
Zwischenstopp im Hafen Agios Nikolaos, Kreta, um Kohle aufzunehmen
31.10.1940 von britischer Marine aufgebracht und in den Hafen von Haifa geleitet
1.11.1940 Ankunft der SS PACIFIC in Haifa.
3.11.1940 Ankunft der tschechischen Emigranten auf der SS MILOS, die ebenfalls auf die PATRIA verbracht werden
4.11.1940 Alle Passagiere der SS PACIFIC werden auf die SS PATRIA umgeschifft, dem von den Briten beschlagnahmten, als Truppentransporter umgebauten, großen französischen Frachtschiff (18 000 t)
8.11.1940 Registrierung von Heinz im Camp Atlith; Heinz nennt seinen Bruder Dr. Nathanson in Haifa und seine Schwester Eva Soschinski in Jerusalem als Kontakt; Heinz auf einer Liste von hospitalisierten Patienten
Dora zunächst auch zur Deportation nach Mauritius vorgesehen
23. oder 24.11.1940 Ankunft der SS ATLANTIC in Haifa
25.11.1940 Sprengstoff-Anschlag der Haganah im Maschinenraum der SS PATRIA, zu diesem Zeitpunkt waren bereits 1771 Ma’apilim (illegale Immigranten) auf das Schiff gebracht.
Walter Steinitz, ebenfalls aus dem Umschulungslager Paderborn kommend, berichtet:
“ Am 25.November morgens um neun Uhr mussten alle auf die Reling, denn der Colonel hatte die Instruktion gegeben, aber um 9.12 Uhr hatte ein Kommando von 60-80 jungen Leuten ins Wasser zu springen, um die Engländer abzulenken, die mit kleinen Booten die Menschen auffischten. Zeitentsprechend zündete einer von uns eine Bombe, keine Zeitbombe, und ist mitgetötet worden. Es war der zweite Transportleiter – Hans Wendel. Niemand hatte von dieser Aktion gewußt – außer acht Leuten. Innerhalb von ein paar Minuten neigte sich das Schiff zur Seite. … Von den 4000 auf der SS PATRIA zusammengedrängten Menschen verloren etwa 260 ihr Leben.“ (ca 200 von 1771)
Die ins Wasser gesprungenen und die an Bord Überlebenden werden als Schiffbrüchige der SS Patria von den Briten an Land gebracht.
25.11.1940 Internierung in einer Lagerhalle im Hafen von Haifa; die von Bord gesprungenen werden in die Arrestzellen der Polizeiwache von Haifa; Serie von Verhören, insbesondere wenn sie von den Briten der Zugehörigkeit zur Haganah verdächtigt wurden.
26.11. und 8.12.1940 die Überlebenden der SS PATRIA werden mit Bussen in das Internierungscamp Atlith verbracht;
Dezember 1940 noch auf die Umladung wartenden 1581 Emigranten auf der MILOS und ATLANTIC werden als „Detainees“ mit holländischen Frachtschiffen nach Mauritius deportiert. Dort trafen sie am 26.12.1940 ein und wurden in das das Zentralgefängnis von Mauritius nahe Beau Bassin verbracht.
1940 zunächst nur Freilassung kleiner Gruppen aus dem Camp Atlith, die eine Aufnahmeadresse in Palästina vorweisen können: Heinz nennt seinen Bruder Dr. Nathanson in Haifa und seine Schwester Eva Soschinski inin Jerusalem als Kontakt
10.10.1941 Entlassung aus Camp Athlit, Anmeldung von Heinz und Dora Nathanson in Haifa
September -Dezember 1941 Entlassung der meisten Internierten aus dem Camp Atlith
12.8.1945 Es sollte noch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dauern, bevor die 1.310 überlebenden Flüchtlinge aus Mauritius auf der SS FRANCONIA in das ersehnte Eretz Israel gebracht werden konnten.
Die Räumung des „Siechenheim“ Auguststraße 14/16 in Berlin
1941/42 Bruder Menachem Rosemann wegen „Multipler Sklerose“ ins Krankenpflegeheim „Siechenheim“ Auguststraße 14/16 in Berlin
1861 war das Haus in der Auguststraße 14–16 in Berlin-Mitte von der Jüdischen Gemeinde als Krankenhaus gebaut. 1914 Umzug des Krankenhauses in das neue Krankenhaus in Berlin-Wedding Iranische Straße. 1922 bis 1941 befand sich hier das Kinderheim „AHAWAH“ (hebräisch: Liebe). Nach dessen Auflösung durch die Gestapo 1941 „Siechenheim“ für pflegebedürftige Juden;
Die Kranken und Pflegeeinrichtungen der jüdischen Gemeinde unterstanden ab 25. Oktober
1939 gemäß der zehnten Verordnung zum Reichsbürgergesetz der Reichsvereinigung (RVJD)
28.5.1943 Bruder Menachem aus dem „Siechenheim“ Auguststraße 14/16 in Berlin auf dem 90. Alterstransport I/95 nach Theresienstadt mit 188 Patienten, der langjähriger Leiterin Rebecca Oberländer, der Ärztin Edith Josephy und sechs Pflegekräften und Angehörige. Edith und ihr Ehemann Franz Josephy sind am 31.10.1944 in Auschwitz ermordet worden.
Ebenfalls auf diesem Transport die 64 Insassen des „Siechenheim“ der Israelischen Synagogengemeinde Adass Jisroel, Elsässer Straße 85 sowie zahlreiche weitere Pflegekräfte und Funktionspersonal; insgesamt 327 Deportierte
10.7.1943 Tod von Bruder Menachem in Theresienstadt an Pneumonie, Multipler Sklerose
Gedenken
15.7.1947 vergebliche Suchanzeige für Herbert, Bruder Menachem und die Mutter von Schwester Dora Nathansohn
12.2.1956 Pages of Testimony für Herbert, Bruder Menachem und die Mutter von Schwester Dora Nathansohn
Quellen
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1141296
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1141325
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1141181
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_ber_ot27.html
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_ber_at81-90.html
https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=9969525
BILDER & DOKUMENTE – הכשרות החלוץ בגרמניה – דור המשך (hachshara-dor-hemshech.com)
Harald Lordick, Das Landwerk Neuendorf: Berufsumschichtung – Hachschara – Zwangsarbeit; in Pilarczyk, Ulrike (Hrsg) Hachschara und Jugendalija, Schulmuseum Steinhorst, 2019
Lore Shelley (Editor), The Union Kommando in Auschwitz, Lanham, New York, London, 1996
Wiehn Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010, Hartung Gorre Verlag
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de
https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=FL4311316
Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten
Harald Lordick, Landwerk Neuendorf in Brandenburg, in: Kalonymos, 2017, Heft 2
Esther Bejarano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989
Esther Bejarano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013
Anneliese Ora-Borinski, Erinnerungen 1940 – 1943, Kwuzat Maayan-Zwi, Israel 1970
Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386
Video-Interview mit Issy Philipp 1994
Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015
Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013