Erich Eli Waldeck
*17.5.1915 in Münster; ✡ 2007
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Carl Waldeck *1.8.1870 in Zierenberg; ✡ 7.3.1944 in Theresienstadt
Heirat der Eltern 1912
Mutter Henriette Herzfeld *14.1.1884 in Bochum; ✡ 19.5.1944 in Auschwitz
Stiefbruder aus 1. Ehe des Vaters mit Olga Friedmann; ✡1910 in Münster
Fritz Waldeck *1903
Geschwister
Ilse Waldeck *4.2.1913 in Münster; ✡13.2.2005 in Falls Church; oo Erich Bernstein
Gerda Waldeck *4.5.1914 in Münster; ✡26.3.2015 in Fort Meyers; oo Simon Friedmann (1910-2001)
Hans Waldeck *1919 in Münster; ✡1992 in Buenos Aires
Beruf Landwirtschaftlicher Praktikant
Adressen Münster, Alter Fischmarkt 11 (bis 1937), Langenstr. 42 im Kreuzviertel (1937 bis 1939); Westerkappeln;
Heirat 10.3.1940 in Haifa Ilse Zerlina Lipschitz *14.8.1920 in Berlin; ✡25.7.2013 in Ram On
Tochter Tirza Waldeck *23.3.1941 in Haifa
2. Ehe mit Anita Luft *15.7.1925; ✡16.6.1984 in Ram On
Die Hachschara Bewegung
In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.
Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.
Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachschara-Stätten (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).
So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.
Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1000 Palästina Pfund mitbringen mussten. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.
Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.
Hof Stern in Westerbeck
Der erste Hachschara-Hof in Westfalen entstand in der Gemeinde Westerkappeln. Die Umschulungs- und Einsatzlager des RVJD in Bielefeld und Paderborn folgten erst später und bestanden von 1939 bis 1943. Die Brüder Leo (1900-1938) und Rudolf Stern (1898-1957) aus Osterkappeln hatten den Hof Elstroth, Westerbeck mit der Hausnummer 74 in der Gemeinde Westerkappeln mit 20 Hektar Land Ende 1932 bei einer Zwangsversteigerung erworben. In den Jahren 1933 bis 1938 verpachteten sie den Großteil ihres Hofes Stern an den jüdischen Pfadfinderbund „Makkabi Hazair“, der hier eine landwirtschaftliche Ausbildung für die mittlere (14-17 Jahre) und die reguläre Hachschara(>17 Jahre) anbot.
Januar 1934 Beginn der Hachschara; die ersten Chawerim heißen Henry Cohen (Altkarbe), Edgar Adamski (Leipzig) und Markus Lichter (Chemnitz)
1934-1938 arbeiteten und lernten hier 97 „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) 31 Mädchen und 66 Jungen, im Mittel 19 Jahre alt. Manche blieben nur wenige Tage, andere bis zu eineinhalb Jahren zwei allerdings sogar zweieinhalb Jahre
1937 in Westerbeck auf dem Hof Stern 27 Bewohner gemeldet
Von Juni 1936 bis zum Februar 1938 verließen viele Jugendliche den Hof, zumeist in ihre Heimatorte, 18.2.1938 18 Personen abgemeldet aus Westerbeck. Dieser Exodus markiert wohl das Ende der strukturierten Hachschara-Ausbildung.
März -August 1938 nur noch fünf Chaluzim auf dem Hof gemeldet.
Die Leitung des Hofes lag zuletzt (Mai-November 1938) bei dem aus Syke bei Bremen stammenden Ehepaar Dora und Siegfried Löwenstein, die mit ihrer Tochter Grete auf dem Hof lebten.
9./10. November 1938 in der Pogromnacht überfiel ein SA-Trupp den Hof. Das Verwalterehepaar Löwenstein wurde brutal misshandelt, das Mobiliar wurde zerstört, Fensterscheiben wurden zerschlagen. Vier junge Männer lebten zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Hof Stern: Fritz Goldschmidt, Schwiegersohn des Verwalterehepaares Löwenstein, Julius Weinberg, Hans Bensew, Rudi Frank, werden mit Verwalter Siegfried Löwenstein festgenommen und in Westerkappeln inhaftiert. Während Löwenstein nach einer Woche auf den Hof zurückkehren konnte, wurden die vier anschließend für einige Wochen ins KZ Buchenwald verschleppt. Nur Rudi Frank kann später nach Santo Domingo flüchten.
3.12.1938 Zwangsverkauf des Hofes an den Landwirt Heinrich Pöppelwerth aus Haustenbeck/Lippe
Weiterer Lebensweg
30.7.-11.8.1929 Halbbruder Fritz auf Rückreise auf der SS CLEVELAND von Hamburg ->New York
Erich Waldeck zur Hachschara auf den Hof Westerbeck/Stern,Hachscharalager des jüdischen Pfadfinderbundes „Makkabi Hazair“ auf Gut Westerbeck in Westerkappeln
abgemeldet aus Westerkappeln; nach Berlin
8.6.1936 Passausstellung in Berlin
5.8.1936 Ankunft in Haifa auf der SS TEL AVIV mit Hechaluz Arbeiterzertifikat C/ L.S.
21.3.1938 Ankunft von Ilse Lipschitz in Haifa mit Studentenzertifikat B III
17.5.1939 Schwester Gerda Friedemann zur Hachschara in Oberbarnim/Rüdnitz bei Minderheiten-Volkszählung; von 1935 bis 1941 befand sich in Rüdnitz auf dem „Hof Wecker“ ein Ausbildungslager
Als Landarbeiter in Dagunia, Hadera, Matzubah
24.7.1941 Einbürgerung in Palästina mit Ehefrau Ilse
Anfang November 1941 Umzug der Eltern aus der Salzstraße ins „Judenhaus“ Meppener Straße 27
31.7.1942 Transport der Eltern ab Münster -Bielefeld nach Theresienstadt
7.3.1944 Tod des Vaters in Theresienstadt
16.5.1944 Deportation der Mutter von Theresienstadt nach Auschwitz
Gedenken
Stolperstein in Münster, Rudolf-von-Langen-Straße 42
7.12.1918 Henny-Waldeck-Weg in Münster
Quellen
Jüdische Einwohner von Westerkappeln seit 1933 mit Belegungsliste Westerbeck, erstellt von der Gemeinde Westerkappeln am 14.11.1946
Personenkarte von Hof Stern in Westercappeln, Westerbeck Nr. 74
https://www.stadt-muenster.de/ms/strassennamen/henny-waldeck-weg.html
Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 4552); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de985081
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de985074
Peter W. Lande, Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History
Gisbert Strotdrees, Kibbuz Westerbeck (Hof Stern), in: Hachschara als Erinnerungsort, 12.12.2022
https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/4
https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/ein-kibbuz-in-westfalen/
https://archive.org/stream/MitteilJdischerPfadfinder/Nr.%2010%20%281936%29_djvu.txt