Tichauer Siegfried

Siegfried Friedel Tichauer

*19.7.1921 in Lublinitz ; ✡ 3.8.1999

Staatsangehörigkeit polnisch

Religion jüdisch

Vater Max Tichauer *30.1.1889 in Mysłowice; ✡ vor 1945

Mutter Klara Pories *28.4.1890 in Wien; ✡ 1942 in Auschwitz

Onkel Dr. Willy Tichauer *30.10.1889 in Kattowitz; ✡ 1942 in Auschwitz

Tante Henrijette Tichauer geb. Hecht *28.3.1907 in Domb; ; ✡ 1942 in Auschwitz

Geschwister

Erich Tichauer *14.12.1922 in Lublinitz; oo Rafaela

Wilhelm Tichauer; oo Adrienne Ada Rosenfeld

Beruf landwirtschaftlicher Praktikant

Adressen Lublinitz; Berlin, Kolmbachstraße 11; Gut Skaby Friedersdorf;

Heirat Margarete Gretl Tova Zentner *19.10.1923 in Teutschenruht Böhmen; 12.5.1996 in Giv’atayim, Tel Aviv

Kind eine Tochter oo Tepper

Weiterer Lebensweg

10.11.1938 mit den Brüdern Wilhelm und Siegfried verhaftet im Novemberpogrom,

„Schutzhaft“ im KL Buchenwald

Dezember 1938 Entlassung aus Buchenwald

17.5.1939  mit den Eltern, Bruder Siegfried, Onkel Willy und Tante Henrijette in Beuthen bei Minderheiten-Volkszählung

Das Hachschara-Gut Skaby in Friedersdorf

Das Hachschara- Lager auf Gut Skaby  in Friedersdorf, Kreis Beeskow bestand ab der Einrichtung im Mai 1939 für 40 Chawerim bis zur Auflösung am 27.2.1943 in der reichsweiten „Fabrikaktion“; alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert, so auch in den benachbarten Lagern Gut Winkel und Groß Breesen.

September 1939 Margarete Zentner noch nicht auf der Liste der jüdischen Bewohner des Landkreises Beeskow-Storkow

Margarete Zentner zur Hachschara auf Gut Skaby

Alija Beth – Sonderhachschara VII – der Paraguay-Transport

März 1940 die führenden jüdischen Funktionäre aus Berlin, Prag und Wien werden von SS-Sturmbannführer Adolf Eichmann ins Reichssicherheitshauptamt nach Berlin vorgeladen, um die illegalen „Sondertransporte“ nach Palästina zu forcieren; Ephraim Frank als Vertreter des erkrankten Lyon vom Palästinaamt und als designierter Transportführer dabei.

November 1939 -Juli 1940 in Vorbereitung auf die illegale Alija stellen etwa 31 Chaluzim aus Gut Skaby den behördlichen Antrag zur Emigration offiziell nach Paraguay

August 1940 10 Chaluzim aus Skaby zusammen mit Lagerleiter Haim Stern und dessen Frau Hedwig mit dem Sohn Peter offiziell abgemeldet nach „Paraguay“, zunächst Zugfahrt nach Berlin und Wien, dann illegal auf alten Schiffen über die Donauroute.

Die Alija beth endete mit dem Untergang der SS PATRIA im Hafen von Haifa: 254 Chaluzim ertrinken.

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Um­be­nen­nung der noch bestehenden in „Jü­di­sches Ar­beits­ein­satz­lager“

7.3.42 eine Gruppe von acht Chaluzim verlässt Gut Skaby bei Friedersdorf zur Hachschara ins Landwerk Neuendorf im Sande,: Harry Knopf (Madrich?), Bernhard Rausnitz, Walter Salomon, Günter Steinweg, Ursula Kuttner, Hilde Levy, Cilli Scher, Hanna Stern

Fabrikaktion

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“ als Vorbereitung auf die „Fabrikaktion“

Febr./ März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert

18.2.1943 Heirat von Margarete Zentner in Friedersdorf mit Siegfried Tichauer

26.2.1943 Deportation der Skaby-Chaluzim Herbert Liebmann und Helga Meier mit ihrer dreimonatigen Tochter Judis und 10 weiteren Patienten des Jüdischen Krankenhauses Iranische Straße 2 auf dem 30. Osttransport von Berlin nach Auschwitz

27.2.1943 Fabrikaktion im Gut Skaby, Verhaftung von Margarete, Siegfried und dessen Bruder Erich mit 10 weiteren Chaluzim und Verbringung ins Sammellager nach Berlin

1.-2.3.1943 Margarete, Siegfried und dessen Bruder Erich mit dem 31. Osttransport deportiert von Berlin nach Auschwitz

Auf der Website „Statistik des Holocaust“ heißt es

„Der erste im Rahmen der „Fabrikaktion“ aus Berlin abgehende Transport vom 1.3.43 war zugleich der 31. Osttransport. Die zugehörige Transportliste enthält 1838 Namen, von denen allerdings 102 wieder gestrichen wurden, womit die Gesamtzahl Deportierter 1736 beträgt. Von ihnen kamen 1647 aus Berlin und weitere 89 aus verschiedenen Orten und jüdischen Arbeitslagern im Brandenburger Umland von Berlin. Am 2.3. wurden im Konzentrationslager Auschwitz lediglich 677 jüdische Häftlinge als arbeitsfähig neu registriert, davon 292 Männer und 385 Frauen. Die übrigen 1059 Männer, Frauen und Kinder des 31. Osttransports wurden demnach sofort ermordet.“

2.3.1943 Margarete, Siegfried und dessen Bruder Erich in Auschwitz als „arbeitsfähig“ selektioniert; Häftlingsnummer von Siegfried ist 104875

Nach Registrierung in Auschwitz Verlegung der Männer der Skaby-Gruppe ins Außenlager Jawischowitz des KL Auschwitz, ehemals Bergwerk Andreasschächte (bestand vom 15.8.1942 bis 19.1.1945.

Siegfried wird die Auschwitz-Häftlingsnummer 104875, Bruder Erich die Nr. 104 876 in den linken Unterarm tätowiert. Die Männer der Skaby-Gruppe werden wird zur Zwangsarbeit im Auschwitz-Nebenlager Jawischowitz, Bergwerk eingewiesen;

Der verratene Fluchtversuch in Jawischowitz

Friedel Tichauer berichtet:

„Es begann mit dem Gedanken, als Fluchtmöglichkeit aus dem Lager Jawischowitz einen Tunnel unter dem Block zu graben, in dem wir lebten. Die Entfernung zwischen uns und der Freiheit betrug sechs Meter. … Bis heute weiß ich nicht, wer uns verraten hat. An einem der letzten Tage wurden wir von den Lageraufsehern überrascht. … Man stellte keine Fragen, sondern begann sie brutal zu schlagen. Die ganze Aufmerksamkeit der SS-Männer wandte sich Martin Michel zu. Mich ließ man einfach stehen. Ich werde das schreckliche Bild meines Freundes Martin nie vergessen. Nach den Schlägen nahm die SS Martin mit.“

Alfred Ohnhaus berichtet aus dem Jahre 1944

„Nach einem Jahr erreichte uns die Meldung, dass Martin Michel wegen eines Fluchtversuches in Jawischowitz sich im Kerker der politischen Abteilung der SS (nicht SS, sondern Gestapo FJW) in Buna befände… Da wir Verbindung mit der kommunistischen Untergrundbewegung hatten, sprach Piese ( Zimche)ein Mitglied dieser Bewegung, einen jungen jüdischen Mann namens Zahler, an. Mit Hilfe von Verbindungen, die sich so nur in den Lagern entwickeln konnten, konnte Zahler mit dem Kapo des Blocks, in dem die Gefangenen der politischen Abteilung lebten, Kontakt aufnehmen und ihm sagen, er solle auf Martin achten und sich bemühen, ihn dort rauszuholen. Dieser Kapo sorgte dafür, dass Martin in den Krankenblock verlegt wurde. Gleichzeitig verschwand bei der politischen Abteilung Martins Akte …“

Ein freundlicher Offizier in Jawischowitz

Friedel Tichauer berichtet:

„Eine Schicksalsfügung ermöglichte es mir, mit meiner Frau Kontakt aufzunehmen. Eines Tages erhielt ich von der Lagerverwaltung den Befehl, in das Büro des Versorgungsoffizier zu kommen. … Im Juli, dem Monat in den mein Geburtstag fällt. Musste ich mich wieder im Büro des Versorgungsoffiziers einfinden. Der Offizier übergab mir ein kleines Paket, das mir meine Frau geschickt hatte. In dem Paket waren Lebensmittel. Der Offizier beglückwünschte mich zu meinem Geburtstag. … Der Geburtstag meiner Frau kam einige Monate nach unseren letzten Treffen. … Ich sprach den Offizier an und bat ihn, meiner Frau eine Kleinigkeit zu übergeben. Er war einverstanden und wollte nur wissen, worum es sich handele. Ich zeigte ihn einen kupfernen Ring, den ich hergestellt hatte und in den unsere Namen eingraviert waren. Der Offizier nahm den Ring und erfüllte meine Bitte. Der Ring befindet sich auch heute noch bei uns.“

Evakuierung von Auschwitz – der Todesmarsch

15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten

18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca. 60 000 Häftlinge; 10000 Männer aus Monowitz

18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau

Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:

Zofia Posmysz:

„Der letzte Tag in Auschwitz war der 18. Januar. Nach drei Tagen und drei Nächten zu Fuß wurden wir in offenen Güterwagen nach Ravensbrück gebracht.“

Asher Aud:

„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“

Sigmund Kalinski:

„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“

Isidor Philipp berichtet:

„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“

19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück, Sachsenhausen

Isidor Philipp berichtet:

„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“

Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.

22.1.1945 Ankunft der Transporte aus Auschwitz in Buchenwald, als Adresse der Frau Gretl gibt er Podersam, Sudetengau an

26.1.1945 Siegfried Tichauer als Schweißer zusammen mit Bruder Erich verlegt nach SIII Ohrdruf

2.4.1945 Räumung von Ohrdruf, Todesmarsch nach Buchenwald (51 km)

Das Ende des KL Buchenwald

5.4.1945 Himmlers Befehl zur Evakuierung von Buchenwald (47500 Häftlinge);

6.-10.4.1945 Die SS beginnt mit der Evakuierung des Konzentrationslagers; etwa 28.000 Häftlinge des Stammlagers und mindestens 10.000 Häftlinge der Außenlager werden auf insgesamt 60 Marschrouten – meist zu Fuß – auf die Todesmärsche getrieben, 12000 (Schätzung) kommen auf diesen Märschen um.

6.4. 1945 von den ca. 6000 Juden im Lager, können etwa 3000 versteckt werden; 3105 Juden werden im Lager zusammengetrieben, in den Werkshallen der DAW (Deutsche Ausrüstungswerke) eingesperrt und Richtung Flossenburg in Marsch gesetzt

Bruder Erich kann sich im Lager Buchenwald verstecken und entgeht so den Todesmärschen

7.4.1945 Todeszug nach Dachau verlässt Weimar mit ca. 7000 Häftlingen

10.4.1945 9.280 Insassen haben an diesem Tag Buchenwald in zwei Kolonnen verlassen. Die SS kündigt für den folgenden Tag die vollständige Räumung des Lagers an.

Evakuierung des KL Buchenwald in Güterwaggons nach Theresienstadt, Flossenbürg und Dachau

Befreiung

11. 4.1945 Befreiung von Bruder Erich durch die US Army in Buchenwald

22.4.1945 Ankunft von Siegfried in Leitmeritz; dann Theresienstadt;

8.5.1945 Befreiung von Siegfried in Theresienstadt nach Eintreffen der Roten Armee

6.7.1947 Siegfried und Margarete Tichauer auf der Belegungsliste des Gehringhofes

Alija beth nach Palästina

Insgesamt gingen  80  Mitglieder des Kibbuz Buchenwald vom Gehringshof und Gersfeld an Bord des Schiffes MATAROA (September 1945), mehr als 60 auf die „Tel Hai“ (März 1946), etwa ein Dutzend auf die  „Biria“ (Juli 1946), neunzehn auf der „Katriel Yaffe“ (August 1946) sowie etwa 40 weitere auf der „Ghetto Rebels“ (Mai 1947) und 20 auf der „Aliya“ (November 1947)

Das Schicksal der Familie

2.6.1942 Willy und Henriette Tichauer ab Beuthen nach Auschwitz

23.6.1942 Klara Tichauer ab Gleiwitz nach Auschwitz

August 1942 Vater Max deportiert ins KL Majdanek

Gedenken

Beisetzung auf dem Yarkon Cemetery, Petah Tiqwa

11.8.1977 Pages of Testimony für die Eltern von Bruder Wilhelm in Bad Kreuznach

Stolpersteine

Quellen

Friedel Tichauer, Leidensweg einer Frenundschaft, in: Wiehn Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010, Hartung Gorre Verlag

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de982108

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de982085

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de982036

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de982132

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://www.mappingthelives.org

https://yvng.yadvashem.org/ad

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch

Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten

Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947

https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/13.pdf

Arthur Posnanski, Auschwitz, in: Wiehn Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010, Hartung Gorre Verlag

Michel Martin

http://spurenimvest.de/2023/05/05/tichauer-erich/

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212441

https://collections.arolsen-archives.org/en/document/69451036

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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