Siegfried Shaul Kürschner
17.3.1922 in Magdeburg; ✡ 24.8.1922 in Shoval, Beer Sheva
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Louis Kürschner *15.5.1875 in Wongrowitz, Posen; ✡12.3.1943 in Theresienstadt
Mutter Margarete Weile *12.1.1888 in Schlochau; ✡ 5.11.1931 in Magdeburg
Onkel Adolf Abraham Kürschner *21.1.1871 in Wongrowitz; ✡20.2.1942 in Lodz
Tante Grete Küschner geb. Adam *7.6.1876 in Krone a.d. Brahe; ✡2.6.1942 in Lodz
Cousin Herbert Janus Kürschner *15.10.1907 in Blankenburg; ✡10.9.1942
Unklar evtl. Cousin
Hans Kürschner *6.5.1919 in Berlin; Hachschara Paderborn; 30.11.1941 in Riga-Rumbula
Geschwister keine
Beruf Landwirtschaftlicher Praktikant, Elektromechaniker
Adressen Magdeburg, Papenstraße 22; Berlin Charlottenburg, Goethestraße 9, Berlin Pankow, Mühlenstraße 24; Neuendorf im Sande
Heirat Ruth Rosenberg *26.12.1923 in Danzig; ✡29.4.2016 in Shoval, Beer Sheva
Kinder sechs
Orit Kürschner; oo Goldberg
Weiterer Lebensweg
Zuzug der Eltern von Schlochau nach Magdeburg; Vater wird Mitinhaber des Luxuswarengeschäftes „Gebrüder Weile“ der Brüder der Mutter
Die Schulferien verbringt Siegfried bei den Eltern des Kindermädchens auf dem Dorf
5.11.1931 die Mutter verstirbt an einer Krebserkrankung
1932 Siegfried Kürschner kommt von Magdeburg in den Haushalt seines Onkel Adolf Abraham Kürschner und Tante Grete nach Berlin
Das Jüdische Jugendwohnheim/Lehrlingsheim in Berlin Pankow
Siegfried Kürschner zur Ausbildung in den Lehrwerkstätten des Jüdischen Jugendwohnheim/Lehrlingsheim in Berlin Pankow, Mühlenstraße 24;
dort ist er zusammen mit Horst Goerke aus Magdeburg
Ursprünglich Lehrlingsheim mit Lehrwerkstätten für Tischler, Schneider und Schuster. Die Ausbildung in anderen Handwerksberufen fand in jüdischen Handwerksbetrieben statt. Langjähriger Direktor des Lehrlingsheims war von 1906 bis 1936 Oscar Israel.
Sommer 1935 nach Einrichtung eines jüdisches Jugendwohnheim zur Betreuung von sozial gefährdeten Jugendlichen offiziell „Jüdisches Jugendwohn- und Lehrlingsheim“. Im Dezember 1939 wurde das Haus zwangsgeräumt und die Insassen vertrieben,
17.5.1939 Siegfried Kürschner in Berlin Pankow bei Minderheiten-Volkszählung
17.5.1939 Onkel Adolf Kürschner in Berlin Charlottenburg bei Minderheiten-Volkszählung
Dezember 1939 nach Auflösung des Lehrlingsheim zur Hachschara ins Landwerk Neuendorf im Sande
Dort waren nach dem Kladovo-Transport Plätze frei geworden.
Alija Beth – Sonderhachschara VII – Paraguay- Untergang der PATRIA
Siegfried Kürschner aus Neuendorf auf Alija Beth
März 1940 die führenden jüdischen Funktionäre aus Berlin, Prag und Wien werden von SS-Sturmbannführer Adolf Eichmann ins Reichssicherheitshauptamt nach Berlin vorgeladen, um die illegalen „Sondertransporte“ nach Palästina zu forcieren; Ephraim Frank als Vertreter des erkrankten Lyon vom Palästinaamt und als designierter Transportführer dabei.
August 1940 abgemeldet aus Neuendorf, offiziell nach „Paraguay“, zunächst Zugfahrt nach Berlin
16.8.1940 mit dem Zug aus Berlin, Bahnhof Friedrichstraße fahren 350 Jugendliche und 150 Eltern, deren Kinder bereits Palästina-Pioniere in Palästina waren, nach Wien mit dem Ziel über die Schwarzmeerroute nach Haifa zu kommen; Transportführer war Ephraim Frank
Zwei bis drei Wochen in Wien, in einer jüdischen Schule oder Lehrlingsheim
3. 9.1940 mit dem Zug von Wien nach Pressburg/ Bratislava an die Donau;
10.9.1940 zum Donauhafen von Bratislava; dort Verteilung der Chalutzim auf die drei Ausflugsdampfer URANUS, MELK und SCHÖNBRUNN
10.-20.9.1940 von Bratislava nach Tulcea am Schwarzen Meer;
Anfang Oktober 1940 werden 1000 Flüchtlinge auf die drei Schiffe SS PACIFIC, SS MILOS und SS ATLANTIC verteilt, Deutsche auf die PACIFIC, Tschechen auf die MILOS.
Zwischenstopp im Hafen Agios Nikolaos, Kreta, um Kohle aufzunehmen
31.10.1940 von britischer Marine aufgebracht und in den Hafen von Haifa geleitet
1.11.1940 Ankunft der SS PACIFIC in Haifa.
3.11.1940 Ankunft der tschechischen Emigranten auf der SS MILOS, die ebenfalls auf die PATRIA verbracht werden
4.11.1940 Alle Passagiere der SS PACIFIC werden auf die SS PATRIA umgeschifft, dem von den Briten beschlagnahmten, als Truppentransporter umgebauten, großen französischen Frachtschiff (18 000 t)
8.11.1940 Registrierung im Camp Athlit; zunächst auch zur Deportation nach Mauritius vorgesehen
23. oder 24.11.1940 Ankunft der SS ATLANTIC in Haifa
25.11.1940 Sprengstoff-Anschlag der Haganah im Maschinenraum der SS PATRIA, zu diesem Zeitpunkt waren bereits 1771 Ma’apilim (illegale Immigranten) auf das Schiff gebracht.
Walter Steinitz, aus dem Umschulungslager Paderborn kommend, berichtet:
“ Am 25.November morgens um neun Uhr mussten alle auf die Reling, denn der Colonel hatte die Instruktion gegeben, aber um 9.12 Uhr hatte ein Kommando von 60-80 jungen Leuten ins Wasser zu springen, um die Engländer abzulenken, die mit kleinen Booten die Menschen auffischten. Zeitentsprechend zündete einer von uns eine Bombe, keine Zeitbombe, und ist mitgetötet worden. Es war der zweite Transportleiter – Hans Wendel. Niemand hatte von dieser Aktion gewußt – außer acht Leuten. Innerhalb von ein paar Minuten neigte sich das Schiff zur Seite. … Von den 4000 auf der SS PATRIA zusammengedrängten Menschen verloren etwa 260 ihr Leben.“ (ca 200 von 1771)
25.11.1940 Internierung in einer Lagerhalle im Hafen von Haifa; die von Bord gesprungenen werden in die Arrestzellen der Polizeiwache von Haifa; Serie von Verhören, insbesondere wenn sie von den Briten der Zugehörigkeit zur Haganah verdächtigt wurden.
26.11. und 8.12.1940 die Überlebenden der SS PATRIA werden mit Bussen in das Internierungscamp Atlith verbracht;
Dezember 1940 noch auf die Umladung wartenden 1581 Emigranten auf der MILOS und ATLANTIC werden als „Detainees“ mit holländischen Frachtschiffen nach Mauritius deportiert. Dort trafen sie am 26.12.1940 ein und wurden in das Zentralgefängnis von Mauritius nahe Beau Bassin verbracht.
1940 zunächst nur Freilassung kleiner Gruppen aus dem Camp Atlith, die eine Aufnahmeadresse in Palästina vorweisen können
September -Dezember 1941 Entlassung der meisten Internierten aus dem Camp Atlith
12.8.1945 Es sollte noch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dauern, bevor die 1.310 überlebenden Flüchtlinge aus Mauritius auf der SS FRANCONIA in das ersehnte Eretz Israel gebracht werden konnten.
Deportation der Familie
24.10.1941 Onkel Adolf, Tante Grete und Cousin Herbert auf Transport II ab Berlin in das Ghetto Lodz/Litzmannstadt
20.2.1942 Tod des Onkel Adolf im Ghetto Lodz
2.6.1942 Tod der Tante Grete im Ghetto Lodz
10.9.1942 Tod des Cousin Herbert im Ghetto Lodz
Zwangsumzug des Vaters in das „Judenhaus“ Brandenburger Str. 2a in Magdeburg
25. 12.1942 Vater Louis auf Transport XX/2 von Magdeburg in das Ghetto Theresienstadt
12. 3.1943 Tod des Vaters in Theresienstadt
Gedenken
Beisetzung der Mutter auf dem Israelitischen Friedhof am Fermersleber Weg in Magdeburg
8.7.2021 Stolperstein für den Vater Louis Kürschner in Magdeburg, Papenstraße 22/Johannes- Kirschstraße
Quellen
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1096804
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1096673
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1096917
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1096895
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/129819255
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/11242332
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
Manfred de Vries, Mauritius – Insel des Lebens, BtJ-Magazin, April 2019
https://www.ushmm.org/online/hsv/person_advance_search.php?SourceId=19584
https://www.ushmm.org/online/hsv/source_view.php?SourceId=19561