Gimnicher Ilse

Ilse Gittel Gimnicher

*12.7.1920 in Krefeld; ✡2.10.1983 in Melbourne

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Salomon Gimnicher *8.12.1881 in Grefrath; ✡ nach April 1942 in der Region Lublin

Heirat der Eltern 1919

Mutter Meta Fanni Appel *12.7.1891 in Frankfurt; ✡ nach April 1942 in der Region Lublin

Bruder

Max Rudi Gimnicher *19.3.1927 in Krefeld; ✡ nach April 1942 in der Region Lublin

Onkel Friedrich Gimnicher * 27.02.1890 in Crefeld; ✡5.4.1918 kriegsgefallen

Adressen Krefeld; Alt-Schermbeck;  

Heirat Nov. 1947 in Sydney Otto Samuel Strauss *2.4.1909 in Krefeld; 21.4.1994 Melbourne

Kinder eins

Vater Salomon als Frontsoldat im Ersten WK Mitglied des RjF Krefeld

5.4.1918 Onkel Fritz Gimnicher kriegsgefallen

Die Hachschara Bewegung

In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.

Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports „Ha’avara-Abkommen“ geschlossen.

Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachschara-Stätten (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).

So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.

Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1.000 Palästina-Pfund (LP) mitbringen mussten. Die „Jugend-Alijah“ brachte Jugendliche mit dem „Studentenzertifikat (Kategorie B(III)) zur Ausbildung nach Palästina. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.

Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.

Haus Berta am Freudenberg bei Alt-Schermbeck

Auf Betreiben von Leo Gompertz, Vorsitzender der RjF-Ortsgruppe Gelsenkirchen entstand 1934 auf dem Heide und Waldgelände des Julius Goldschmidt ein Jugend-und Ferienheim, Haus Berta, benannt nach der Mutter des Julius Goldschmidt. Die feierliche Eröffnung fand am 29.7.1934 im Beisein von reichsweiter RjF- und Rabbinats-Prominenz statt. Heimleiter wurde Dr. jur. Willi Stern, 1933 von den Nazis außer Dienst gestellter Amtsgerichtsrat aus Recklinghausen. Madrich für das erste Landsommerhalbjahr 1935 war Heinz Kahn (HaKa)aus Eschwege.

Die geistliche Betreuung übernahm der zuständige Bezirksrabbiner Dr. Selig Auerbach aus Recklinghausen. Das Ehepaar Leo und Rosa Auerbach war für die Hauswirtschaft zuständig, Ruth Stamm für den Jugendsport und die Gymnastik. Die vom Hamburger Oberrabbiner Dr. Joseph Carlebach empfohlene Edith Möller aus Hamburg-Altona führte die streng koschere Küche.

9. 12.1934-2.1.1935 BDJJ-Ortsgruppe Köln mit insgesamt 58 Jungen und Mädchen in das Winterlager in das Jugendheim Haus Berta in Schermbeck, eine Gründung des RjF Gelsenkirchen

20.1.1935 Delegierten-Tagung Jugend-Obleute von BDJJ und RJF aus Rheinland und Westfalen im „Haus Berta“ befasste sich mit der Zukunftsgestaltung in Deutschland, mit der Verbindung der Werten des Judentums und dem deutschen Kulturkreis wie auch insbesondere mit den beruflichen Perspektiven.

29.7.-18.-8.1935 Sommerlager des BdjJ in Haus Berta

Vom 10.5.-31.10.1935 fand das bereits an einer Hachschara ausgerichteten erste Landhalbjahr statt; Madrich war Heinz Kahn (HaKa) aus Eschwege.

29.7.-18.-8.1935 Ilse Gimnicher im Sommerlager des BdjJ in Haus Berta. Sie notiert eine der beim Morgenappell ausgegebenen Tagesparolen im ihrem Tagebuch:

„Ich will nicht eher von dem Fleck weichen, als bis ich das, was ich mir vorgenommen habe, in die Wirklichkeit umgesetzt habe.“

1935 Ilse Gimnicher erwähnt die Besichtigung der seit Jahren leerstehenden Synagoge von Schermbeck:

„Ich freute mich auf den nächsten Morgen, da 10 Leute nach Schermbeck in die alte Synagoge gingen. … Dort hinten an der Wand steht bescheiden und demütig einer der letzten Juden dieses Ortes. Im gelblichen abgeschabten Tallis. Wie sich dieser Mann in den Rahmen fügt! Wäre er nicht da, ich glaube, es fehlte etwas.“

Novemberpogrom

9./10.11.1938 Vater im Novemberpogrom verhaftet; Polizeigefängnis, KL Dachau

12.4.1939 Emigration von Ilse Gimnicher nach England

Deportation der Familie

Februar 1942 Vater Salomon vorgeladen zur Gestapo  wegen angeblich „staatsabträglicher Äußerungen“ in einem Brief an seinen Bruder Albert, den die Zensur abgefangen hatte; auf die sonst üblichen „staatspolizeilichen Maßnahmen“ wurde verzichtet, weil Salomon, Mutter Meta und der 15-jährige Max bereits auf den nächsten Transport eingeteilt waren

21.4.1942 Verbringung der Eltern und des Bruders in den Düsseldorfer Schlachthof

22.4.1942 Deportation in das Ghetto Izbica; in der Abgangsmeldung heißt es:

„Am Mittwoch dem 22.4.1942, 11.06 Uhr, hat Transportzug Nr. Da 52 den Abgangsbahnhof Düsseldorf-Derendorf in Richtung Izbica mit insgesamt 941 Juden verlassen.“

Quellen

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

http://www.familienbuch-euregio.de/genius/?person=360664

https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_rhl_420422.html

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/11199087

https://biografien.erinnerungsort.hs-duesseldorf.de/person/salomon-gimnicher-155

Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947

http://www.steinheim-institut.de/kalonymos/pdf/kalonymos_2022_2-4.pdf#page=20

https://archives.cjh.org/repositories/5/archival_objects/785194

https://archive.org/details/leogompertzcolle01gomp/page/n59/mode/1up?view=theater

http://www.holstina.de/history/hausberta.html

https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-345341#id20

http://www.dorsten-unterm-hakenkreuz.de/2012/05/28/haus-bertha-am-freudenberg-ein-lichtblick-und-kurzer-hoffnungsstrahl-fur-bedrangte-judische-kinder-aus-dem-reich-den-willen-zum-uberleben-gestarkt/

https://www.schermbeck-grenzenlos.de/index.php/aktuelles/2-uncategorised/17069-auf-den-spuren-der-geschichte-von-haus-berta

Carolin Huber, Jüdische Kindheit und Jugend im nationalsozialistischen Deutschland, Eine vergleichende Studie für die Städte Düsseldorf und Essen, Dissertation 2009

https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-12632/Ver%C3%B6ffentlichungsfassung%20Diss.%20Huber_pdf-a.pdf

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert