Artmann Irene

Irene Artmann geb. Katz

*1.2.1912 in Münzenberg; ✡1943 in Auschwitz

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Emil Katz *25.5.1878 in Münzenberg; ✡25.8.1969 in Sosua, Puerto Plata

Heirat der Eltern 24.6.1909 in Ober Mockstadt, Büdingen

Mutter Berta Meier *6.9.1882 in Ober Mockstadt; ✡ 30.12.1959 in Sosua, Puerto Plata

Geschwister

Martin Katz *15.9.1917 in Münzenberg; 27.2.2008 in Sosua; oo Rosa Reyes (*14.5.1928; ✡24.12.2002) in Sosua); Söhne Renee und Benny Katz

Beruf

Adressen Münzenberg; Jever; Bielefeld

Heirat Moshe Moritz David Artmann*3.5.1911 in Duisburg; ✡21.4.1944 in Auschwitz

Kinder –

Weiterer Lebensweg

Jüdische Gemeinde Münzenberg

10.11.1938 in der Pogromnacht werden das Kolonialwarengeschäft der Familie Katz und das Geschäft Stern geplündert

17.5.1939 Eltern und Bruder Martin in Münzenberg bei der Minderheiten-Volkszählung

Moritz Artmann in Aurich

17.1.1933 Moritz Artmann aus Minden kommend nach Aurich; gemeldet bei Fam. Wolff, Norderstraße 11, dann Osterstraße 16-18 (Familie Sternberg)

15. 8.1933 Ortswechsel nach Jever, Schlachtstraße 9 (Irene Katz war auch zeitweilig in Jever gemeldet)

Ende September 1933 wieder zu Familie Sternberg, Osterstraße 16-18

Anfang 1935 für 7 Monate in den Hammerkeweg 1 zu Familie Wolffs

4.9.1935 Abgemeldet aus Aurich nach Duisburg

Hachschara und Alija der Artmanns aus Duisburg

8.4.1935 Ankunft von Bruder Erich Artmann und Frau Miriam in Haifa

1936 Bruder Oscar Artmann zur Hachschara in Breslau

2.7.1936 Bruder Oscar Artmann zur Hachschara nach Dänemark

26.7.1937 Ankunft von Bruder Oscar Artmann mit Arbeiter-Zertifikat C 2 aus Dänemark über Chiasso, Triest in Haifa

Cousin Hermann zur Hachschara ins Landwerk Havelberg

Die erste Polenaktion, Abschiebung nach Zbaszyn

28.10.1938 viele Mitglieder der Familie Artmann nach Zbaszyn in der ersten Polenaktion

Das Sosua Siedlungsprojekt, Puerto Plata, Dominikanische Republik

Juli 1938 Flüchtlingskonferenz von Evian in einem französischen Badeort mit Vertretern von 32 Staaten.

Es gab nur eine einzige Zusage – und zwar die der Dominikanischen Republik – 10 000 Juden aufzunehmen, die später auf 100 000 erhöht wurde; und das unter dem brutalen Diktator und Hitler-Bewunderer General Rafael Trujillo Molina.

Die „Dominican Republic Settlement Association“ (Dorsa) erwarb von ihm 1939 für 100000 Dollar eine brachliegende ehemalige Bananenplantage in Sosúa . 800 jüdische Siedler kamen in der ersten Welle von 1940 bis 1942 in den ersten karibischen Kibbuz.

Bruder Martin in der ersten Siedlergruppe nach Sosua

Die Berliner Zeitung vom 13.5.2000 berichtet über Martin Katz:

So begab er sich auf ein Gut bei Spreenhagen in der Nähe von Berlin, wo ausreisewillige Juden im Rahmen der zionistischen Auswandererorganisation Hachscharah eine landwirtschaftliche Ausbildung erhielten. Sein Ziel war Palästina. Doch daraus wurde nichts, und nach Ausbruch des Krieges wurde es immer schwieriger, das Land zu verlassen. Dass ihm Martin Gerson, der für die Hachscharah in Deutschland zuständig war, einen Platz in der Gruppe anbot, die sich in der Dominikanischen Republik ansiedeln sollte, hat ihm wohl das Leben gerettet. Im März 1940 kehrte Martin Katz aus dem Brandenburgischen noch einmal nach Münzenberg zurück, das er dann am 19. April für immer verließ. Ganz regulär. Die polizeiliche Abmeldung hat er bis heute aufbewahrt. Mit dem Zug fuhr er über den Brenner nach Italien und von dort mit dem Schiff nach Ciudad Trujillo, wo er am 9. Mai 1940 an Land ging. Martin Katz gehörte zur ersten und zugleich letzten Gruppe, die direkt aus Deutschland in die Dominikanische Republik übersiedelte.

1940 wurde in den Hachscharalagern für die Emigration nach Sosua geworben, so fuhren auch Marianne Schüler und Herbert Rosenfeld aus dem Lager Paderborn auf der SS CONTE BIANCO MANO von Genua nach Santo Domingo; die Ausreisewilligen waren im April 1940 im Lager Kersdorf, Briesen zur Vorbereitung der Auswanderung nach Santo Domingo gesammelt worden;

19.10.1941 Abmeldung der Eltern aus Münzenberg zur Ausreise in die Dominikanische Republik

Das Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Schlosshofstraße 73 a

1939 Nach­dem zahl­rei­che, in Bie­le­feld le­ben­de Jü­din­nen und Ju­den in „Ju­den­häu­sern“ zwangs­ein­ge­wie­sen wur­den, schloss die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RVJD) mit den jeweiligen Städten Verträge zur Errichtung der Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Ko­blen­zer Stra­ße 4 und Paderborn, Grüner Weg 86;

Anfang September ent­stan­d für zu­nächst 36 Praktikanten ein Wohn- und Ar­beits­la­ger in der Ko­blen­zer Stra­ße 4 (heu­te: Ar­tur-La­de­beck Stra­ße 6). Das Haus beherbergte zuvor die Praxis des nach Holland geflüchteten Orthopäden Dr. med. Bernhard Mosberg.

23.3.1940 wegen der räumliche Enge Wechsel von 57 Bewohnern in das Lager in der Schloß­hof­stra­ße 73a, einem ehemaligen Gutshof.

Dort bestand auch eine Un­ter­kunft für alte und kran­ke Jü­din­nen und Ju­den („Sie­chen­heim“) als Ein­rich­tung der RVJD. Vom Lager aus wurden die Männer kolonnenweise bei den Straßen-, Tief- und Gleisbauarbeiten der Fa. Nebelung & Sohn eingesetzt.

1940 erfolgte ein Austausch männlicher Bewohner mit dem Umschulungslager Paderborn; die zionistischen Chawerim wechselten nach Paderborn und umgekehrt. Allein am 9. und 10.Juni 1940 kommen 10 Paderborner in das Lager in der Schloß­hof­stra­ße 73a.

30.10.1940 mit Ehefrau Irene aus Münzenberg ins Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Um­be­nen­nung „Jü­di­sches Ar­beits­ein­satz­lager Bielefeld“

Herbst 1942 Errichtung von Baracken für junge Familien auf dem Gelände.

Ende Februar/März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz deportiert, um den Arbeitskräftebedarf im Nebenlager Buna zu decken.

27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Bielefeld“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.

1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Bielefeld, mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz

Erwin Angress berichtet:

„In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht‘ ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“

2.3.1942 Moritz mit Ehefrau Irene aus dem Einsatzlager Bielefeld Schloßhofstraße nach Auschwitz

2.3.1943 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager Paderborn

3.3.1943 Ankunft und Selektion der ‚Alten Rampe‘ am Güterbahnhof von Auschwitz;

Ernst Michel berichtet:

„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“

Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943

„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 369035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“

Moritz eingewiesen in Auschwitz III zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, auf LKW in die Quarantäneblöcke des „Arbeitslager Buna“ gebracht; Tätowierung der „nichtarischen“ Häftlinge, Häftlingsnummer 104 893; Mithäftling Karl Polak:

„Wir wurden nacheinander auf einen Stuhl gesetzt, da war ein Schraubstock und wir mussten unseren linken Arm dort hineinzwängen, und er wurde so festgezogen, dass wir den Arm nicht bewegen konnten. Darauf kam ein Häftling und hat uns die Nummer hineintätowiert.“

21.4.1944 Tod von Ehemann Moritz in Auschwitz

13.12.1945 Suchanzeige von Schwager Erich „Private (Soldat) im 220. Pioneer Corps BAOR“, Nottingham für Moritz und Irene Artmann

Gedenken

1952 Pages of Testimony für Moshe David und Irene Artmann von Otto Artmann, von Oscar Artmann und für ihre Familie aus Bochum von Miriam Lustmann Artmann

Grabstein des Vaters in Sosua

Quellen

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de833583

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de833552

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1556034

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1191482

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1675982

https://www.statistik-des-holocaust.de/OT430302_1.jpg

https://www.alemannia-judaica.de/muenzenberg_synagoge.htm

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://www.berliner-zeitung.de/als-europa-den-verfolgten-juden-die-tueren-verschloss-versprach-general-rafael-trujillo-den-bedraengten-menschen-eine-zuflucht-in-seinem-diktatorisch-regierten-karibikstaat-der-alte-mann-von-sosua-li.52182

Hans-Ulrich Dillmann, Susanne Heim: „Fluchtpunkt Karibik – Jüdische Emigration in der Dominikanischen Republik“. Christoph Links Verlag, Berlin 2009, 188 Seiten.

https://www.spiegel.de/geschichte/exil-in-der-karibik-a-948627.html

Bertha and Emil Katz (Oma and Opa)

www.80jahrepogrom.jgpb.de/erwin-angress/

https://stolpersteineaurich.wordpress.com/2010/01/02/moritz-artmann/

Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7

https://www.kalkar.de/C125757B004FB233/files/geschichte_der_juedischen_schule.pdf/$file/geschichte_der_juedischen_schule.pdf?OpenElement

Oskar Artmann, Angesehen und wohlhabend. Jüdische Familie in Kalkar zwischen 1917 und 1934, in: Kalender für das Klever Land auf das Jahr 1983, Seite 40

1938-1988 – Schicksal einer jüdischen Familie, Zeugenberichte von Karl Polak über sieben Jahre Verfolgung

https://yvng.yadvashem.org/ad

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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