
Günther Eliezer Roberg
*11.4.1921 in Lemförde; ✡29.3.2014 in Haifa
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Alfred Roberg *29.8.1882 in Diepholz; ✡Sept 1932 in Diepholz

Mutter Sofie Philipps *26.6.1890 in Oberhausen; nach März 1942 Ghetto Warschau
Großeltern Leser und Bertha Roberg
Großeltern Emil Philipps *3. 2. 1864 aus Oberhausen; Kätchen Vasen (✡1937 in Diepholz)
Geschwister
Heinz Jakob Roberg *11.5.1919 in Lemförde, Diepholz; ✡ nach 1942 in Polen
Beruf Bäcker, landwirtschaftlicher Praktikant
Adressen Diepholz, Lange Straße 22; Steckelsdorf bei Rathenow im Landkreis Jerichow;
Heirat Lore de Beer *28.4.1930 in Bad Homburg; 1933 nach Palästina;✡30.4.2017
Tochter Dalia Roberg
Weiterer Lebensweg

Ostern 1927 -1935 Volksschule
1928 Umzug der Familie nach Hannover
1930 Rückkehr nach Diepholz; Kauf des „2. Pastorenhauses“ in Diepholz, Lange Straße 22
1930 -1935 in Diepholz; Besuch der Lübkemann-Schule, später Mittelschule
30.4.1935 als Bäckerlehrling in einer jüdischen Bäckerei in Hannover, Engelbosteler Damm
Die erste Polenaktion in Hannover – Familie Grynspan
Als Bäckerjunge hatte Günter Roberg bei der Familie Grynspan, den Eltern des Attentäters von Paris Hersch Grynspan, täglich Brot und Brötchen ausgeliefert.
Die Familie war ja am 28.10.1938 nach Zbaszyn abgeschoben worden.
So kam er auch nach dem Attentat in die von Gestapo bewachte verwüstete Wohnung der Grynspans, um Brötchen auszuliefern, wird aber von den Polzisten rüde verscheucht.
Novemberpogrom in Diepholz
10.11.1938 Novemberpogrom in Diepholz; Günter Roberg kommt aus Hannover zur Mutter und Großvater Philipps zurück;
2010 gibt er den Bericht seiner Mutter wieder:
„Früh um 7 Uhr marschierte eine Gruppe von SA-Leuten vor unser Haus und umzingelte dieses. Meine Mutter und mein Großvater waren damals allein im Haus, wurden von dem Aufmarsch wach, als sie hörten wie alle Fensterscheiben klirrten, die Haustür aufgebrochen wurde und in ganz kurzer Zeit war die Einrichtung unseres Hauses nur noch ein Trümmerhaufen. Es war nicht mal ein Glas ganz oder ein Gerät um daraus etwas Wasser zu trinken. Meine Mutter und mein Großvater wurden verhaftet. Der Polizist führte alle Diepholzer Juden in das Schloßgefängnis.“
„Während der Ereignisse kam plötzlich unser Gendarm (Polizeioberwachtmeister Heinrich Schneidewind) herein, nahm seine Pistole und hat sie meiner Mutter vorgesetzt. Da hat sie gesagt: ‚Schieß doch schon.‘ Er erwiderte: ‚Ich würde ja schießen, aber da müsste ich ja hinterher den Spachtel nehmen und den Dreck wegmachen.‘“
10.11.1938 Bruder Heinz verhaftet im Novemberpogrom in Würzburg
16.11.1938 Bruder Heinz interniert in „Schutzhaft“ im KL Dachau, Häftlingsnummer 27319
17.1.1939 Entlassung von Bruder Heinz aus dem KL Dachau
17.5.1939 Günter Roberg in Lübeck bei Minderheiten-Volkszählung
Das jüdische Umschulungslager Steckelsdorf-Ausbau
Frühjahr 1939 Bruder Heinz zur Hachschara in das jüdische Umschulungslager Landwerk Steckelsdorf-Ausbau bei Rathenow im Landkreis Jerichow II; Träger ist der Bachad, 1928 gegründete Jugendorganisation des orthodox-jüdischen Misrachi; das hebräische Akronym בָּחָ״ד BaChaD steht für Brit Chaluzim Datiim, deutsch ‚Bund religiöser Pioniere‘; Träger war zuletzt die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland RVJD. Das Anwesen gehörte als Jagdvilla einem Berliner Industriellen, der es einschließlich der dazugehörigen Gärtnerei 1936/37 seiner Jüdischen Gemeinde zur Einrichtung eines Erholungsheims schenkte.
Günter Roberg zunächst auf Einzelhachschara bei einem Bauern in Lübeck

Günter Roberg von 1939 bis August 1940 ebenfalls in Steckelsdorf
1940 Bruder Heinz Madrich in Steckelsdorf neben Chaim Grosz und Richard Heymann, will seine Chaluzim nicht verlassen und bleibt in Steckelsdorf
Alija Beth – Sonderhachschara VII – der Paraguay-Transport
10.8.1940 Günter Roberg verabschiedet sich von der Gemeinde auf dem jüdischen Friedhof in Diepholz
14.8.1940 Günter Roberg abgemeldet aus Steckelsdorf, zunächst Zugfahrt nach Berlin
16.8.1940 mit dem Zug aus Berlin, Bahnhof Friedrichstraße fahren 350 Jugendliche und 150 Eltern, die bereits Kinder in Palästina hatten, nach Wien mit dem Ziel über die Schwarzmeerroute nach Haifa zu kommen; Transportführer war Ephraim Frank
30.8.1940 mit einer Gruppe von 29 Chawerim aus Paderborn offiziell abgemeldet nach „Paraguay“
Zwei bis drei Wochen in Wien, in einer jüdischen Schule oder Lehrlingsheim
3. 9.1940 mit dem Zug von Wien nach Pressburg/ Bratislava an die Donau;
10.9.1940 zum Donauhafen von Bratislava; dort Verteilung der Chalutzim auf die drei Ausflugsdampfer URANUS, MELK und SCHÖNBRUNN
10.-20.9.1940 von Bratislava nach Tulcea am Schwarzen Meer;
Anfang Oktober 1940 werden 1000 Flüchtlinge auf die drei Schiffe SS PACIFIC, SS MILOS und SS ATLANTIC verteilt, Deutsche auf die PACIFIC, Tschechen auf die MILOS.
Zwischenstopp im Hafen Agios Nikolaos, Kreta, um Kohle aufzunehmen
31.10.1940 von britischer Marine aufgebracht und in den Hafen von Haifa geleitet
1.11.1940 Ankunft der SS PACIFIC in Haifa.
3.11.1940 Ankunft der tschechischen Emigranten auf der SS MILOS, die ebenfalls auf die PATRIA verbracht werden
4.11.1940 Alle Passagiere der SS PACIFIC werden auf die SS PATRIA umgeschifft, dem von den Briten beschlagnahmten, als Truppentransporter umgebauten, großen französischen Frachtschiff (18 000 t)
8.11.1940 Registrierung im Camp Atlith; gibt als Referenz Walter Phillipsohn, Pardess Channa
An; zunächst auch zur Deportation nach Mauritius vorgesehen
23. oder 24.11.1940 Ankunft der SS ATLANTIC in Haifa
25.11.1940 Sprengstoff-Anschlag der Haganah im Maschinenraum der SS PATRIA, zu diesem Zeitpunkt waren bereits 1771 Ma’apilim (illegale Immigranten) auf das Schiff gebracht.
Walter Steinitz, ebenfalls aus dem Umschulungslager Paderborn kommend, berichtet:
“ Am 25.November morgens um neun Uhr mussten alle auf die Reling, denn der Colonel hatte die Instruktion gegeben, aber um 9.12 Uhr hatte ein Kommando von 60-80 jungen Leuten ins Wasser zu springen, um die Engländer abzulenken, die mit kleinen Booten die Menschen auffischten. Zeitentsprechend zündete einer von uns eine Bombe, keine Zeitbombe, und ist mitgetötet worden. Es war der zweite Transportleiter – Hans Wendel. Niemand hatte von dieser Aktion gewußt – außer acht Leuten. Innerhalb von ein paar Minuten neigte sich das Schiff zur Seite. … Von den 4000 auf der SS PATRIA zusammengedrängten Menschen verloren etwa 260 ihr Leben.“ (ca 200 von 1771)
25.11.1940 Internierung in einer Lagerhalle im Hafen von Haifa; die von Bord gesprungenen werden in die Arrestzellen der Polizeiwache von Haifa; Serie von Verhören, insbesondere wenn sie von den Briten der Zugehörigkeit zur Haganah verdächtigt wurden.
26.11. und 8.12.1940 die Überlebenden der SS PATRIA werden mit Bussen in das Internierungscamp Atlith verbracht;
Dezember 1940 noch auf die Umladung wartenden 1581 Emigranten auf der MILOS und ATLANTIC werden als „Detainees“ mit holländischen Frachtschiffen nach Mauritius deportiert. Dort trafen sie am 26.12.1940 ein und wurden in das Zentralgefängnis von Mauritius nahe Beau Bassin verbracht.
1940 zunächst nur Freilassung kleiner Gruppen aus dem Camp Atlith, die eine Aufnahmeadresse in Palästina vorweisen können

September -Dezember 1941 Entlassung der meisten Internierten aus dem Camp Atlith

12.8.1945 Es sollte noch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dauern, bevor die 1.310 überlebenden Flüchtlinge aus Mauritius auf der SS FRANCONIA in das ersehnte Eretz Israel gebracht werden konnten.
6.4.1945 (laut Einbürgerungsantrag) Ankunft in Haifa
11.5. 1947 Einbürgerung
1948 Als Soldat Teilnahme am Unabhängigkeitskrieg; in der Armee lernt er die Soldatin Lore de Beer kennen.
1950 Heirat mit Lore Beer
1972 erster Besuch Mal mit seiner Frau und Tochter in Diepholz
9.11. 1997 Günter Roberg hält als letzter lebender Jude aus Diepholz die Rede zur Einweihung des Mahnmals auf dem jüdischen Friedhof, entstanden aus den von Nazis zertrümerten jüdischen Grabsteinen.
2010 erneut zu Besuch in Diepholz, er wird mit der Ehrenbürgerschaft geehrt
Er lebte zuletzt in Kiryat Bialik bei Haifa
29.3.2014 Tod in Kiryat Bialik bei Haifa
Gedenken
1956 Pages of Testimony von Günter Eliezer Roberg für seine Familie
Quellen
https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=9970171
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de950134
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de950125
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947
Einreiselisten Israel
Hilmar Kurth (Hrsg), Günter Kurt erinnert sich; Schröderscher Buchverlag
https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/13.pdf
Bettina L. Götze, Landwerk Steckelsdorf-Ausbau, in: Hachschara als Erinnerungsort.
<https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/13> [24.03.2024]
Ezra BenGershôm David. Aufzeichnungen eines Überlebenden, Evangelische Verlagsanstalt 1989
Bettina Götze, Rathenow, in: Irene Annemarie Diekmann (Hrsg.), Jüdisches Brandenburg. Verlag für Berlin-Brandenburg 2008. S. 304–328