Heinz Jakob Roberg
*11.5.1919 in Lemförde, Diepholz; ✡ nach 1942 in Polen
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Alfred Roberg *29.8.1882 in Diepholz; ✡Sept 1932 in Diepholz
Mutter Sofie Philipps *26.6.1890 in Oberhausen; ✡nach März 1942 Ghetto Warschau
Großeltern Leser und Bertha Roberg
Großeltern Emil Philipps *3. 2. 1864 aus Oberhausen; Kätchen Vasen (✡1937 in Diepholz)
Geschwister
11.4.1921 in Lemförde; ✡29.3.2014 in Haifa; oo Lore de Beer (1930-2017)
Beruf Lehramtsstudent in Würzburg; Lehrer; landwirtschaftlicher Praktikant
Adressen Diepholz, Lange Straße 22; Würzburg, Bibrastraße 8; Steckelsdorf bei Rathenow im Landkreis Jerichow;
Heirat ledig
Kinder –
Weiterer Lebensweg
Ostern 1926 -1934 Volksschule
1928 Umzug der Familie nach Hannover
1930 Rückkehr nach Diepholz; Kauf des „2. Pastorenhauses“ in Diepholz, Lange Straße 22
1930 -1936 in Diepholz
1936 nach Hamburg
Zur Rabbinerausbildung nach Würzburg
Novemberpogrom in Diepholz
10.11.1938 Novemberpogrom in Diepholz; Günter Roberg ist in Hannover;
2010 gibt er den Bericht seiner Mutter wieder:
„Früh um 7 Uhr marschierte eine Gruppe von SA-Leuten vor unser Haus und umzingelte dieses. Meine Mutter und mein Großvater waren damals allein im Haus, wurden von dem Aufmarsch wach, als sie hörten wie alle Fensterscheiben klirrten, die Haustür aufgebrochen wurde und in ganz kurzer Zeit war die Einrichtung unseres Hauses nur noch ein Trümmerhaufen. Es war nicht mal ein Glas ganz oder ein Gerät um daraus etwas Wasser zu trinken. Meine Mutter und mein Großvater wurden verhaftet. Der Polizist führte alle Diepholzer Juden in das Schloßgefängnis.“
„Während der Ereignisse kam plötzlich unser Gendarm (Polizeioberwachtmeister Heinrich Schneidewind) herein, nahm seine Pistole und hat sie meiner Mutter vorgesetzt. Da hat sie gesagt: ‚Schieß doch schon.‘ Er erwiderte: ‚Ich würde ja schießen, aber da müsste ich ja hinterher den Spachtel nehmen und den Dreck wegmachen.‘“
10.11.1938 Heinz Roberg verhaftet in Würzburg im Novemberpogrom
16.11.1938 interniert in „Schutzhaft“ im KL Dachau, Häftlingsnummer 27319
17.1.1939 Entlassung aus dem KL Dachau
18.1.1939 abgemeldet aus Würzburg, Bibrastraße 8 nach Diepholz; in der Bibrastraße befand sich bis Ende 1938 die Israelitische Lehrerbildungsanstalt
17.5.1939 Günter Roberg in Lübeck bei Minderheiten-Volkszählung
Das jüdische Umschulungslager Steckelsdorf-Ausbau
Frühjahr 1939 Heinz Roberg zur Hachschara in das jüdische Umschulungslager Landwerk Steckelsdorf-Ausbau bei Rathenow im Landkreis Jerichow II; Träger ist der Bachad, 1928 gegründete Jugendorganisation des orthodox-jüdischen Misrachi; das hebräische Akronym בָּחָ״ד BaChaD steht für Brit Chaluzim Datiim, deutsch ‚Bund religiöser Pioniere‘; Träger war zuletzt die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland RVJD. Das Anwesen gehörte als Jagdvilla einem Berliner Industriellen, der es einschließlich der dazugehörigen Gärtnerei 1936/37 seiner Jüdischen Gemeinde zur Einrichtung eines Erholungsheims schenkte.
17.5.1939 Heinz Roberg in Steckelsdorf bei Minderheiten-Volkszählung
Bruder Günter 1939 bis August 1940 ebenfalls in Steckelsdorf
Bruder Günter auf Alija Beth – Sonderhachschara VII
1940 Heinz ist Madrich in Steckelsdorf neben Chaim Grosz und Richard Heymann, er will seine Chaluzim nicht verlassen und bleibt in Steckelsdorf
10.8.1940 Bruder Günther abgemeldet aus Steckelsdorf, zunächst Zugfahrt nach Berlin
16.8.1940 mit dem Zug aus Deutschland fahren 350 Jugendliche und 150 Eltern, die bereits Kinder in Palästina hatten, nach Wien mit dem Ziel über die Schwarzmeerroute nach Haifa zu kommen; Transportführer war Ephraim Frank
30.8.1940 mit einer Gruppe von 29 Chawerim aus Paderborn offiziell abgemeldet nach „Paraguay“
Zwei bis drei Wochen in Wien, in einer jüdischen Schule oder Lehrlingsheim
3. 9.1940 mit dem Zug von Wien nach Pressburg/ Bratislava an die Donau;
10.9.1940 zum Donauhafen von Bratislava; dort Verteilung der Chalutzim auf die drei Ausflugsdampfer URANUS, MELK und SCHÖNBRUNN
10.-20.9.1940 von Bratislava nach Tulcea am Schwarzen Meer;
Anfang Oktober 1940 werden 1000 Flüchtlinge auf die drei Schiffe SS PACIFIC, SS MILOS und SS ATLANTIC verteilt, Deutsche auf die PACIFIC, Tschechen auf die MILOS.
Zwischenstopp im Hafen Agios Nikolaos, Kreta, um Kohle aufzunehmen
31.10.1940 von britischer Marine aufgebracht und in den Hafen von Haifa geleitet
1.11.1940 Ankunft der SS PACIFIC in Haifa.
3.11.1940 Ankunft der tschechischen Emigranten auf der SS MILOS, die ebenfalls auf die PATRIA verbracht werden
4.11.1940 Alle Passagiere der SS PACIFIC werden auf die SS PATRIA umgeschifft, dem von den Briten beschlagnahmten, als Truppentransporter umgebauten, großen französischen Frachtschiff (18 000 t)
8.11.1940 Registrierung im Camp Atlith
zunächst auch zur Deportation nach Mauritius vorgesehen
23. oder 24.11.1940 Ankunft der SS ATLANTIC in Haifa
25.11.1940 Sprengstoff-Anschlag der Haganah im Maschinenraum der SS PATRIA, zu diesem Zeitpunkt waren bereits 1771 Ma’apilim (illegale Immigranten) auf das Schiff gebracht.
Walter Steinitz, ebenfalls aus dem Umschulungslager Paderborn kommend, berichtet:
“ Am 25.November morgens um neun Uhr mussten alle auf die Reling, denn der Colonel hatte die Instruktion gegeben, aber um 9.12 Uhr hatte ein Kommando von 60-80 jungen Leuten ins Wasser zu springen, um die Engländer abzulenken, die mit kleinen Booten die Menschen auffischten. Zeitentsprechend zündete einer von uns eine Bombe, keine Zeitbombe, und ist mitgetötet worden. Es war der zweite Transportleiter – Hans Wendel. Niemand hatte von dieser Aktion gewußt – außer acht Leuten. Innerhalb von ein paar Minuten neigte sich das Schiff zur Seite. … Von den 4000 auf der SS PATRIA zusammengedrängten Menschen verloren etwa 260 ihr Leben.“ (ca 200 von 1771)
25.11.1940 Internierung in einer Lagerhalle im Hafen von Haifa; die von Bord gesprungenen werden in die Arrestzellen der Polizeiwache von Haifa; Serie von Verhören, insbesondere wenn sie von den Briten der Zugehörigkeit zur Haganah verdächtigt wurden.
26.11. und 8.12.1940 die Überlebenden der SS PATRIA werden mit Bussen in das Internierungscamp Atlith verbracht;
Dezember 1940 noch auf die Umladung wartenden 1581 Emigranten auf der MILOS und ATLANTIC werden als „Detainees“ mit holländischen Frachtschiffen nach Mauritius deportiert. Dort trafen sie am 26.12.1940 ein und wurden in das Zentralgefängnis von Mauritius nahe Beau Bassin verbracht.
1940 zunächst nur Freilassung kleiner Gruppen aus dem Camp Atlith, die eine Aufnahmeadresse in Palästina vorweisen können
September -Dezember 1941 Entlassung der meisten Internierten aus dem Camp Atlith
12.8.1945 Es sollte noch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dauern, bevor die 1.310 überlebenden Flüchtlinge aus Mauritius auf der SS FRANCONIA in das ersehnte Eretz Israel gebracht werden konnten.
30.11.1941 Heinz schreibt „Rot-Kreuz-Brief“ aus Steckelsdorf an Bruder Günter im Camp Atlith
28.3.1942 Verbringung aus Lemförde ins Sammellager Hannover-Ahlem
31.3.1942 mit der Mutter Sofie und Tante Martha Roberg auf dem Transport Gelsenkirchen – Münster, ab Hannover ins Ghetto Warschau
Keine weiteren Daten bekannt
Gedenken
23.10.1955 Pages of Testimony von Bruder Günter Eliezer Roberg
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de950134
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de950125
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de950131
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_nwd_420401-41.html
https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=9970171
Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947
Einreiselisten Israel
https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/13.pdf
Bettina L. Götze, Landwerk Steckelsdorf-Ausbau, in: Hachschara als Erinnerungsort.
<https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/13> [24.03.2024]
Ezra BenGershôm David. Aufzeichnungen eines Überlebenden, Evangelische Verlagsanstalt 1989
Bettina Götze, Rathenow, in: Irene Annemarie Diekmann (Hrsg.), Jüdisches Brandenburg. Verlag für Berlin-Brandenburg 2008. S. 304–328