
Kurt Julius Friedberg
*12.5.1920 in Miehlen, St. Goarshausen; ✡ 11.6.1986 Kwuzat Jawne
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Emil Friedberg *1874; ✡ 1934
Mutter Ida Hammel *1879; ✡ 1937 Kwuzat Jawne
Geschwister sieben
Erna Friedberg *13.7.1903 in Miehlen; 4.3.1943 in Auschwitz; oo Grünewald
Alfred Friedberg *1907-1978 USA
Alma Freidberg*1907- 1978 USA; oo Neuhaus
Rosel Friedberg *1911-1983; oo Richard Greenold
Lotte Friedberg *1912-1985; oo Rees
Hilde Friedberg *30.5.1914in Miehlen; ✡Mai 1967; oo Moses
Max Mordechai Friedberg *in Miehlen; ✡?; oo Ida Flum*19.9.1917, ✡3. 9.2001 in Givat Brenner
Beruf landwirtschaftlicher Praktikant
Adressen ; Steckelsdorf bei Rathenow im Landkreis Jerichow;
Heirat Ester Metzger *2.12.1920; ✡22.5.2009 in Kwuzat Jawne
Kinder
Miriam Friedberg *3.11.1949 ; ✡2015; oo Detz
Weiterer Lebensweg
Vater Emil Friedberg betrieb in Miehlen ein Kaufhaus für Lebensmittel, Konfektionen, Stoffe allerArt, Betten mit Matratzen und Fahrräder mit Ersatzteilen. Bruder Alfred Friedberg beschrieb das Kaufhaus später:
„Nach hiesigen ländlichen Maßstäben hatte das Geschäft einen bedeutenden Umfang. Der Kundenkreis bestand nicht nur aus den Einwohnern von Miehlen, sondern auch aus einer
größeren Anzahl der Einwohner von Orten aus der Umgebung.“
1.4.1933 April-Boykott; ein Bett, das von einem Miehlener Bürger im Kaufhaus des Vaters Emil Friedberg gekauft wurde, wurde von einem NSDAP-Mann in den Mühlbach geworfen.
16.10.1933 Bruder Max Friedberg verlässt als erster jüdischer Bürger Miehlen.
1933/34 erste Judenaktionen in Miehlen, die Fensterscheiben bei Vater Emil werden eingeschlagen.
6.7.1936 Max Friedberg von Diez abgemeldet nach Palästina
9.!10.11.1938 Ausschreitungen in der Pogromnacht in Miehlen; der Befehl zur Durchführung der Judenaktion im Kreis St. Goarshausen wurde am 9. November nachmittags durch die Kreisleitung in
St. Goarshausen an die örtlichen Stellen durchgegeben.
November 1938 jüdische Bürger noch in Miehlen: die Familie Strauß sowie die Geschwister Alfred und Hildegard Friedberg, die aber in Stuttgart bei US-Botschaft waren, um ein Einreisevisum für die USA zu erhalten. Im Kaufhaus Friedberg wurden die Lagerbestände des Geschäftes sowie auch persönliches Eigentum der Familie zu einem großen Teil zerstört bzw. geplündert.
Eine Zeitzeugin berichtet:
,,mehrere Personen sah ich im Kaufhaus von Friedberg dauernd mit Taschenlampen umhergehen. Sie warfen Gegenstände aus dem Fenster, die von außenstehenden Frauen fortgetragen wurden. Die Personen waren bis morgens um 3.30 Uhr im Hause“
Ein weiterer Zeuge:
„am Geschäft und Wohnhaus Friedberg die Fensterscheiben eingeschlagen, die Straße lag voller Scherben und Einrichtungssachen..“
Bruder Alfred emigriert in die USA, Schwester Hilde nach Palästina.
17.5.1939 Kurt Julius Friedberg in Steckelsdorf bei Minderheiten-Volkszählung
29.9.1939 Ester Metzger bei britischen Census in Hendon als Haushilfe
Das jüdische Umschulungslager Steckelsdorf-Ausbau
Kurt Julius Friedberg zur Hachschara in das jüdische Umschulungslager Landwerk Steckelsdorf-Ausbau bei Rathenow im Landkreis Jerichow II; Träger ist der Bachad, 1928 gegründete Jugendorganisation des orthodox-jüdischen Misrachi; das hebräische Akronym בָּחָ״ד BaChaD steht für Brit Chaluzim Datiim, deutsch ‚Bund religiöser Pioniere‘; Träger war zuletzt die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland RVJD. Das Anwesen gehörte als Jagdvilla einem Berliner Industriellen, der es einschließlich der dazugehörigen Gärtnerei 1936/37 seiner Jüdischen Gemeinde zur Einrichtung eines Erholungsheims schenkte.
Lagerleiter/Madrichim waren Sigmar Bromberger, Manfred und Schoschana Litten, Dr. Benjamin Abrahamson, Herbert Schönewald, Werner Hoffbauer, Friedrich Löwenthal, ab 1941 Kurt Silberpfennig
Madrichim 1939/40 Chaim Grosz, Joachim Lippmann und Richard Heymann
10.11.1938 Novemberpogrom in Steckelsdorf, am Abend wurde das Landwerk gestürmt und verwüstet. Alle männlichen Funktionsträger wie Betriebsleiter Werner Hoffbauer, Simon Berlinger, Adolf Frohmann, Friedrich Löwenthal und Herbert Schönewald verhaftet ins Polizeigefängnis Magdeburg und später als „Schutzhäftlinge“ nach Buchenwald gebracht.
21.11.1938 Entlassung der Steckelsdorf Madrichim Simon Berlinger, Adolf Frohmann, Friedrich Löwenthal und Herbert Schönewald aus dem KL Buchenwald
1939 Instandsetzung und Übernahme von Steckelsdorf durch die RVJD
1.9.1939 Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen
Kurt Julius Friedberg emigriert – vermutlich noch 1939 nach England und nach dem Krieg – nach Palästina
Fabrikaktion in Westfalen
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert

1.3.1943 Schwester Erna Grünewald wohnhaft in Neheim, mit Mann und Kindern ab Dortmund nach Auschwitz
2.3.1943 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager
3.3.1943 Ankunft und Selektion der ‚Alten Rampe‘ am Güterbahnhof von Auschwitz;
Ernst Michel berichtet:
„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“
Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943
„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“
Gedenken
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Quellen
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de880689
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://www.mappingthelives.org
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_wfn_43a.html
https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20400/Nastaetten%20Miehlen%20Sachor%201-97.pdf
Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten
Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947
https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/13.pdf
Bettina L. Götze, Landwerk Steckelsdorf-Ausbau, in: Hachschara als Erinnerungsort.
<https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/13> [24.03.2024]
Ezra Ben Gershôm David. Aufzeichnungen eines Überlebenden, Evangelische Verlagsanstalt 1989
Joel König (Ezra Ben Gershom), Den Netzen entronnen, Vandenhoeck u. Ruprecht 1967
Bettina Götze, Rathenow, in: Irene Annemarie Diekmann (Hrsg.), Jüdisches Brandenburg. Verlag für Berlin-Brandenburg 2008. S. 304–328
Jizchak Schwersenz: Die versteckte Gruppe. Ein jüdischer Lehrer erinnert sich an Deutschland. Berlin: Wichern Verlag 1988
Michael Wermke: Ein letztes Treffen im August 1941. Kurt Silberpfennig und die Praxis religiös-zionistischer Pädagogik, Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland. Münster: Waxmann 2020
Anneliese Ora-Borinski, Erinnerungen 1940 – 1943, Kwuzat Maayan-Zwi, Israel 1970