Artur Posnanski
*30.7.1912 in Berlin; ✡ 6.1.1998 in Tel Aviv
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Alexander Posnanski *10.9.1873 in Berlin; ✡21.5.1943 in Theresienstadt
Mutter Hanna Seidenberg *13.4.1880 in Ostrow; ✡ 21.5.1944 in Auschwitz
Geschwister
Lotte Posnanski *12.6.1911 in Berlin; ✡1.7.1973 in Melbourne; oo Leo Fabian (1910-2000)
Max Walter Posnanski (Dov Paz) *17.1.1920 in Berlin; ✡25.9.2010; oo Ruth Windmüller (Foto Ghetto Fighter House)
Beruf Stenotypist; Händler;
Adressen Berlin Lothringer Straße 71
Verlobung 1940 mit Susanne Suse Gattel *17.8.1925 in Breslau; ✡1945 auf dem Transport nach Bergen-Belsen bei Fluchtversuch in Celle erschossen
Heirat Bergler
Kinder zwei Töchter
oo Gronsky; oo Paz
Weiterer Lebensweg
1919 Einschulung Volksschule
jüdische Mittelschule an der Großen Hamburger Straße bis zur 9. Klasse
1926 Eintritt in die JLJ Jüdische liberale Jugend
Ostern 1928 Abschluss mittlere Reife,
Volkshochschulkurse
1928-1938 nach einer Lehre als kaufmännischer Angestellter tätig;
1933-1938 nach Ablegen des Fürsorgeexamens ehrenamtlicher Leiter der jüdischen Jugendhilfe Berlin-Mitte; Zusammenarbeit mit Arthur Selbiger
Sommer 1935 begleitet 120 jüdische Waisenkinder über Stettin nach Kopenhagen ins Sommerlager nach Dänemark, u.a. Jürgen Loewenstein
2.8.1936 Schwester Lotte heiratet in Berlin Leo Fabian
Posnanski in Horserod; Foto Norbert Wollheim
1938 begleitet Kindertransport für 30 jüdische Kinder nach Horserod in Schweden
1938 Schwester Lotte nach England; später Australien
Februar 1939 Nachfolger von Alfred Selbiger als Leiter, Madrich im Hachscharalager auf dem Jagdgehöft Barella, Waldgehöft in Havelberg, Damlacker Weg (Jagdgehöft Barella im Besitz von Rechtsanwalt Siegfried Freund aus Berlin; bestand von 1935 -Sommer 1941)
17.5.1939 Bruder Walter mit den Eltern in Berlin Mitte bei Minderheiten-Volkszählung
20.6.1939 Bruder Walter ins Werkdorp Wieringer Meer zur Hachschara
Februar 1939- April 1940 Madrich/Leiter einer Jugendgruppe im Hachscharalager Havelberg
April 1940 Artur Nachfolger von Herbert Growald der letzte Madrich im Landwerk Ahrensdorf (laut Posnanski der siebente??), Madricha Anne-Ora Borinski (seit 1939)
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager auch von Ahrensdorf
Sommer 1941 geht mit den verbliebenen 48 Chawerim ins Landwerk Neuendorf; von diesen werden 7 nach Ahrensdorf zurückgeschickt für Aufräumarbeiten und am 4.1.1942 von Ahrensdorf nach Paderborn verlegt
Sommer 1941 Rückkehr aus Neuendorf nach Berlin; nach Streit mit dem Leiter von Landwerk Neuendorf Martin Gerson, der die Auflagen der Nazis übererfüllte, nichts riskierte und sich weigerte, Freiräume für die Jugendlichen zu öffnen; Übernahme der Leitung des jüdischen Jugendheims für ca. 60 „gefährdete“ schwererziehbare Jugendliche in der Levetzowstraße
Oktober 1941 – Februar 1943 Zwangsarbeit als Kohlenträger und in einer Lackfabrik in Berlin Weissensee; Leiter einer jüdischen Jugendgruppe zusammen mit Lotte Kaiser
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
27.2.1943 verhaftet in der Berliner Fabrikaktion
1.3.1943 Deportation von Berlin nach Auschwitz im 31.Osttransport
Eingewiesen in Auschwitz III zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, Häftlingsnummer 104691
17.3.1943 beide Eltern mit dem 4. großen Alterstransport“ (I/90) von Berlin nach Theresienstadt
„Aufgrund von Hinweisen von Chanan Ansbacher und Fritz Muschel haben Manfred und ich es geschafft, für eine gewisse Zeit zum Technischen Kommando überzuwechseln. Dieses Kommando war in einer Halle untergebracht und allein diese Tatsache war ein großer Vorteil.“
Rachmil Scher verschafft ihm den Posten als Blockschreiber; Blockältester ist der jüdische Häftling Sigi Halbreich; Artur Posnanski berichtet darüber:
„Fritz Muschel… hatte es geschafft, eine Arbeit im Stubendienst zu bekommen. Dort arbeitete Rachmil Scher, der bereits einige Jahre im Lager war. Zufällig erzählte ihm Fritz, dass ich früher Madrich einer Jugendgruppe gewesen sei. Sofort sorgte Rachmil dafür, dass ich eine leichtere Arbeit bekam.“
Kommunist Curt Posner verschafft ihm den Posten als Schreiber im Krankenbau von Monowitz; er kommt in Verbindung zum kommunistischen Lagerwiderstand: Erich Markowitsch, Jupp Heinemann, Leiser Selmann, Lutz Hess, Stefan Heymann und Felix Rausch
Von den 60 Holzbaracken in Monowitz gehörten 8 den Krankenrevier (HKB); davon waren 5 Pflegebaracken für das Krankenrevier, 3 Funktionsbaracken
Artur Posnanski arbeitet in der „Inneren Abteilung“.
Manfred Tannenbaum mit hohen Fieber in der Krankenbaracke; Posnanski schreibt:
„Manfred und ich waren unzertrennliche Freunde, und die anderen beneideten uns darum. Einmal erkrankte Manfred mit hohen Fieber und es bestand die Gefahr, dass man ihn in die Krankenbaracke legen würde. In der Nacht legte ich kalte Wadenwickel an, etwas, das ich von meiner Großmutter gelernt hatte. Ich habe mich gefreut, dass er die Krankheit überstand.“
Eines Tages wird Issy Philipp mit Lungenentzündung und 40° Fieber in die Krankenbaracke von Monowitz gebracht; Issy Philipp erinnert sich:
„Arthur Posnanski, der in der Krankenbaracke arbeitete, schaute mich an und sagte nur drei Worte: „Du auch, Issy?“
Philipp wird mit Hilfe von Artur Posnanski vor einer Selektion durch den SS-Arzt gerettet. Zwei anderen Chawerim aus Paderborn – Manfred Abraham und Nathan Joselewitsch haben bereits resigniert und werden mit dem Lastwagen in die Gaskammern von Auschwitz-Birkenau gebracht.
Jürgen Loewenstein berichtet von der Hilfe durch Posnanski, der ihn vor dem Krankenbau aus der Reihe der wartenden zog und ihn mit den Worten umarmte:
“ ‚Alles wird schon gut werden. Sei stark und fest.‚ Er organisierte mir eine Schüssel Suppe und einen Kanten Brot.“
Später bekommt Posnanski Scharlach im Lager.
Artur Posnanski berichtet weiter:
„Eines Tages lernte ich auf der Toilette einen Neuankömmling, Alfred Cohn kennen. Er erzählte mir, dass er zur Gruppe der in Werkdorp in Holland gefassten Chawerim gehöre. Dadurch erfuhr ich etwas über meinen Bruder Walter und war glücklich, da ich wusste, dass er untergetaucht war.“
Frühjahr 1944 Bruder Walter aus dem Untergrund in den Niederlanden über Frankreich nach Pamplona, Spanien
18.5.1944 Mutter Hannchen Posnanski von Theresienstadt nach Auschwitz
Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager – Todesmarsch nach Gleiwitz
18.1.1945 „Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 10 000 Häftlinge aus Monowitz auf dem Todesmarsch über 80 km von Auschwitz nach Gleiwitz; Isidor Philipp berichtet:
„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“
„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“
Das gesamte Funktionspersonal des Häftlingskrankenbau wird nach dem Todesmarsch nach Gleiwitz mit der Bahn nach Weimar, Buchenwald transportiert, so auch Posnanski, der zuletzt als Häftlingsschreiber eingesetzt wurde; ab Monowitz müssen sie einen großen Teil der Einrichtung einschließlich des Röntgengerätes, das erst kurze Zeit vorher fertiggestellt worden war, auf einem Handwagen mitziehen.
26.1.1945 Ankunft in Buchenwald; Häftlingsnummer 122568; Unterbringung im Judenblock 22, Blockältester der jüdische KPD-Funktionär Emil Carlebach
2.2.1945 Arbeitskommando 57 Steinträger
18.2. 1945 Arbeitskommando Stein Außenlager Buchenwald der Organisation Todt in Eschershausen im Weserbergland,
6.3. 1945 Arbeitskommando 64 Stubendienst, Blockschreiber in Block 57
Posnanski trifft Martin Michel und Rachmil Scher in Buchenwald:
„Dort habe ich auch Martin Michel getroffen, den ich bereits von früher her kannte. Er gehörte zu der „Alten-Hachschara“ (Paderborn). Ich erinnere mich, dass ich ihm einmal mein Band, dass mich als Funktionär auswies, zugeworfen habe, wodurch er sich vor einem Transport hatte retten können. Auch Jerachmiel Scher habe ich auf ähnliche Art helfen können (er hat einmal viel für mich getan)“
5.4.1945 Himmlers Befehl zur Evakuierung von Buchenwald (47500 Häftlinge);
6.-10.4.1945 Die SS beginnt mit der Evakuierung des Konzentrationslagers; etwa 28.000 Häftlinge des Stammlagers und mindestens 10.000 Häftlinge der Außenlager werden auf insgesamt 60 Marschrouten – meist zu Fuß – auf die Todesmärsche getrieben, 12000 (Schätzung) kommen auf diesen Märschen um.
6.4. 1945 von den ca. 6000 Juden im Lager, können etwa 3000 versteckt werden; 3105 Juden werden im Lager zusammengetrieben, in den Werkshallen der DAW (Deutsche Ausrüstungswerke) eingesperrt und Richtung Flossenburg in Marsch gesetzt
Posnanski vermutlich vom Lagerwiderstand geschützt wegen seiner Verbindung zu Stefan Heimann (später Sekretär von Wilhelm Pieck und Herausgeber der „Rote Fahne“
11.4.1945 Befreiung von Buchenwald durch das 37. Panzerbataillon der 4. US-Panzerdivision
Posnanski schreibt:
„Von den Chawerim hat das Zwillingspaar Tannenbaum – meine treuen Begleiter – mit mir die Befreiung erlebt. Es verging eine lange Zeit, bis wir den Begriff ‚Freiheit‘ wirklich verstanden.“
Stefan Heimann bittet ihn um Mitarbeit am Bericht des Lagerwiderstandes über Buchenwald
7.5.1945 Entlassung aus Buchenwald durch alliierte Kommission; gibt als Wunschadresse Schwager Leo Fabian, Melbourne an
3.6.1945 16 Jugendliche aus Buchenwald gründen den Kibbuz Buchenwald, ein von der US-Army beschlagnahmter und den Buchenwald Chawerim zur Verfügung gestellter Bauernhof in Egendorf bei Blankenheim, Weimar;
Juli 1945 wegen der Übergabe Thüringens an die „Rote Armee“ wechseln die Kibbuzim auf den Gehringshof bei Fulda in der Amerikanischen Zone, wo Posnanski für 2 ½ Jahre bis zu seiner Alija lebt und arbeitet.
August 1945 auf der Liste der Lagereinwohner des DP-Lager Hattenhof (Gehringshof)
Arthur Posnanski erinnert sich an den Gehringshof:
„Ich sprach gut Deutsch, so dass ich die Gruppe oft bei offiziellen Gästen vertrat, die uns besuchten. Ich reiste auch in Kibbuz-Angelegenheiten nach Fulda und sogar nach Frankfurt, wo ich in ihrem Namen vor den Behörden auftrat.“
Ende August 1945 verließ eine erste Gruppe des Kibbuz Buchenwald den Gehringshof in Richtung Palästina.
27.8. 1945 Elias Grynbaum, Tydor und Moritz Zauderer, insgesamt 80 Chaluzim – 53 Männer, 27 Frauen – den Gehringshof über Baden nach Marseille
4.9.1945 Abfahrt der SS MATAROA aus Marseille
8.9.1945 Ankunft in Haifa auf der SS MATAROA mit Arbeiterzertifikat C/L
Nach kurzem Aufenthalt im britischen Internierungscamp Atlith gehen viele in den Kibbuz Afikim
Isi Philipp wird von der „Jewish Brigade“ bestimmt, eine weitere Gruppe von Düsseldorf nach Antwerpen zu führen. Internierung im Camp Antwerpen. Mit dem LKW nach Marseille;
März 1946 Isi Philipp mit 60 Gehringshofern von Marseille mit der SS TEL HAI illegal nach Haifa
15.11.1945 DP-Registration von Artur Posnanski UNRRA Team 139
Durch den zunehmenden Zuzug von polnischen und russischen Juden durch die BRICHA kommt es zu Konflikten; Shimon Fleishon (*1919) erinnert sich:
„Es gab Feindseligkeiten zwischen deutschen Einwanderern wie Arthur, die eine völlig andere Weltanschauung hatten, und uns. Sie waren KZ-Veteranen, sie sprachen Deutsch, wir sprachen Jiddisch oder Russisch, und einige sprachen Polnisch. Wir fühlten uns herablassend behandelt von ihrer Seite. Zahlenmäßig übernahmen polnische Einwanderer einfach die Wirtschaft, und wir brauchten sie nicht mehr. Wir wurden zu guten Landwirten, jeder in seinem eigenen Bereich.“
6.7.1947 noch auf der Liste der Bewohner des Gehringshofs
Ende 1947 Alijah auf eine Farm in der Nähe von Rishon Le Zion.
1948 Unabhängigkeitskrieg und Staatsgründung Israel
Oktober 1948 Schließung des Gehringshofs, Kibbuz Buchenwald
1948-1950 Kibbuz Buchenwald wechselt erneut und nennt sich später „Netzer Sereni“
1950 nach Tel Aviv, zunächst als Maler, dann für Jahrzehnte im „Komitee für Wiedergutmachung“
6.1.1998 Tod in Tel Aviv
Beigesetzt im Kibbuz Netzer Sereni
Gedenken
16.12.1955 Pages of Testimony für die Eltern von Bruder Walter Posnanski
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn502821
Artur Posnanski, Ein Nach-Auschwitz-Bericht, autobiografischer Bericht für die UNO, 1985; in: Träume und Hoffnungen Heft 5, Ahrensdorf, undatiert
Artur Posnanski, In Auschwitz, in: Wiehn Erhard (Hrsg), Wer hätte das geglaubt?, 2010, Hartung Gorre Verlag
Judith Tydor Baumel, Kibbuz Buchenwald, Hrsg. Kibbuz HaMeuhedet, Tel Aviv 1994
https://newrepublic.com/article/151061/road-buchenwald
https://www.jewiki.net/wiki/Netzer_Sereni
Anneliese Ora Borinski, Erinnerungen
http://www.wollheim-memorial.de/de/die_fotos_der_horserdfreizeiten_fuer_juedische_kinder_1934_und_1935#
Kogon, Eugen, Der SS-Staat, 1974, Verlag Kindler
Gedenkstätte Buchenwald (Hrsg.) Buchenwald – Mahnung und Verpflichtung, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften 1983
Herbert Fiedler, Eine Geschichte der Hachschara; Verein Internationale Begegnungsstätte Hachschara-Landwerk Ahrensdorf e.V
Herbert und Ruth Fiedler, Hachschara, Hentrich & Hentrich 2004http://www.hachschara-ahrensdorf.de/html/body_anfang.html
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1135169
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1135091
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/81989947
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/68682004
https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/27804-hannchen-posnanski/
https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/3288-alexander-posnanski/
https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn502821
https://www.jewiki.net/wiki/Artur_Posnansky
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013
Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998