Engel Leo

Leo Arie Engel

*5.7.1922 in Königsberg; Überlebender

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Oskar Engel *5.12.1893 in Budzin ✡?

Mutter Toni Finkelstein *28.6.1898 in Ragnit ✡ ?

Geschwister

Heinz Dan Engel *3.6.1924 in Mühlhausen

Peter Gilan Engel *26.2.1938 in Berlin

Beruf

Adressen Königsberg; Mühlhausen; Berlin Tiergarten

Heirat Hanna Lewy

Kinder zwei

Weiterer Lebensweg

Der Vater war Pelzhändler und Kantor

8 Jahre Volksschule in Mühlhausen, Nahe Königsberg

1933 Umzug der Familie nach Berlin

1935 Schulaustritt

1935-1937 Lehre in eine jüdischen Berufsschule für Tischlerei und Metallverarbeitung

1937-38 Gelegenheitsjobs

1938 Mit Bruder Heinz aus Königsberg zur Hachschara auf das Gut Winkel in Spreenhagen; dort waren auch Esther Manela (Pur) und Leah Iger. Da er zunächst keine Alija anstrebt, wechselt er häufig die Lager, kommt wiederholt mit Piese Zimche zusammen.

17.5.1939 mit Bruder Heinz in Spreenhagen, Gut Winkel bei Minderheiten-Volkszählung

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Um­be­nen­nung der noch bestehenden in „Jü­di­sches Ar­beits­ein­satz­lager“; nach Auflösung von Gut Winkel nach Ahrensdorf

Juli -September 1941 Auflösung des Hachscharalagers Ahrensdorf; Verlegung in das Forsteinsatzlager Wulow bei Booßen Kreis Lebus, es sollen insgesamt achtverschiedene Lager gewesen sein.

Die Deportation aus den Einsatzlagern im Kreis Lebus

2.4.1942 Verhaftung der staatenlosen, der älteren und der bereits bei der Gestapo zuvor auffällig gewordenen Chaluzim aus Neuendorf und den Einsatzlagern Deportation auf Lastwagen in das Sammellager, eine große Turnhalle am Leipziger Platz in Frankfurt/Oder.

Fast die Hälfte der Betroffenen war zuletzt in Arbeitseinsatzlagern untergebracht, darunter 100 Menschen in den Forst- und Ernteeinsatzlagern in Beerfelde, Hangelsberg, Hasenfelde, Jakobsdorf, Kaisermühl, Kersdorf, Pillgram, Schönfelde und Treplin, sowie mehr als 60 im Landwerk Neuendorf, ehemals jüdische Ausbildungsstätte und seit 1941 Zwangsarbeitslager.

Der der Zug überfüllt ist, kann sein Verwalter einige aus dem Zug herausholen, mit der Begründung, es seien wichtige Arbeitskräfte; so kommt er mit Glück wieder zurück

3.4.1942 Deportation dieser Neuendorf-Gruppe mit 1009 Personen nach Warschau

November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“

März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert

8.4.1943 verhaftet im Forsteinsatzlager Bossen/Booßen Kreis Lebus

10. 4.1943 Chawerim aus  dem Kreis Lebus und Neuendorf mit LKW nach Fürstenwalde, von dort mit der Bahn nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager ehemalige jüdische Schule Große Hamburger Straße 26; in Berlin wurden 16 Personen vom Transport zurückgestellt (Geltungsjuden, Juden aus privilegierten Mischehen etc.)

19.4.1943 auf dem 37. Osttransport als Teil der Fabrikaktion, allein 153 Personen aus dem Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde.

Esther Bejarano erinnert sich:

„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“

20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:

„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“

Er wird zur Zwangsarbeit im Auschwitz-Nebenlager Monowitz eingewiesen; Auschwitz-Häftlingsnummer 116878

Vorarbeiter im Kommando 80 Rohrkommando mit 120 Zwangsarbeitern

Auschwitz – Todesmarsch

15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten

18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca. 60 000 Häftlinge; 10000 Männer aus Monowitz

18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau

Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:

Asher Aud:

„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“

Sigmund Kalinski:

„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“

Isidor Philipp berichtet:

„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“

18.1.1945 auf dem Weg nach Nikolai tauscht er mit Benno Rajfeld dessen zu enge Schuhe

19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück, Sachsenhausen, Mauthausen

Isidor Philipp berichtet:

„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“

Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.

Leo Engel mit 4000 Häftlingen von Gleiwitz in offenen Güterwaggons Irrfahrt über Tschechien, nach Mauthausen und wieder nach Deutschland

28.1.1945 Ankunft von 3500 Häftlingen, 500 Toten Nordhausen KL Mittelbau Dora bei Nordhausen, V2-Produktion in Stollen; zwei Tage nach Ankunft im KL Dora waren weitere 600 Häftlinge tot

Bei Ankunft von Leo Engel im KL Dora sind ihm zwei Zehen abgefroren, da er in der Kälte der offenen Waggons die Schuhe nicht ausziehen konnte;

er kommt in den Häftlingskrankenbau im Dora Außenlager Boehlke-Kaserne in Nordhausen, wo er die gesamte Zeit bis zur Befreiung durch die US- Army verbringt.

3./4.April 1944 massive Bombardierung von Nordhausen mit tausenden Toten, auch im Lager

11.4.1945 Befreiung des Außenlagers Boehlke-Kaserne

Die Amerikaner verlegen ihn in das ehemalige Wehrmachtskrankenhaus in Lemgo, wo er für Monate verbleibt. Er fährt mit einer kleiner Gruppe im offenen LKW nach Bergen-Belsen, unterwegs treffen sie Ohny Ohnhaus und Ephraim Goldschmidt.

Kibbuz Buchenwald in Gersfeld

August/September 1945 wegen des großen Zustroms auf den Gehringshof Errichtung des Nebenlagers in Gersfeld nach Beschlagnahme des Hofes durch Leutnant Finkelstein von der US-Militärverwaltung in Fulda; dort arbeiten ca. 50 Chaluzim.

Von Bergen Belsen fahren sie nach Gersfeld, einem Nebenlager des „Kibbuz Buchenwald“ auf dem Gehringshof

Alija Beth auf der TEL HAI

Leo Engel schreibt selbst:

„Wir blieben etwa sechs Monate in der Ausbildung. Dann wurde eine Gruppe von etwa hundertfünfzig Personen aus den beiden nebeneinander liegenden Ausbildungslagern – Gehringshof und Gersfeld – zusammengestellt. Die Soldaten der Brigade brachten uns in die Niederlande nach Eindhoven und weiter nach Antwerpen in Belgien. Dort saßen wir etwa vier Monate in zwei Häusern. Unsere Aufseher waren Mitglieder der Brigade (darunter Yehezkel von der Schiller-Gruppe). So brachten sie uns über die Niederlande nach Marseille und von dort auf das illegale Einwanderungsschiff „Tel Hai“ nach Israel. Wir waren etwa eine Woche lang in stürmischer See unterwegs. Die Briten entdeckten uns mit dem Flugzeug und brachten uns in das Lager Atlit. Dort saßen wir eine Woche. Von Atlit aus wurden wir an verschiedene Orte gebracht. Die Buchenwald-Gruppe, der ich angehörte, wurde nach Afikim geschickt. Nach der anderthalbjährigen Ausbildung in Afikim zogen wir nach Nahalat Yehuda in der Nähe von Rishon LeZion und gründeten 1948, während des Unabhängigkeitskrieges, den Kibbuz Netzer Sereni.“

Massenerschießung des Berliner Transports in Riga

15.8.1942 beide Eltern mit dem 4-jährigen Bruder Peter auf dem 18. Osttransport von Berlin nach Riga

18.8.1942 Tod der Eltern und Bruders nach Ankunft in Riga-Skirotawa  bei Massenerschießung des Berliner Transports im Hochwald von Bikernieki

Alija Beth von Bruder Heinz – Sonderhachschara VII – der Paraguay-Transport

März 1940 die führenden jüdischen Funktionäre aus Berlin, Prag und Wien werden von SS-Sturmbannführer Adolf Eichmann ins Reichssicherheitshauptamt nach Berlin vorgeladen, um die illegalen „Sondertransporte“ nach Palästina zu forcieren; Ephraim Frank als Vertreter des erkrankten Lyon vom Palästinaamt und als designierter Transportführer dabei.

August 1940 offiziell abgemeldet nach „Paraguay“, zunächst Zugfahrt nach Berlin

16.8.1940 mit dem Zug aus Berlin, Bahnhof Friedrichstraße fahren 350 Jugendliche und 150 Eltern, deren Kinder bereits Palästina-Pioniere in Palästina waren, nach Wien mit dem Ziel über die Schwarzmeerroute nach Haifa zu kommen; Transportführer war Ephraim Frank

Zwei bis drei Wochen in Wien, in einer jüdischen Schule oder Lehrlingsheim

3. 9.1940 mit dem Zug von Wien nach Pressburg/ Bratislava an die Donau;

10.9.1940 zum Donauhafen von Bratislava; dort Verteilung der Chaluzim auf die drei Ausflugsdampfer URANUS, MELK und SCHÖNBRUNN

10.-20.9.1940 von Bratislava nach Tulcea am Schwarzen Meer;

Anfang Oktober 1940 werden 1000 Flüchtlinge auf die drei Schiffe SS PACIFIC, SS MILOS und SS ATLANTIC verteilt, Deutsche auf die PACIFIC, Tschechen auf die MILOS.

Zwischenstopp im Hafen Agios Nikolaos, Kreta, um Kohle aufzunehmen

31.10.1940 von britischer Marine aufgebracht und in den Hafen von Haifa geleitet

1.11.1940 Ankunft der SS PACIFIC in Haifa.

3.11.1940 Ankunft der tschechischen Emigranten auf der SS MILOS, die ebenfalls auf die PATRIA verbracht werden

4.11.1940 Alle Passagiere der SS PACIFIC werden auf die SS PATRIA umgeschifft, dem von den Briten beschlagnahmten, als Truppentransporter umgebauten, großen französischen Frachtschiff (18 000 t)

8.11.1940 Registrierung von Bruder Heinz in Camp Athlit, gibt als Referenz an Onkel Hermann Finkelstein – und Großvater Moses Finkelstein, beide Tel Aviv

zunächst auch zur Deportation nach Mauritius vorgesehen

23. oder 24.11.1940 Ankunft der SS ATLANTIC in Haifa

25.11.1940 Sprengstoff-Anschlag der Haganah im Maschinenraum der SS PATRIA, zu diesem Zeitpunkt waren bereits 1771 Ma’apilim (illegale Immigranten) auf das Schiff gebracht.

Walter Steinitz, aus dem Umschulungslager Paderborn kommend, berichtet:

“ Am 25.November morgens um neun Uhr mussten alle auf die Reling, denn der Colonel hatte die Instruktion gegeben, aber um 9.12 Uhr hatte ein Kommando von 60-80 jungen Leuten ins Wasser zu springen, um die Engländer abzulenken, die mit kleinen Booten die Menschen auffischten. Zeitentsprechend zündete einer von uns eine Bombe, keine Zeitbombe, und ist mitgetötet worden. Es war der zweite Transportleiter – Hans Wendel. Niemand hatte von dieser Aktion gewußt – außer acht Leuten. Innerhalb von ein paar Minuten neigte sich das Schiff zur Seite. … Von den 4000 auf der SS PATRIA zusammengedrängten Menschen verloren etwa 260 ihr Leben.“ (ca 200 von 1771)

Die ins Wasser gesprungenen und die an Bord Überlebenden werden als Schiffbrüchige der SS Patria von den Briten an Land gebracht.

25.11.1940 Internierung in einer Lagerhalle im Hafen von Haifa; die von Bord gesprungenen werden in die Arrestzellen der Polizeiwache von Haifa; Serie von Verhören, insbesondere wenn sie von den Briten der Zugehörigkeit zur Haganah verdächtigt wurden.

26.11. und 8.12.1940 die Überlebenden der SS PATRIA werden mit Bussen in das Internierungscamp Atlith verbracht;

Dezember 1940 noch auf die Umladung wartenden 1581 Emigranten auf der MILOS und ATLANTIC werden als „Detainees“ mit holländischen Frachtschiffen nach Mauritius deportiert. Dort trafen sie am 26.12.1940 ein und wurden in das Zentralgefängnis von Mauritius nahe Beau Bassin verbracht.

1940 zunächst nur Freilassung kleiner Gruppen aus dem Camp Atlith, die eine Aufnahmeadresse in Palästina vorweisen können

Juli 1941 Entlassung von Bruder Heinz aus Atlith

September -Dezember 1941 Entlassung der meisten Internierten aus dem Camp Atlith

Quellen

https://www.statistik-des-holocaust.de/OT37-33.jpg

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/11228923

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127204883

https://www.mappingthelives.org

https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_ber_ot12.html

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1018370

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1018336

Anneliese Ora Borinski, Erinnerungen

Herbert Fiedler, Eine Geschichte der Hachschara; Verein Internationale Begegnungsstätte Hachschara-Landwerk Ahrensdorf e.V

Herbert und Ruth Fiedler, Hachschara, Hentrich & Hentrich 2004

http://www.hachschara-ahrensdorf.de/html/body_anfang.html

Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015

Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883

https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS1/SIMS3/02010402/0011/110832145/001.jpg

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/71076336

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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