Bejarano Esther

Bejarano Esther geb. Loewy

Esther Loewy *15.12.1924 in Saarlouis; ✡10.7.2021 in Hamburg

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Rudolf Loewy *3.3.1893 in Freienwalde; ✡29.11.1941 Massenerschießung Kowno

Esther mit ihren Eltern

Mutter Margarethe Heymann *13.2.1896 in Gräfenthal; ✡ 29.11.1941 Massenerschießung Kowno

Geschwister

Gerhard David „Jerry“ Loewy Lewis *1.9.1916 in Berlin; ✡13.6.1991 in Rahway City, Union, New Jersey; oo Evelyne

Tosca Loewy *4.7.1919; ✡März 2001 in Beit Oren; oo Hans Lebrecht; Tochter Ruth

Ruth Loewy *17.12.1920 in Hoppstädten; ✡1.12.1942 in Auschwitz; oo Istvan Marchand

Georg Loewy *1922; ✡ 1922 vergiftet mit Essigessenz

Beruf Schneiderin; Wäscherei und Boutique -Besitzerin in Hamburg

Adressen Saarlouis, Saarbrücken Ulm, Neuulm, Berlin; Beer Sheva; Hamburg

Heirat 23.1.1950 Nesim Bejarano *26.11.1925 in Israel; ✡4.4.1999 in Hamburg

Kinder

Edna Bejarano *16.5.1951

Joram Bejarano *2.12.1952

Weiterer Lebensweg

1935 Starke antisemitische Umtriebe im Saarland nach dem Anschluß an das Deutsche Reich

1936 Umzug nach Ulm, neue Stelle als Kantor für Vater Rudolf Loewy

1936 -1938 In der Nähe von Ulm besuchte Esther Loewy das Jüdische Landschulheim Herrlingen; Direktor des jüdischen Landschulheims war Joseph Hugo Rosenthal/Jashuvi (*14.12.1887 in Lage; ✡6.12.1980 Kfar Sava)

23.4.1937 Ankunft von Bruder Gerd auf der SS ILSENSTEIN von Antwerpen in New York

Heimatadresse Vater Rudolf in Ulm

10.7.1937 Schwester Gerdi von Rotterdam zu einer Tante in die USA

1937 Schwester Tosca auf Alija nach Palästina

1938 Schwester Ruth im Hachscharalager Ellguth in Oberschlesien

10.11.1938 Vater im Novemberpogrom in Ulm verhaftet; nach drei Tagen wegen einer anstehenden Beerdigung freigelassen; Schwester Ruth bei SA-Überfall auf Ellguth heftig mißhandelt, dann Heimkehr nach Ulm; von dort nach Oldenzaal emigriert

1939 Umzug nach Neu-Ulm

1.4.1939 in Berlin gemeldet

25.9.1939 in Wilmersdorf gemeldet, Esther Loewy in die Jugend-Aliah-Schule, Berlin

Ende 1939 Vater nach Breslau,

Ende 1939 Wechsel in das Hachscharalager „Gut Winkel“

E. Bejerano vorn rechts beim Appell in Ahrensdorf 1940

Wechsel in das Landwerk Ahrensdorf.

Erste große Liebe mit Günther Schimson Bähr aus Moers

Ende Mai -Ende September 1941 Auflösung des Hachscharalagers Ahrensdorf;

27.5.1941 Verlegung von 15 Chawerim in das Lehrgut Neuendorf im Sande;

6.8.1941 Verlegung von Esther in das Lehrgut Neuendorf im Sande;

Juni 1941 Schließung Ahrensdorf; die Chalutzim kommen ins Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde, wie viele andere muss sie Zwangsarbeiter in einem Blumenladen in Fürstenwalde verrichten. Der Chef war KPD-Mann und behandelte sie gut.

November 1941 Eltern aus Breslau deportiert nach Kowno; Tausende im Fort IX zusammengedrängt.

Massenerschießung aller Häftlinge, auch der Eltern

Loewy folgt einer Anordnung der Gestapo Breslau zur Liquidierung der Wohnung der Eltern

Erfolgloser Fluchtversuch von Schwester Ruth und Istvan Marchand in die Schweiz, der Ehemann Marchand soll dabei erschossen worden sein; Ruth abgeschoben nach Westerbork

6.11.1942 Schwester Ruth Loewy aus Westerbork nach Auschwitz deportiert

November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“

März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert

10. 4.1943 Aus Neuendorf mit LKW nach Fürstenwalde, dann mit der Bahn nach Berlin ins Sammellager Große Hamburger Straße

19.4.1943 auf dem 37. Osttransport als Teil der Fabrikaktion, allein 153 Personen aus dem Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde.

Esther Bejerano erinnert sich:

„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“

Esther berichtet auch, dass viele alte und schwache Menschen diesen mehrere Tage dauernden Horrortrip in den Viehwaggons nicht überlebten. Ihre Leichen blieben die ganze Zeit in den Waggons.

Mit Esther saßen viele der Jugendlichen im Waggon, mit denen sie in Neuendorf zusammen war: Eli Heymann, Günther Bär, Schoschana Rosenthal, Margot Edel, Anne Borinski, Hilde Grünbaum, Karla und Sylvia Wagenberg, Herbert Growald, Theo Lehmann und noch viele andere. Schimschon und Esther hatten sich getrennt, sie hatte sich Eli Heymann zugewandt; mit ihm übersteht sie den Transport im geschlossenen Waggon.

20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:

„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.“

Ihr wird die Auschwitz-Häftlingsnummer 41948 in den linken Unterarm tätowiert.

Esther und Miriam Edel und andere aus der Gruppe kommen nach Birkenau in ein Straßenbau-Kommando, müssen Straßen pflastern.

Das Mädchenorchester von Auschwitz

Auf Betreiben der SS-Oberaufseherin des Frauenlagers Maria Mandl, bekommt Zofia Czajkowska den Auftrag, ein Frauenorchester als Pendant zu dem bereits bestehenden Männerorchester in Auschwitz Birkenau zu gründen.

Ab April 1943 dürfen auch jüdische Musikerinnen aufgenommen werden, da nur wenige „arische“ gefunden wurden.

Da die Leiterin des Mädchen-Orchesters von Auschwitz, Sofia Tschaikowska eine Akkordeonspielerin sucht, gibt sie vor, das zu können und wird ins Orchester aufgenommen zusammen mit Hilde Grünbaum, Sylvia Wagenberg.

Esther Bejarano erinnert sich:

„Als dann die Dirigentin, Sofia Tschaikowska eines Tages bei den Blockältesten nach Musikerinnen suchte, wurden meine Freundinnen Hilde Grünbaum, Sylvia Wagenberg und ich vorgeschlagen… Auch meine Freundinnen wurden akzeptiert, Hilde als Geigerin, Sylvia als Flötistin, und so zogen wir drei in die Baracke, in der die Musiker schliefen, die sogenannte Funktionsbaracke.“

Mai 1943 Mit Lili Assael wird eine ausgebildete Akkordeonspielerin ins Orchester aufgenommen. Ester Loewy wird zu den Flötistinnen eingeteilt.

September 1943 in Auschwitz Birkenau sollen sich „Halb- und Vierteljüdinen“ melden, die nach Ravensbrück verlegt werden.

16.9.1943 84 Frauen („Mischlingstransport“) von Auschwitz überstellt, Esther als Viertelarierin ins KL Ravensbrück, Häftlingsnummer 23139; 4 Wochen im Quarantänelager; zusammen mit Ilse Hirsch (Nr. 23138)

Arbeit im Siemens-Werk; zuletzt als Vorarbeiterin für Ukrainerinnen

März/ April 1945 bei Auflösung des „Jugendlagers“ von Ravensbrück für wenige Tage ins „Frauenlager“

Anfang April 1945 mit einem Personenzug ins Lager Malchow, Außenlager des KL Ravensbrück

April 1945 Erneute Todesmärsche“ mit jeweils 2000 bis 3000 Frauen in zahlreichen Kolonnen aus dem bereits überfüllten KL Ravensbrück in mehrere Richtungen. Geschwächte und kranke Häftlinge, die dem Marsch nicht mehr folgen konnten, wurden erschossen. Die etwa 1500 Überlebenden des ca. 60 km langen Fußmarsches, die im April 1945 im Außenlager Malchow ankamen, sollten hier nur wenige Tage bleiben.

Todesmarsch der Frauen , Zeichnung von Ella Liebermann

1.5.1945 werden sie erneut auf dem Marsch getrieben. In der Umgebung der Stadt Crivitz traf der größere Teil der Sachsenhausener Häftlinge aus dem Waldlager Below auf die Frauen aus dem KL Ravensbrück, deren Todesmarsch sie über das Außenlager Malchow, nicht weit von Below entfernt, geführt hatte. Der Zug mischt sich mit großen Flüchtlingsströmen. Die Wachmannschaften werden von Tag zu Tag weniger, bis sie ganz verschwunden sind.

Esther trifft auf die Chaweroth aus Neuendorf Margot Edel, Sylvia und Karla Wagenberg, Susi Rosenthal aus Essen, Anni Rosenhain und Irmgard Müller aus Halle, die sich im Weiteren in einem Wald verstecken.

Sieben von nun an freie Gefährtinnen bekommen auf einem Bauernhof Nahe Lübz um ein Nachtlager; sie bekommen sogar einen Eimer gekochte Kartoffeln.

3.5.1945 am nächsten Morgen rollen die US-Tanks in den Ort und nehmen die jungen Frauen zu einer gemeinsamen Siegesfeier mit Soldaten der ebenfalls eingetroffenen Roten Armee in den Ort Lübz mit. Esther Loewy begleitet das Fest auf dem Akkordeon.

Esther Loewy/Bejarano berichtet von der Befreiung

„Am 3. Mai bin ich befreit worden. An diesem Tag fühlte ich mich zum ersten Mal, seit wir vom Todesmarsch geflüchtet waren, sicher. Sieben Mädchen waren wir, wir haben uns im Wald versteckt. Wir sind erst auf russische Soldaten getroffen und dann auf amerikanische Tanks. Die haben uns aufgenommen, nachdem wir ihnen unsere Nummern auf dem linken Arm gezeigt haben. Sie haben uns nach Lübz gebracht.“

Route von Lübz, Parchim, Neustadt-Glewe, Ludwigslust, wo sie in einem Bahnwärterhaus nahe eines großen US-Camp unterkommen. Hier kommt es zum Wiedersehen von Esther und Naomi Kleczewski mit Theo Lehmann und Issy Philipp, zu diesem Zeitpunkt bei einem Bauern in Rastow 12 km nördlich von Ludwigsburg

Über das DP-Camp Lüneburg kommen Sie in das neben dem alten KL liegende DP Camp Bergen-Belsen, dort erstmals Kontakt mit der Jewish Brigade, die dort einen Stützpunkt hatte. Die Jewish Brigade empfiehlt ihnen den „Kibbuz Buchenwald“ auf dem Gehringshof aufzusuchen.

Mai 1945 in Bergen-Belsen: die Freundinnen vom Mädchenorchester Auschwitz
v.l. Helena Dunicz; Anita Lasker Walfisch, Hilde Grünbaum

Von Bergen-Belsen zu Fuß und per Anhalter zusammen mit ihrer Freundin Esther Bejerano und dem Ahrensdorfer Madrich Herbert Growald nach Frankfurt zu den American Headquarters um Esthers Bruder zu suchen, der als Verwundeter in die USA zurückverlegt worden war.

Von Frankfurt mit Miriam und Herbert nach Fulda zum ehemaligen Hachschara Gut Gehringshof, ab Juli 1945 Kibbuz Buchenwald

Frauen vom Gehringshof über Frankreich nach Palästina1945

Miriam Edel mit Esther Loewy und Karla Wagenberg und einige Wochen und im „Kibbuz Buchenwald“

August 1945 Esther Loewy verläßt mit einer Gruppe von 80 Chaluzim  den Kibbuz Buchenwald Richtung Marseille

7.8.1945 Alijah Beth mit 1204 Emigranten auf der SS MATAROA von Marseille nach Haifa

15.8.1945 Ankunft in Haifa nach Zwischenstopp in Neapel und Aufnahme illegaler Immigranten

Internierung durch die britische Mandatsmacht im Camp Atlith

Entlassung durch Intervention von Esther Loewys Schwester Tosca

Heirat mit Nisim Bejarano

5.6.1960 Abschied von Beer Sheva; Auswanderung nach Hamburg

Gedenken

Quellen

Video-Interview mit Issy Philipp 1994

Esther Bejarano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989

Esther Bejarano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013

Anneliese Ora Borinski, Erinnerungen

Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 5968); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85

Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386

Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz

https://genealogyindexer.org/view/1939Shanghai/41

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883

https://www.ortschroniken-mv.de/images/d/d9/MAL_KZ_Aussenlager.pdf

https://www.ernster.com/annot/564C42696D677C7C393738333839313434333533387C7C504446.pdf?sq=2

https://www.spiegel.de/geschichte/esther-bejarano-ist-tot-erinnungen-an-den-sommer-1945-a-06923ddf-6dc0-4c75-8136-011be044df7a

VideoInterviews

https://www.topfundsoehne.de/ts/de/service/mediathek/videos/2020/139178.html

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/3765137

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/11215402

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/81989955

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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