Reinhold Meisels
*20.2.1916 in Bochum; ✡ 3.8.2008 im Kibbuz Galed
Staatsangehörigkeit deutsch, staatenlos, Palästina, Israel
Religion jüdisch
Vater Jakob Meisels *6.1.1892 in Turka; ✡18.6.1942 in Sobibor
Mutter Jüdes Ida Erdmann *8.7.1896 in Felsztyn, Galizien; ✡18.6.1942 in Sobibor
Geschwister
Berta Meisels * 18.2.1923 in Hamborn; ✡20.5.2022 Israel
Werner Meisels *10.4.1929 in Hamborn; ✡ 18.6.1942 in Sobibor
Beruf landwirtschaftlicher Arbeiter
Adressen Bochum; Hamborn (Duisburg), Dahlstraße
Heirat 6.6.1944 durch Rabbi Sokolover in Ranaana mit Judith Sapir *31.1.1920 in Dortmund; ✡3.8.2008 im Kibuz Khaled
Kinder
Die Söhne Simon und Yiftah, Tochter Michal
Weiterer Lebensweg
1916 Vater Jakob aus Gelsenkirchen nach Hamborn
1921 Eröffnung eines Lebensmittelgeschäftes in der Dahlstraße
Ostern 1922 Einschulung
Reinhold aktiver Sportler, Reichsjugendabzeichen, Reichssportabzeichen in Bronze
Ostern 1926 städtische Oberrealschule, Abschluss 20.2.1935 mit dem Abitur
Schwester Berta auf dem staatlichen Oberlyzeum, heute Abtei-Gymnasium
Ummeldungen von Reinhold Meisels nach Nürnberg und Hamburg (Hachscharakurs)
1937 Vater in den Synagogenvorstand in Hamborn gewählt
10.11.1938 Verwüstung des Geschäftes und der Wohnung durch SA;
Verhaftung des Vaters, Polizeigefängnis Duisburg;
Bruder Werner wird von einer Haushilfe während des Unterrichtes aus der Gertrudenschule geholt, die er anschließend nicht mehr besuchen durfte. Sein Freund Karlheinz Bredendiek erinnert sich:
„Als plötzlich die Tür aufging, [die] Hausangestellte reinkam, hat mit ihm gesprochen […] und dann musste er seine Sachen packen und dann war er für uns verschwunden.“
17.11.-16.12.1938 Vater Jakob in „Schutzhaft“ im Konzentrationslager Dachau, Häftlingsnummer 29884
Dezember behördliche Zwangsschließung aller jüdischer Geschäfte
1939 Umzug zur Dahlstraße 50, später Zwangsumzug ins Judenhaus Baustraße 34/35 in Meiderich
25.4.1939 Ankunft von Schwester Berta Meisels in Haifa mit Studentenzertifikat des Hechaluz B III
17.5.1939 bei Minderheiten-Volkszählung
Hachschara in Urfeld
Ca 1939 Reinhold Meisels zur Hachschara ins Umschulungslager Urfeld auf dem Dietkirchener Hof zwischen Bonn und Köln-Wesseling, Besitzer war der mit Arthur Stern befreundete nichtjüdische Architekt Albrecht Doering aus Urfeld.
Von 1933/4 bis 1938/39 war der Dietkirchener Hof als Kibbuz/Beth Chaluz ein Zentrum der Vorbereitung auf die Alija nach Palästina für ca 60 Jugendliche über 18 Jahren. Das Zentrum des Hechaluz hieß auch Kibbuz Bamaaleh („Bamaaleh“=im Aufstieg), finanziert von dem jüdischen Textilfabrikanten und Architekten Arthur Stern – zu Beginn noch gemeinsam mit der Reichsregierung! Die landwirtschaftliche Ausbildung erfolgte auf Urfelder Bauernhöfen.
1934-1938 arbeiteten und lernten hier 97 „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) 31 Mädchen und 66 Jungen, im Mittel 19 Jahre alt. Manche blieben nur wenige Tage, andere bis zu eineinhalb Jahren zwei allerdings sogar zweieinhalb Jahre.
Anfang 1938 auch mittlere Hachschara für 15–17-Jährige Chaluzim.
28.10.1938 Herbert Taub verhaftet in Urfeld in der ersten Polenaktion, zusammen mit neun weiteren Chaluzim u.a. Susi Schmerler, Leo Geffner und Josef Kleinmann sowie Muchi, Max, Oskar und Ida (nicht identifiziert). Susi Schmerler notierte in ihrem Tagebuch:
„Es sind ungefähr 25 Chaluzim, die alle schon in Deutschland auf Hachschara waren und jetzt zur Auslands-Hachschara oder Alija gehen sollten.“
„Doch da kam man uns mitten in unseren (Alija-) Plänen dazwischen. Eines Tages kamen mehrere Polizisten ins Beth Chaluz und brachten 10 Ausweisungsbefehle. Wir rechneten alle damit, dass uns noch 2-3 Monate Zeit bleiben würde. Doch nein! Es sollte heute noch sein! Wir telefonierten mit dem Flugplatz, wann das nächste Flugzeug nach London ging, doch die Polizei stand daneben und forderte von uns, dass wir sofort mitkommen müssten. Nicht einmal unsere Sachen durften wir mitnehmen.“
Novemberpogrom in Urfeld
10.11.1938 im Novemberpogrom verprügelten vier besoffene bewaffnete Nazis die Chaluzim und zerstörten das Inventar. Der nichtjüdische Hausbesitzer Doering vertrieb die Eindringlinge mit seinen Söhnen, bewaffnet mit Jagdwaffen; nachts versteckte er die Chaluzim in seinem Keller.
15.10. 1939 nach Auflösung des Lagers Urfeld wechseln 5 Chawerim direkt nach Paderborn: Heinz Becker, Karl-Heinz Goldstein, Emil Heilbronn, Hans Peter Scheier, Hans Werner Rabinowitz. Bis zum Schluss war Benny Paul Stein Madrich in Urfeld. Manfred Wolf folgt Benny Stein nach Schniebinchen, der dort bis Juli 1940 Leiter ist.
Zuletzt war Reinhold Meisels in Urfeld Madrich für den Hechaluz
Die Weltreise nach Palästina
März 1940 abgemeldet aus Duisburg, über Triest nach Rom
Dezember 1940 Flug von Rom nach Palma, weiter über Barcelona nach Lissabon
29.1.1941 Passausstellung in Lissabon
Juli 1941 auf der SS ANGOLA von Lissabon nach Lourenco-Marques (seit 1975 Maputo), Mosambique
Januar 1942 weiter nach Mombasa, Kenia
1942 über den Suezkanal nach Palästina
25.1.1942 Ankunft in Haifa mit einem Hechaluz Zertifikat der Gruppe C / LS, landwirtschaftlicher Arbeiter
12.11.1945 Einbürgerung in Palästina
1967 Reinhold lebt im Kibbuz Galed
Die Deportation der Eltern und Bruder Werner nach Izbica, Bezirk Lublin
15.6.1942 Deportationszug mitternächtlich ab Koblenz über Köln, Düsseldorf, Duisburg, Essen (10.15Uhr) nach Majdanek/Sobibor mit 1003 Juden, davon 142 aus Düsseldorf. Wie die Gestapo Düsseldorf an das RSHA meldete, hatten drei vor der Abfahrt Selbstmord verübt, einer war inzwischen eines natürlichen Todes verstorben, einer flüchtig und sieben wegen Krankheit nicht transportfähig.
Gedenken
1.4.2022 Stolpersteine für Reinhold, die Eltern und seine Geschwister Berta und Werner
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT420615-Duesseldorf6.jpg
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/en929224
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/en929223
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/en929225
Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947
Fotos aus Familienbesitz
Stadtarchiv Duisburg Bestand 306/253, Bl.23
Hubert Schneider, Die Entjudung des Wohnraums: Judenhäuser in Bochum; Münster, 2010
Hubert Schneider, Leben nach dem Überleben; LIT-Verlag 2014
Gedenkbuch der Opfer der Shoa aus Bochum und Wattenscheid, 2000
Manfred Keller/Gisela Wilbertz (Hg.), Spuren im Stein. Ein Bochumer Friedhof als Spiegel jüdischer Geschichte, Essen 1997