Horst Eduard Efraim Goldschmidt
*12.10.1921 in Berlin; ✡ 13.2.2018 in Tel Aviv
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Jakob Jacques Jäckel Goldschmidt *3.6.1883 in Berlin; ✡ 12.12.1942 in Auschwitz
Mutter Erna Marcus *19.7.1889 in Berlin; ✡ 12.12.1942 in Auschwitz
Geschwister
Thea Goldschmidt *22.9.1923 in Berlin; ✡ in Auschwitz
Beruf –
Adressen Berlin, Elbinger Straße 65; Schniebinchen; Paderborn
Heirat Esther Meisner *24.5.1926 in Sosnowiec; ✡1.5.1976 in Netzer Sereni
Kinder zwei
Weiterer Lebensweg
Ostern 1928 Einschulung; 7 Jahre Volksschule, 2 Jahre Realschule
17.5.1939 bei den Eltern mit Schwester Thea bei Minderheiten-Volkszählung
17.5.1939 Vater Jäckel auch in Gahro, Luckau erfasst bei Minderheiten-Volkszählung
23.6.1939 Vertrag zwischen der RVJD und der Stadt Paderborn zur Errichtung des Umschulungs- und Einsatzlagers Paderborn, Grüner Weg 86; vom Hechaluz wird eine „Aufbaugruppe“ nach Paderborn geschickt
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung „Jüdisches Arbeitseinsatzlager Paderborn“
10.7.1941 aus dem Hachscharalager Schniebinchen, Niederlausitz angemeldet im Lager Paderborn
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
9.12.1942 beide Eltern und Schwester Thea von Berlin nach Auschwitz, 24. Osttransport
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Paderborn“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.
27.2.1943 die Pforte des Lagers Paderborn wird von Polizisten bewacht, um Fluchten zu verhindern
1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Paderborn; mit der Bahn nach Bielefeld; mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz
Erwin Angress berichtet:
„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht‘ ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“
2.3.1943 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager
3.3.1943 Ankunft und Selektion in Auschwitz; Ernst Michel berichtet:
„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“
Eingewiesen in Auschwitz III zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, Häftlingsnummer 104931
Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943
„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“
Die Evakuierung von Auschwitz
18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge auf dem Todesmarsch über 80 km von Auschwitz nach Gleiwitz;
Die Route des Todesmarsches von Auschwitz über Nikolai (Übernachtung in einer Scheune) nach Gleiwitz (ca. 50 km).
Horst ist zu schwach, kann nur mit Hilfe gehen. Hilde Zimche, die spätere Frau von Piese Ernst Zimche (Kibbuz Netzer Sereni) berichtet:
„Efraim war zu schwach zu gehen. Den ganzen Weg lang, mehrere Tage, viele Kilometer, nahmen ihn seine Freunde in die Mitte und stützten ihn. Ohne die gegenseitige Unterstützung wären wir verloren gewesen.“
Isidor Philipp berichtet:
„Am 18.Januar 1945 kam der Todesmarsch nach Gleiwitz. Theo Lehmann und ich schleppten einen Häftling, einen jungen schwachen Mann, bis Gleiwitz mit. 80 Kilometer im tiefen Schnee. Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“
„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“
Der Todesmarsch nach Geppersdorf
21.4.1945 3000 Häftlinge müssen nach zwei Tagen Wartens in eisiger Kälte einen wochenlangen Todesmarsch zum Lager Geppersdorf antreten, ein Außenlager des KL Groß Rosen; dazu gehören u.a. die Chawerim:
Willy Chanan Ansbacher, Erich Auerbach, Günter Bähr, David Ceder, Werner Coppel, Benjamin Feingersch, Michael Miki Goldmann (*26.7.1925 in Kattowitz), Horst Goldschmidt, Erich Heymann, Gerhard Maschkowski, Abraham Matuszak, Hans Nebel, Alfred Ohnhaus, Alfred Stillmann.
Ein Überlebender berichtet:
„Am 21. Januar mussten wir mit dem Zug weiterfahren. 4500 Gefangene wurden in offene Waggons verladen, in die jeweils 100 bis 130 Menschen gepresst wurden. 30 Stunden mussten wir auf die Abfahrt warten, bei Temperaturen von 15 bis 20 Grad unter Null. Dann, nach nur 15 Kilometern, stoppte der Zug. Den Häftlingen wurde befohlen, die Waggons sofort zu verlassen. Wem von der Kälte die Glieder steif geworden waren, so dass er den Wagen nicht schnell genug verlassen konnte, der wurde erschossen.“
Der Todesmarsch führt über Ratibor, Neustadt, Neisse, Glatz, Frankenstein, Langenbielau, Waldenburg nach Landeshut
20.-21.2.1945 Landeshut
Ohni Ohnhaus berichtet:
„Am Abend erreichten wir Hirschberg, das verlassene Lager. Es gab große eiserne Öfen. Wir hatten Kartoffeln, die wir auf die Öfen legten, Wasser auch für uns erhitzt. Ephraim (Horst) Goldschmidt saß neben dem Herd, und kochendes Wasser schwappte auf ihn und er hatte schwere Verbrennungen am Bein. Wir hatten einen Arzt dabei – Dr. Beilin aus Plaszow. Er sagte, wir sollten auf die Wunde pinkeln, und das taten wir.“
Von Hirschberg nach Geppersdorf, in der Nähe von Greiffenberg lag das sogenannte Geppersdorfer Lager, ein Außenlager des KL Groß-Rosen; es sollen nur 280 dort angekommen sein.
Arbeitslager Riesa in Wüstegiershof, Außenlager von KL Groß-Rosen
Zwangsarbeiterlager Geppersdorf-Dörnhau bei Oppeln, Dienststelle Schmelt
5.5. 1945 Befreiung durch die „Rote Armee“
6.5.1945 auf der Krankenliste des Lagerkrankenhaus Dörnhau („aus Geppersbach“) mit seinen Paderborn-Chawerim Alfred Ohnhaus und Erich Auerbach
Sein Chawer aus Paderborn Erich Auerbach stirbt nachts in seinen Armen:
„Zwischen denen, die bis zum Befreiungstag aushielten war auch Erich Auerbach aus Münster. Am 4. Mai, … nachdem wir uns 600 km geschleppt hatten, traf ich ihn wieder. Wir waren beide zwei Gerippe aus Haut und Knochen, die auf den Tod warteten … Beide kuschelten wir uns unter eine Decke, umarmten uns fest, um uns zu erwärmen, und sprachen miteinander. …beide schliefen wir ein, friedlich und zuversichtlich, den kommenden Tag der Freiheit zu erwarten. Als ich aufwachte, fand ich Erich tot in meinen Armen.“
Er wird mit Alfred Ohnhaus in ein polnisches Krankenhaus verlegt
Überstellung nach Prag, dann weiter nach Pilsen, wo US-Amerikaner waren
Mit Alfred Ohnhaus von Pilsen nach Paderborn, wo sie aber niemanden von den Paderborner Chaluzim antreffen; Alfred Ohnhaus geht in seine Heimatstadt Essen, findet aber keine Verwandten mehr; Goldschmidt bleibt in Lichtenau
Von Lichtenau nach Bergen-Belsen; dort treffen sie Leo Engel, der sie drängt, auf den Gehringshof zum „Kibbuz Buchenwald“ zu kommen.
Ohny Ohnhaus berichtet davon:
„Als er (Leo Engel FJW) uns sah, ließ er alle seine Angelegenheiten in Bergen-Belsen los und drängte uns, gemeinsam in den Kibbuz Buchenwald in Geringshof zu kommen, um von dort nach Israel auszuwandern. Bis heute sind wir zusammen in diesem Kibbuz.“
1945 Horst Goldschmidt mit Estera Meisner, Ohny Ohnhaus und Leo Engel in „Kibbuz Buchenwald“ auf dem Gehringshof; DP-Center Nr. 138
1946 Vermutlich mit einem der Alija-Beth-Schiffe von Italien nach Haifa, das Schiff wird von den Briten abgefangen und nach Zypern gebracht; britisches Internierungslager auf Zypern
15.2.1947 Einreise mit der HMS OCEAN VIGOUR aus einem britischen Internierungslager auf Zypern;
Zunächst Kibbuz Afikim, dann in den „Kibbuz Buchenwald“ nahe Tel Aviv
1949 umbenannt in „Kibbuz Netzer Sereni“
September 2017 Appell von Horst Goldschmidt zur Bundestagswahl
„Der Höhepunkt der Grausamkeit waren die Todesmärsche: Im kältesten Winter 1945, in den letzten Monaten des Krieges, schickten die Nazis Tausende Häftlinge zu Fuß in die Kälte, oft ohne Essen und Trinken. Sie töteten jene, denen die Kraft fehlte weiterzugehen – all das unter Aufsicht der SS, ukrainischer Söldner und krimineller Häftlinge, unten denen viele Sadisten und Berufsmörder waren.
Ich schäme mich, darüber zu reden, denn ich schäme mich, Mensch zu sein, wenn Kulturmenschen fähig waren, solche grausamen Handlungen auf Befehl durchzuführen. Hütet Euch vor Demagogen!“
13.2.2018 Tod in Tel Aviv
Gedenken
2.8.1985 Page of Testimony für Schwester Thea von Horst Goldschmidt
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_wfn_43a.html
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de11794671
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1058815
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1058647
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_ber_ot24.html
Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998