Karliner Ruth

Ruth Fanny Karliner

*7.9.1923 in Beuthen; ✡ 15.4.1982 in Manchester, Connecticut, USA (Suizid)

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Kurt Karliner *12.8.1896 in Peiskretscham; ✡1942 in Auschwitz

Heirat der Eltern 16.11.1921 in Beuthen

Mutter Irma Böhm *13.1.1891 in Berlin; ✡ 1942 in Auschwitz

Onkel Josef Karliner *27.6.1898 in Peiskretscham; ✡ 25.11.1943 in Auschwitz

Tante Martha Karliner geb.Weissler *11.7.1895 in Nikolai,

Onkel Sylvius Karliner *30.11.1881 in Peiskretscham; ✡ 1944 in Auschwitz

Tante Anita Karliner geb. Koslowsky *17.4.1894 in Guttentag; ✡ 1942 in Auschwitz

Geschwister

Heinz Karliner *22.9.1922 in Beuthen; Mai 1974 in Brentwood; oo Hanna Jacobus

Edith Ditl Karliner *10.3.1925 in Beuthen; oo Leschek Bulder *10.3.1925

Cousinen

Ruth Karliner *10.10.1927 in Peiskretscham; ✡ 1942 in Auschwitz

Ilse Karliner *11.1.1923 in Peiskretscham; ✡ 1942 in Auschwitz

Edith Karliner *22.2.1924 in Peiskretscham; ✡ 1942/43 in Auschwitz

Margot Karliner *29.7.1917 in Peiskretscham; ✡ 24.3.2008 in Beersheba

Beruf Landwirtschaftliche Praktikantin

Adressen Beuthen, Ring 9/10; Trebnitz

Heirat Friedman

Kinder zwei Töchter

Weiterer Lebensweg

Bruder Heinz in der Israelitischen Gartenbauschule Ahlem

Bruder Heinz zur Gärtnerausbildung in die Israelitische Gartenbauschule Ahlem bei Hannover;

In der Liste der Gärtnerei-Lehrlinge von 17.6.1937 ist er allerdings noch nicht aufgeführt;

im Frühjahr 1939 Bruder Heinz als 17-Jähriger mit Kindertransport nach England.

Bei der Minderheitenzählung im Mai 1939 wird er bereits nicht mehr erfasst.

29.9.1939 Bruder Heinz in Hitchin Hertfordshire bei britischen Census; als Beruf gibt er Gartenbaulehrling an, hat also keine Gesellenprüfung in Ahlem abgelegt

Gruppenauswanderer-Lehrgut Groß Breesen

10.11.1938 Überfall der SA auf den Hof in Groß Breesen, alle über 18-Jährigen Bewohner werden mit einem Bus abgeführt und ins KL Buchenwald gebracht, auch Curt Bondy, der als Homosexueller besonders gefährdet war.

Ende 1938 zur Hachschara in das freie, nichtzionistische Gruppenauswanderer-Lehrgut Groß Breesen; im Gegensatz zu anderen Lagern ist Groß Breesen nicht an jüdische Organisationen gebunden.

Schwester Edith „Ditl“ kommt erst nach Erreichen des 14. Lebensjahres dazu.

1936-1939 Lagerleiter Curt Bondy, auf Bitten von Leo Baeck

Ruth Karliner in Groß Breesen, links; Photo A. Weinberg

17.5.1939 Ruth in Groß-Breesen/ Trebnitz bei Minderheiten-Volkszählung

17.5.1939 Schwester Edith bei den Eltern in Beuthen, Ring 9/10 bei Minderheiten-Volkszählung

17.5.1939 Cousine Edith in Peiskretscham, Beuthener Straße 10

29.9.1939 Bruder Heinz in Hitchin Hertfordshire bei britischen Census

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Um­be­nen­nung der noch bestehenden in „Jü­di­sches Ar­beits­ein­satz­lager“

Mai bis September 1941 Auflösung der Hachscharalager Groß BreesenAhrensdorf, Jessen, Havelberg; Verlegung der Chaluzim in das Lehrgut Neuendorf im Sande; nur ein kleiner Teil darf noch im Lehrgut selbst arbeiten, die meisten werden zur Zwangsarbeit verpflichtet.

Die „offizielle“ Schließung von Groß Breesen wird auf den August 1941 terminiert;

Von dort gehen viele in die Forsteinsatzlager des Kreis Lebus, Edith nach Kersdorf, Ruth nach Schönfelde

Oktober 1942 gibt es noch Deportationen aus Groß Breesen; erst Ende Februar/Anfang März 1943 verlassen die letzten „Volljuden“ das Lehrgut.

Wann genau die Schwestern Karliner in das Forsteinsatzlager zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden, ist unbekannt.

20.5.1942 Deportation der Eltern ab Gleiwitz nach Auschwitz

11.7.1942 Cousine Edith Karliner deportiert aus dem Lager Steckelsdorf auf Transport Magdeburg – Dessau-Berlin nach Auschwitz; unter Leitung des Steckelsdorf-Madrich Kurt Silberpfennig, der sich mit Frau und dem siebenjährigen Sohn Siegfried freiwillig dem Transport anschließt. 52 Chawerim kamen aus dem Landwerk Steckelsdorf.

Die Deportation nach Auschwitz

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“

März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert

19.4.1943 Ruth Karliner mit 19 weiteren Chawerim aus dem Forsteinsatzlager Schönfelde auf 37. Osttransport zusammen mit den 153 Chaluzim aus Neuendorf und weiteren Einsatzlagern aus dem Kreis Lebus

Esther Bejarano erinnert sich:

„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“

Esther berichtet auch, dass viele alte und schwache Menschen diese mehrere Tage dauernde Fahrt in den Viehwaggons nicht überlebten. Ihre Leichen blieben die ganze Zeit in den Waggons.
Mit Esther saßen viele der Jugendlichen im Waggon, mit denen sie in Neuendorf zusammen war:

Eli Heymann, Schimschon Bär, Schoschana Rosenthal, Miriam Edel, Anne Borinski, Hilde Grünbaum, Karla und Sylvia Wagenberg, Herbert Growald und noch viele andere.

20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:

„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“

Laut Tochter Vivian habe es in Familie immer geheißen, ihre Mutter Ruth habe die Schwester Edith nach der Selektion nach rechts in die Gaskammer wieder in ihre Reihe zurückgeholt.

Ruth und Schwester Edith werden zur Zwangsarbeit in Auschwitz-Birkenau eingewiesen; Auschwitz-Häftlingsnummer zwischen 41870 bis 42027.

Die Mädchen, welche Fabrik als Beruf angeben, kommen in die im Bau befindliche D.A.W. Minitionsfabrik; die, die Landwirtschaft angeben, ins Stabsgebäude.

Nach vier Wochen kommen die Schwestern in das privilegierte Kommando SS-Wäscherei im Stabsgebäude der SS-Kommandatur in Auschwitz; dort arbeiten 10 junge Frauen aus Neuendorf, u.a. Mine Winter, Jutta Pelz später Bergt, Ruth Meyersohn-Müller, Sofie Löwenstein, Sophie Manela später Ester Pur, Ruth und Schwester Edith Karliner

Die Solidarität in der Neuendorf-Gruppe war groß. Sofie Löwenstein berichtet:

Es gab gute Beziehungen zwischen den Mädchen in Stabsgebäude. Nicht nur unter denen desselben Kommandos (Arbeitsgruppe). Es gab zu viele Mädchen, um mit ihnen befreundet zu sein oder sie auch nur zu kennen, aber wenn jemand Hilfe brauchte, waren alle bereit. Mine Winter/Trenk zum Beispiel war Tuberkulosepatientin. Sie war schwach und es war wichtig, dass sie genug zu essen bekam. So gaben ihr jeden Tag sieben Mädchen ihr Brot und ihre Margarine. Sie vergaß dies nicht und als sie in den Vereinigten Staaten starb, erwähnte sie diese Mädchen in ihrem Testament.“

Die Evakuierung von Auschwitz

15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten

18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge;

18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau

Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:

Zofia Posmysz:

„Der letzte Tag in Auschwitz war der 18. Januar. Nach drei Tagen und drei Nächten zu Fuß wurden wir in offenen Güterwagen nach Ravensbrück gebracht.“

Asher Aud:

„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“

Sigmund Kalinski:

„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“

Isidor Philipp berichtet:

„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“

19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück

21./22.1. 1945 Ankunft der Frauen in Loslau

22.1.-27.1.1945 Miriam mit Anni auf Transport in offenen Kohlewaggons über KL Groß-Rosen und KL Sachsenhausen (jeweils wegen Überfüllung abgewiesen) bis ins KL Ravensbrück; dort zunächst ins „Jugendlager“,

Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.

13.2.1945 im KL Ravensbrück

März/ April 1945 bei Auflösung des „Jugendlagers“ für wenige Tage ins „Frauenlager“

April 1945 Erneute Todesmärsche“ mit jeweils 2000 bis 3000 Frauen in zahlreichen Kolonnen aus dem bereits überfüllten KL Ravensbrück in mehrere Richtungen. Geschwächte und kranke Häftlinge, die dem Marsch nicht mehr folgen konnten, wurden erschossen.

2.5.1945 Befreiung im Ravensbrück-Außenlager Neustadt-Glewe

Mai 1945 Entlassung der Schwestern Karliner aus Buchenwald

6.11.1947 in Cuxhaven, Edith wohnt Catharinenstraße 11, Ruth Bernardstraße 2

13.9.1949 abgemeldet aus Bremen Grohn

27.9.1949 Ruth mit Ehemann Jacob Friedmann ab Bremen mit „Seabord and Western Airlines“ nach New York; Ziel Hartford, Connecticut

15.4.1982 Tod in Manchester, Hartford, Connecticut, USA (Suizid)

Gedenken

16.8.1978 Pages of Testimony für die Eltern von Schwägerin Hannah Karliner

Quellen

Jutta Pelz Bergt, Die ersten Jahre nach dem Holocaust; Hentrich, 1996

https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn500831

Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de893814

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de893808

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/67090602

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/11239945

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212893

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212889

https://www.mappingthelives.org/bio/525c06e5-c484-4b66-8979-af88ab24ba07

Ellis Island und andere New York Passagierlisten, 1820-1957 – Ruth Friedman

Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 7739); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85

BILDER & DOKUMENTE – הכשרות החלוץ בגרמניה – דור המשך (hachshara-dor-hemshech.com)

https://yvng.yadvashem.org/ad

Harald Lordick, Das Landwerk Neuendorf: Berufsumschichtung – Hachschara – Zwangsarbeit; in Pilarczyk, Ulrike (Hrsg) Hachschara und Jugendalija, Schulmuseum Steinhorst, 2019

Lore Shelley (Editor), The Union Kommando in Auschwitz, Lanham, New York, London, 1996

Wiehn Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010, Hartung Gorre Verlag

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de

https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=FL4311316

Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten

Harald Lordick, Landwerk Neuendorf in Brandenburg, in: Kalonymos, 2017, Heft 2

Esther Bejarano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989

Esther Bejarano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013

Anneliese Ora-Borinski, Erinnerungen 1940 – 1943, Kwuzat Maayan-Zwi, Israel 1970

Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386

Video-Interview mit Issy Philipp 1994

Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015

Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883

Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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1 Kommentar

  1. I am a daughter of Ruth Fanny Karliner Friedman and am immensely grateful for this. I have been researching my family’s Holocaust history, but much of this is new to me. I am still not certain the reference to Buchenwald and Belsen is correct. If Jutta Bergt Pelz’s recollection is accurate, they went directly to the British Zone in Belgium from Neuestadt-Glewe (Ravensbruck Sub-camp.) Is there a way we can clarify? THANK YOU!!

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