
Anita Lasker
*17.7.1925 in Breslau; lebt in London
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch

Vater Alfons Lasker, Rechtsanwalt *22.10.1886 in Kempen; ✡ Juni 1942 in Izbica

Mutter Edith Hamburger *20.6.1894 in Gleiwitz; ✡ Juni 1942 in Izbica
Geschwister

Marianne Lasker *14.1.1924 in Breslau; ✡12.3.1952 in Israel; oo Rolf Adlerstein (1919-2013); Tochter Michal Adlerstein *22.7.1947 in Petach Tikwah

Renate Lasker *14.1.1924 in Breslau; ✡3.1.2021 in La Croix Valmer, Provence; oo Richard Boele
Beruf Landwirtschaftlicher Praktikant
Adressen Breslau, Höfchenstraße 1
Heirat 1952 mit Peter Hans Wallfisch *20.10.1924 in Breslau; 10.11.1993 in London
Kinder
Raphael Steven Wallfisch *1953
Maya Wallfisch *1958
Weiterer Lebensweg
Schwester Marianne absolviert als Hachschara eine Tischlerlehre; die Schwestern sind Mitglied in der zionistischen Jugendgruppe „Werkleute-Bund jüdische Jugend“
1938 zur weiteren Ausbildung als Cellistin nach Berlin zu Leo Rostal
November 1938 nach dem „Pogrom“ Rückkehr nach Breslau
17.5.1939 mit den Eltern und beiden Schwestern bei Minderheiten-Volkszählung
Sommer 1939 Schwester Marianne entkommt als Kindertransportbegleiterin nach England
29.9.1939 Marianne Lasker bei britischen Census auf der Refugee Training Farm, Great Engham Manor, Tenterden, Kent, England
Ab Oktober 1941 mussten die Schwestern mit vielen anderen jüdischen Jugendlichen aus Breslau täglich 30 Kilometer zur Zwangsarbeit in die Papierfabrik Sakrau fahren. Dort mussten sie Toilettenpapier rollen.
9.4.1942 Beide Eltern ins Sammellager Schießwerderplatz oder Saal der Freundeloge in der Graupenstraße in Breslau
13.4.1942 Beide Eltern ab Breslau nach Izbica deportiert
Anita wohnt mit Schwester Renata im Jüdischen Waisenhaus Breslau
Eigenhändig gefälschte Pässe werden ihnen beim Versuch der Ausreise zum Verhängnis, sie werden schon am Bahnhof verhaftet und am
5. Juni 1943 Anita wird zu 1 1/2 und Renata 3 1/2 Jahren Zuchthaus wegen Urkundenfälschung verurteilt.
Dezember 1943 wird Anita aus dem Gefängnis in einem Gefangenenwaggon vom Breslauer Hauptbahnhof nach Auschwitz deportiert und zur Zwangsarbeit in Auschwitz-Birkenau eingewiesen – vermutlich in Block 10, dem einzigen politischen Block mit Deutschen. So sie entgeht als „verurteilte Gefangene“ den Massenselektionen an der Rampe; sie bekommt die Auschwitz-Häftlingsnummer 69388 in den linken Unterarm tätowiert;
Schwester Regina kommt in das privilegierte „Rotkäppchen-Kommando“ (wegen der roten Kopftücher der Frauen) in der Effektenkammer des Lagers im Lagerbereich „Kanada“.
Das Mädchenorchester von Auschwitz
Esther Loewy/Bejarano berichtet über die Aufstellung des Mädchenorchester von Auschwitz im April 1943
„Als dann die Dirigentin, Zofia Czajkowska eines Tages bei den Blockältesten nach Musikerinnen suchte, wurden meine Freundinnen Hilde Grynbaum, Sylvia Wagenberg und ich vorgeschlagen… Auch meine Freundinnen wurden akzeptiert, Hilde als Geigerin, Sylvia als Flötistin, und so zogen wir drei in die Baracke, in der die Musiker schliefen, die sogenannte Funktionsbaracke.“

Anfang Dezember 1943 wird sie Mitglied im Mädchenorchester der Alma Rose, Dirigentin von August 1943-April 1944
Anfang Januar 1944 mit einem schwer verlaufenden „Typhus“ in das Frauenrevier
4. 4.1944 Tod von Alma Rose (*3.11.1906 in Wien, 4.4.1944 in Auschwitz)
April 1944 Sonia Winogradowa wird neue Leiterin und verlangt den Ausschluss der jüdischen Musikerinnen
„Als 1944 Tausende von ungarischen Juden in das Lager gebracht wurden und aufgereiht standen, um in die Gaskammern geführt zu werden, mussten wir auch diesen Unglücklichen etwas vorspielen.“
18.8.1944 Anita Lasker auf der Liste „Laboruntersuchungen des SS-Hygiene-Instituts Auschwitz, betreffend Urin-, Blut-, Stuhl- und Sputumproben sowie Rachenabstriche von Häftlingen des Konzentrationslagers Auschwitz“

Insgesamt 23 Orchestermitglieder, u.a.:
Helene Dunicz, Jadwiga Zatorska, Fanny Kornblum, Lilly Mathe, Kazimiera Malistowa (Malys), Christa Budzinska, Maria Mosa, Regina Kuperberg, Eva Benedek, Lotte Lebeda, Fanny Rubak, Charlotte Grunow, Olga Losowa, Lola Croner, Helene Rounder, Bronia Labusa, Sonia Winogradowa, Maria Galewa.
Diese Tests erfolgen vermutlich vor einer geplanten Verlegung der Frauen in die Kleiderkammer im Lagerbereich „Kanada“.
1.11.1944 Verlegung mit etwa 30 Mitgliedern des Mädchenorchester aus Auschwitz nach Bergen-Belsen
15.4.1945 Befreiung durch die Royal Army in Bergen Belsen
16.4.1945 ein Bericht von Anita Lasker wird über den Deutschen Dienst der BBC ausgestrahlt:
„Es stand ein Arzt und ein Kommandant bei Ankunft der Transporte an der Rampe und vor unseren Augen wurde sortiert. Das heißt: Man fragt nach dem Alter und dem Gesundheitszustand.“ „Besonders hatte man es auf Kinder und Alte abgesehen. Rechts links, rechts links. Rechts ist zum Leben, links ist zum Kamin.“
20.4.1945 ein Bericht von Charlotte Grunow wird über den Deutschen Dienst der BBC ausgestrahlt:
„Gleich am Bahnhof wurde man sortiert, in arbeitsfähig und in nicht arbeitsfähig. Frauen mit Kindern und Männer, die Krankheiten oder irgendwelche Gebrechen hatten, wurden auf Autos geladen, von denen wir nicht wussten, wohin sie fuhren. Im Lager selbst hörten wir dann erst, dass diese Leute alle in das Gas gegangen sind, eine Sache, die man sich kaum vorstellen kann, wenn man nicht diesen schrecklich roten Himmel tagtäglich vor sich gesehen hat und gewusst hat, dass dort nicht nur Kranke, sondern blühende junge Menschen, die ein kleines winziges Fleckchen am Körper hatten, hingegangen sind.“

14.6.1945 auf der Liste deutscher Jüdinnen in Bergen Belsen die Mitglieder des Mädchenorchesters: Ruth Basinski, Hilde Grynbaum, Charlotte Grunow, Elga Schiessel; Renate und Anita Lasker, Sylvia Wagenberg, Carla Wagenberg;
ebenfalls in Bergen Belsen Regina Kuperberg, Helen Dunicz, Elsa Miller, Flora Jacobs, Rachela Selmanowitz



4.6.1945 UNRRA-Suchanfrage durch E. Lasker für die Schwestern Anita und Renate

28.12.1945 gemeldet Chausee de Louvain 1 in Tervueren bei Brüssel
26.1.1946 noch in Belgien
1946 Emigration nach England,
15.10.1947 bei Renata ALLAIS, Adresse 11 A Brentwood Gardens Enfield West Middlesex in Hendon
Mitbegründerin des English Chamebr Orchestra, London
31.1.2018 Anita Lasker-Wallfisch Hauptrednerin auf der Gedenkveranstaltung des Deutschen Bundestag zum 73. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz; als Ehrengast Schwester Renate Lasker-Harpprecht
Gedenken/Ehrungen
Grabstein für Schwester Marianne auf dem Hama’Apil Cemetery, Hasharon, Israel
MBE Order of British Empire
Médaille de la Reconnaissance française (Passfälschungen für frz. Kriegsgefangene)
3.9. 2019 Deutscher Nationalpreis
2020 Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland
Quellen
Anita Lasker-Wallfisch – Wikipedia
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de908769
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de908771
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_sln_420413.html
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/85986054
https://thegirlsintheauschwitz.band
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/81967955
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/86224267
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/67981712
https://www.dw.com/de/als-auschwitz-befreit-wurde/a-16505726
BILDER & DOKUMENTE – הכשרות החלוץ בגרמניה – דור המשך (hachshara-dor-hemshech.com)
Harald Lordick, Das Landwerk Neuendorf: Berufsumschichtung – Hachschara – Zwangsarbeit; in Pilarczyk, Ulrike (Hrsg) Hachschara und Jugendalija, Schulmuseum Steinhorst, 2019
Lore Shelley (Editor), The Union Kommando in Auschwitz, Lanham, New York, London, 1996
Wiehn Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010, Hartung Gorre Verlag
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=FL4311316
Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten
Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947
Harald Lordick, Landwerk Neuendorf in Brandenburg, in: Kalonymos, 2017, Heft 2
Esther Bejarano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989
Esther Bejarano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013
Anneliese Ora-Borinski, Erinnerungen 1940 – 1943, Kwuzat Maayan-Zwi, Israel 1970
Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386
Video-Interview mit Issy Philipp 1994
Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015
Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013