Sophie Manela später Ester Pur; Spitzname Moffi
*2.1.1925 in Kesselbach; ✡ 19.8.2008 im Kibbuz Netzer Sereni
Staatsangehörigkeit staatenlos
Religion jüdisch
Vater Jakob Manela *16.10.1877 in Pajenzer; Buchdrucker; ✡27.2.1933 in Allendorf
Mutter Chaja Anna Kerper *3.5.1895 in Reckschewa; ✡ nach Sept.1942 Treblinka
Geschwister sieben, davon zwei Halbbrüder Paul und Bernhard aus erster Ehe des Vaters
Jehuda Dill Manela *9.9.1921 in Keselbach; ✡12.5.1982 in Tel Aviv
Berta Bacheta Manela * 17.2.1923 in Kesselbach; Internment Camp Gurs; überlebt in Frankreich
Siegbert Manela *29.10.1926 in Kesselbach; Treblinka
Martin Manela *15.8.1928 in Kesselbach;
Heinz Manela *2.11.1930 in Kesselbach;
Beruf landwirtschaftliche Praktikantin, Gärtnerin; Sozialarbeiterin
Adressen Frankfurt; Kesselbach bei Allendorf/Gießen, Treiserstraße 44; Kassel; Spreenhagen; Arensdorf; Neuendorf
Heirat 17.12.1945 im DP Camp Feldafing, David Fuhrmann *20.10.1924
Kinder
Nahum Pur *19.9.1950; oo Dvorah Unger, Tochter von Eva Warburg und Naftali Unger
Hagit Pur *10.10.1953; oo Mass; USA
Weiterer Lebensweg
1931-1933 Einschulung in Frankfurt, öffentliche Volksschule
Bruder Jehuda an der Breuer Jeschiwa, Schwester Berta in der angegliederten Schule von Rabbi Hirsch
27.2.1993 Tod des Vaters mit 57 Jahren infolge eines Herzinfarktes
15.12.1935 die in der Folge überforderte Mutter bringt Sophie, und die Brüder Siegbert und Martin ins Israelitischen Waisenhaus in Kassel, Gießbergstraße 7

vermutlich abgebildet die Geschwister Sophie Martin und Siegbert Manela
Die Kinder lebten dort üblicherweise bis zu ihrem vierzehnten Lebensjahr.
Das Israelitische Waisenhaus in Kassel im Novemberpogrom
7.11.1938 SA-Mob überfällt das Kinderheim, Ben Ernst Friedmann (*1925) erzählt:
„Gegen 20 Uhr am Abend des 9. November 1938 kamen SA-Männer in das Israelitische Waisenhaus in Kassel an der Gießbergstraße 7 und trieben alle männlichen Bewohner aus dem Haus auf die Straße, so auch mich und zwei meiner Freunde. Auf der Straße waren schon viele Männer versammelt und wir mussten alle gemeinsam zum Ständeplatz marschieren.„
Nach der Zerstörung des Wohnbereichs des Waisenhauses durch SA-Horden werden die Kinder auf Familien verteilt, Sophie kommt für zwei Wochen zur Familie Rothschild; eine Adoption dieser Familie lehnt sie ab: „Ich will nach Erez Israel!„
17.5.1939 mit Bruder Siegbert und Martin in Kassel bei Minderheiten-Volkszählung
29.8.1939 Bruder Jehuda mit der Jugendalija nach England
1.9.1939 Überfall der Wehrmacht auf Polen
19.12.1939 Fremdenpass ausgestellt im Polizeipräsidium Kassel
28.1.1940 Bruder Siegbert aus dem Kinderheim Kassel abgemeldet nach Gut Winkel
28.1.-12.2.1940 Sophie bei Tante Chaya Dill Hellmann, Verwandte der Mutter in Berlin, Auguststraße 3 für zwei Wochen gemeldet
12.2.1940 von Berlin zur Hachschara in das Umschulungslager Gut Winkel, Spreenhagen

12.2.1940 von Sophie M. persönlich geschriebene Anmeldung in Spreenhagen
1940 zur Hachschara ins Landwerk Ahrensdorf, Pfadfinderbund Makkabi HaZair
Ende Mai -Ende September 1941 Auflösung des Hachscharalagers Ahrensdorf;
27.5.1941 Verlegung mit 15 Chawerim in das Lehrgut Neuendorf im Sande;
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung der noch bestehenden in „Jüdisches Arbeitseinsatzlager“
2.4.1942 Verhaftung von 63, besonders älteren, staatenlosen oder zuvor bei der Gestapo auffällig gewordenen Bewohnern des Landwerks Neuendorf; Deportation auf Lastwagen in eine große Turnhalle nach Frankfurt/Oder, wo noch 100 Juden aus den Forst- und Ernteeinsatzlagern in Beerfelde, Hangelsberg, Hasenfelde, Jakobsdorf, Kaisermühl, Kersdorf, Pillgram, Schönfelde und Treplin hinzustoßen.
Lagerleiter Gerson reist mit nach Frankfurt/Oder und kann Sophie Manela und eine kleine Gruppe weiterer Chaluzim nach Neuendorf zurückholen.
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
10. 4.1943 Aus Neuendorf mit LKW nach Fürstenwalde, von dort mit der Bahn nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager Große Hamburger Straße
19.4.1943 ab dem Berliner Güterbahnhof Moabit auf dem 37. Osttransport als Teil der Fabrikaktion, allein 153 Personen aus dem Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde.
Esther Bejarano erinnert sich:
„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“
Esther berichtet auch, dass viele alte und schwache Menschen diesen mehrere Tage dauernden Horrortrip in den Viehwaggons nicht überlebten. Ihre Leichen blieben die ganze Zeit in den Waggons.
Mit Esther saßen viele der Jugendlichen im Waggon, mit denen sie in Neuendorf zusammen war: Eli Heymann, Schimschon Bär, Schoschana Rosenthal, Miriam Edel, Anne Borinski, Hilde Grünbaum, Karla und Sylvia Wagenberg, Herbert Growald und noch viele andere.
20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:
„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“
Häftlingsnummer ?
Nach 4 Wochen im Hauptlager von Auschwitz-Birkenau kommt sie in die Wäscherei in der außerhalb gelegenen Kommandantur, dem Stabsgebäude der SS in Auschwitz I; dort arbeiten 10 junge Frauen aus Neuendorf, u.a. Mine Winter, Jutta Pelz später Bergt, Ruth Meyersohn-Müller, Sofie Löwenstein, Sophie Manela später Ester Pur, Ruth und Schwester Edith Karliner; dort ist sie etwa acht Monate
Die Pflanzenzuchtstation Rajsko
1944 verlegt in das Außenlager Raisko, Arbeitskommando Gartenbau; Gartenbau wurde im Hauptlager bereits ab 1940 betrieben; 1941 erfolgte dann die Verlegung nach Rajsko; in der Pflanzenzuchtstation wird an der Kautschukproduktion mit „Russischem Löwenzahn“ geforscht; es wurden aber auch Zierpflanzen für die Gattinnen der SS-Offiziere gezogen. Frau Höss bediente sich hier ungeniert ohne zu bezahlen.
1942 befanden sich im Lager Raisko etwa 300 weibliche und 150 männliche Häftlinge, im März 1944 auf 435 Frauen und 246 Männer; die Unterbringung erfolgte im Barackenlager auf dem Gelände des Gartenbaubetriebs.
Leiter war SS-Haupzscharführer Reinhard Thomsen
Aufseherinnen waren Flora Cichon, Anneliese Franz, Johanna Bormann
Johanna Bormann 1945
Esther Pur berichtet:
„Wir wurden von der SS beaufsichtigt, Frauen, als wir in einem Frauenlager waren. Als wir in Auschwitz arbeiteten, gingen wir durch die Felder, und ich erinnere mich, es gab eine Zeit, da schauten SS-Männer nach uns, wie unsere Kleidung war, und ich saß zufällig in der ersten Reihe, ich trug nicht das, was vorgeschrieben war, und ich bekam eine Ohrfeige: Warum bin ich nicht richtig angezogen?! Und ich wollte meinen Mund aufmachen und erklären, aber ich sah, dass er die Hand hob, also verstand ich: Ich muss die Klappe halten. Es war das erste und letzte Mal, dass ich von ihnen geschlagen wurde. Und ich fand heraus, es war Himmler selbst, der mich geohrfeigt hat.“
1944 Adi Lindenbaum hilft Sophie Manela, später Ester Pur im Auschwitz-Außenlager Rajsko bei der Beschaffung von Zivilkleidung für ihre Flucht; Ester Pur berichtet:
„Bis eines Tages einer der Jungen aus dem Lager kam, sein Name war Adi Lindenbaum, der auch in der Hachschara-Ausbildung (Gartenbauschule Ahlem FJW) war – ich kannte ihn nicht, er war aus einer älteren Klasse, er kam zu meinem Gewächshaus in Rajsko und transportierte Pflanzen dorthin, Auschwitz und dann Rückkehr ins Lager. Ich sagte zu ihm: Schau, Eva hat mir gesagt, es ist ausgemacht, dass es einen Fluchtplan gibt, was denkst du, kannst du uns helfen? Etwas zum Mitbringen, damit wir selbst Kleidung nähen können. Denn das, was wir trugen, waren Kleidungstücke mit Lagerstreifen. Also sagt er: Ich werde es dir bringen. Und er brachte eine Decke, zwei Hemden und eine Hose mit. Und wir haben es versteckt, wir haben gesagt: Eva, was denkst du, vielleicht denken wir darüber nach, wie wir fliehen können Und sie sagte: Vielleicht.“
5.1.1945 Sophie und Eva gelingt die Flucht aus dem Außenlager Rajsko; mit der Freundin Eva schlägt sie sich nach Olmütz in Tschechien durch, wo sie unter falscher Identität in einem Wehrmachtslazarett arbeitet. Bei Evakuierung des Lazaretts fährt sie mit dem Lazarettzug mit. Sie springt kurz vor Prag aus dem Zug heraus.
Dieser wird von Einheiten der Roten Armee und Partisanen gestoppt.
Später kann sie sich in das UNRA-Camp nach Landsberg durchschlagen;
25.7.1945 Zionistische Konferenz mit 94 Vertretern der Kibbuz-Gruppen aus den einzelnen DP-Lagern in St. Ottilien, US-DP-Lager, ehemaliges Benediktinerkloster bei Landsberg, davon 5 Vertreter des Kibbuz Buchenwald: Yehezkel Tydor, Alex Grynbaum, Simcha Dymant, Paltiel Rosenfrucht (Ben Haim) und Leib Grynfeld .
Zusammen mit Hilde Grynbaum Teilnehmerin der Zionistischen Konferenz im DP Camp Landsberg; dort lernt sie auch ihren zukünftigen Mann David kennen und erhält die Erlaubnis zu ihm in das DP Camp Feldafing zu wechseln
17.12.1945 am Vorabend von Yom Kippur Heirat im DP-Camp Feldafing
Sie gehen in den „Kibbuz Buchenwald“ auf dem Gehringshof bei Hattenhof
Mit dem Ehemann bekommt sie den Auftrag, 20 überlebende Kinder nach Israel zu begleiten
In Südfrankreich besteigt das Ehepaar Furmann mit den 20 Kindern insgesamt 2641 Ma‘apilim das Alija Beth-Schiff SS THEODOR HERZL/GUARDIAN
13.4.1947 Ankunft der SS THEODOR HERZL/GUARDIAN in Haifa; das Schiff wird von Britischer Marine aufgebracht und nach Zypern geleitet, wo die Passagiere in einem der britischen Internierungslager festgehalten werden. Gründung eines Jugenddorfes
Ende 1947 die britischen Behörden erlauben die Einreise von Kindern aus Zypern nach Palästina; Einreise in Haifa; sie schließen sich dem Kibbuz Afikim an
Januar 1949 Wechsel von Afikim in den Kibbuz Buchenwald -Netzer Sereni
Lange Jahre im Kibbuz in der Kleinkinderbetreuung
Sozialarbeit-Studium an der Midreshet Ruppin
Arbeit im öffentlichen Gesundheitswesen und in der Altenpflege.
In ihren letzten Jahren war sie von Demenz und Lähmungen gezeichnet.
Die Deportation der Mutter und Brüder
30.9.1942 Mutter mit den Brüdern Martin, Heinz und Siegbert nach Treblinka deportiert
Der Weg des Ehemann David Furman aus Schaulen/Litauen
18.8.1944 aus dem Ghetto/KL Kauen nach Dachau verlegt;
Zwangsarbeit im Lagerkomplex Kaufering, Dachau-Außenlager bei Landsberg

April 1945 in Kaufering von der US-Army befreit
Lazarett St. Ottilien, Landsberg, Germany
17.12.1945 am Vorabend von Yom Kippur Heirat im DP-Camp Feldafing
Gedenken
2.6.1991 Pages of Testimony für die Mutter und Geschwister von Schwester Berta Bloch Manela
Quellen
Biografie von Esther Pur, zur Verfügung gestellt von ihrem Sohn Nahum Pur, Übersetzung aus dem Hebräischen von Ari Lipinski
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1113848
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de924327
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de923923
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT420930-3.jpg
https://collections.arolsen-archives.org/en/document/10645606
https://collections.arolsen-archives.org/en/document/11207108
https://www.kassel-stolper.com/biografien/familie-heilbrunn/israelitisches-waisenhaus/
Anneliese Ora Borinski, Erinnerungen
Herbert Fiedler, Eine Geschichte der Hachschara; Verein Internationale Begegnungsstätte Hachschara-Landwerk Ahrensdorf e.V
Herbert und Ruth Fiedler, Hachschara, Hentrich & Hentrich 2004
http://www.hachschara-ahrensdorf.de/html/body_anfang.html
Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015
Urs Faes, Ein Sommer in Brandenburg, Suhrkamp 2015
https://objekte.jmberlin.de/person/jmb-pers-12574/Herbert+Sonnenfeld?se=Suche&qps=q%3DSonnenfeld
https://www.ortschroniken-mv.de/images/d/d9/MAL_KZ_Aussenlager.pdf
https://www.ernster.com/annot/564C42696D677C7C393738333839313434333533387C7C504446.pdf?sq=2
https://www.topfundsoehne.de/ts/de/service/mediathek/videos/2020/139178.html
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013
Video-Interview mit Issy Philipp 1994
Esther Bejarano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989
Esther Bejarano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013
Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386
Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883
Trifft bei einem Besuch in Berlin in der Synagoge auf Hilde Grünbaum, die sie überzeugt, auch ins Landwerk zu kommen; Freundschaft mit Hilde Grünbaum und Hanna Lewy