Erich Hersch Auerbach
*22.12.1922 in Telgte; ✡4./5.5.1945 Lagerkrankenhaus Dörnhau, Geppersdorf Außenlager von Groß-Rosen
Vater Jakob Auerbach *20.11.1874 in Telgte; Metzger; ✡25.5.1942 in Litzmannstadt, Ghetto Lodz
Mutter Jeanette Berger *14.2.1884 in Mayen; ✡ 25.6.1940 im Krankenhaus in Münster
Tanten
Fanny Auerbach *9.2.1876 in Telgte; ✡ 8.8.1942 in Litzmannstadt, Lodz
Klara Auerbach *9.8.1877 in Telgte; ✡in Izbica
Cousin Walter Mendel Auerbach *18.2.1913 in Essen; +28.4.1942 in Minsk
Geschwister
Alfred Auerbach *20.4.1923; 1939 Hamburg- Blankenese, Jüdisches Landschulheim Wilhelminenhöhe; Hachschara Vorbereitungskurs zur Emigration nach Palästina; später von Schniebinchen nach Haifa; ✡19.5.2006 Petach Tikwa
Kurt Auerbach *16.9.1926 in Telgte; ✡29.6.1944 in Litzmannstadt, Lodz
Beruf Metzgerlehrling bei Albert und Leo Issen
Adressen Telgte Nr. 149, Steinstr.4 , Bahnhofstr. 340; Recklinghausen, Herner Str.64 b; Paderborn, Grüner Weg 86
Weiterer Lebensweg
22.5.1936 – 19.1.1937 Metzgerlehrling in Syke
11.3.1937 – 9.11.1938 Metzgerlehrling bei Issen, Herner Straße 64 b
ebenfalls Metzgerlehrling bei Issen war Werner Isack *5.9.1919; am 15.10.1937 abgemeldet nach Essen-Steele
17.11.1938 Wegzug nach Telgte, Steinstr. 149, zu den Eltern
Umzug in Telgte auf die Bahnhofstr. 340
17.5.1939 in Telgte mit den Eltern , den Brüdern Alfred und Kurt sowie den ledigen Tanten Fanny und Klara Auerbach bei Minderheiten-Volkszählung
September 1939 Bruder Alfred gelingt die Emigration nach Palästina
20.11.1939 Erich Auerbach von Telgte kommend ins Umschulungs- und Einsatzlager Paderborn, Grüner Weg
22.8.1940 Cousin Walter Auerbach von Bremen kommend, vermutlich zuvor bei seiner Mutter in Bremen, ins Umschulungs- und Einsatzlager Paderborn, Grüner Weg
1.4.1940 Erich erwähnt im Polizeibericht zu der geplanten Emigration
Jan.1941 Umzug des Vaters mit seiner unverheirateten Schwester Fanny *1876 und Bruder Kurt nach Wuppertal
27.10.1941 Eltern und Bruder Kurt von Wuppertal über Düsseldorf nach Lodz
20.11.1939 – 2. 3.1943 Umschulungs- und Einsatzlager der RVJD, Paderborn, Grüner Weg 86
27.2.1943 die Pforte des Lagers Paderborn wird von Polizisten bewacht, um Fluchten zu verhindern
1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Paderborn; mit der Bahn nach Bielefeld; mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz
Erwin Angress berichtet:
„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht‘ ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“
2.3.1943 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager
3.3.1943 Ankunft und Selektion in Auschwitz; Ernst Michel berichtet:
„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“
Eingewiesen in Auschwitz III zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, Häftlingsnummer 104895
Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943
„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“
Ein Auftrag für Issy Philipp
Erich Auerbach wendet sich in Monowitz mit der Bitte an Issy Philipp, den Führer der Paderborner-Gruppe; Auszug aus dem Interview mit Issy Philipp 23.5.1993:
„… Ich erinnere mich zum Beispiel, Auerbach, ein junger Mann, 18 Jahre alt, kam eines Tages zu mir und sagte: „Issy, sollte ich nicht zurückkommen, ich habe einen Bruder in Tel Aviv (Alfred), ich weiß nicht seine Adresse, kenne die Straße nicht. Wenn du nach Eretz kommst und ihn siehst, erzähle ihm, dass du mich kanntest. Was soll ich sagen. Es kam der Tag, der Befreiung, es kam der Tag der Alijah nach Eretz Israel, es kam der Tag, wo ich im Haus meines Bruders lebte. Es kam der Tag, wo ich nach Tel Aviv gehen wollte. Ich war in Yad Eliahu und wollte ein Taxi nehmen. Ich komme zum Taxistand, da sehe ich eine Person (die Erich sehr ähnlich sieht) und sage: „Heißt du Auerbach?“. Er antwortet: „Ja!“
„Seit Jahren – das ist jetzt ein Jahr her (1992 ) – hatte ich diese Person nicht mehr gesehen, nur aus einem Reflex heraus erkannte ich, dass es sein Bruder war. Es war wirklich sein Bruder. Ich erzählte ihm, dass ich seinen Bruder kannte.“
Interviewer: Er hat nicht überlebt?
„Er hat nicht überlebt. Wir verloren ihn auf dem Marsch.„
Issy Philipp hatte Erichs Auftrag nach 47 Jahren erfüllt!
Die Evakuierung von Auschwitz
Die Todesmärsche
Von Auschwitz nach Nikolai
18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge; aus dem KL Monowitz ca. 10000 Häftlinge in zehn Kollonnen auf dem Todesmarsch über 42 km von Monowitz nach Nikolai; die deutschen Juden gehen in der ersten 1000er Kolonne.
Übernachtung in in Nikolai einer leerstehenden Ziegelei
Hilde Zimche, die spätere Frau von Piese Ernst Zimche (Kibbuz Netzer Sereni) berichtet:
„Efraim (Horst Goldschmidt) war zu schwach zu gehen. Den ganzen Weg lang, mehrere Tage, viele Kilometer, nahmen ihn seine Freunde in die Mitte und stützten ihn. Ohne die gegenseitige Unterstützung wären wir verloren gewesen.“
Isidor Philipp berichtet:
„Am 18. Januar 1945 kam der Todesmarsch nach Gleiwitz. Theo Lehmann und ich schleppten einen Häftling, einen jungen schwachen Mann, bis Gleiwitz mit. 80 Kilometer im tiefen Schnee. Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“
Die Route des Todesmarsches von Auschwitz über Nikolai (Übernachtung in einer Scheune) nach Gleiwitz (ca. 50 km).
Der Todesmarsch nach Geppersdorf
21.4.1945 3000 Häftlinge müssen nach zwei Tagen Wartens in eisiger Kälte einen wochenlangen Todesmarsch zum Lager Geppersdorf antreten, ein Außenlager des KL Groß Rosen; dazu gehören u.a. die Chawerim:
Willy Chanan Ansbacher, Erich Auerbach, Günter Bähr, David Ceder, Werner Coppel, Benjamin Feingersch, Michael Miki Goldmann (*26.7.1925 in Kattowitz), Horst Goldschmidt, Erich Heymann, Gerhard Maschkowski, Abraham Matuszak, Hans Nebel, Alfred Ohnhaus, Alfred Stillmann.
Ein Überlebender berichtet:
„Am 21. Januar mussten wir mit dem Zug weiterfahren. 4500 Gefangene wurden in offene Waggons verladen, in die jeweils 100 bis 130 Menschen gepresst wurden. 30 Stunden mussten wir auf die Abfahrt warten, bei Temperaturen von 15 bis 20 Grad unter Null. Dann, nach nur 15 Kilometern, stoppte der Zug. Den Häftlingen wurde befohlen, die Waggons sofort zu verlassen. Wem von der Kälte die Glieder steif geworden waren, so dass er den Wagen nicht schnell genug verlassen konnte, der wurde erschossen.“
Der Todesmarsch führt über Ratibor, Neustadt, Neisse, Glatz, Frankenstein, Langenbielau, Waldenburg, Hirschberg nach Geppersdorf, in der Nähe von Greiffenberg lag das sogenannte Geppersdorfer Lager, ein Außenlager des KL Groß-Rosen; es sollen nur 280 dort angekommen sein.
Die Katastrophe von Landeshut
Tod von Günter Bähr in der Nacht vom 20.-21.2.1945 in der Nähe von Landeshut, Außenlager des KL Groß Rosen; das SS-Unternehmen Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH (DEST) in Landeshut nutze ein unterirdisches Stollensystem. In den letzten Kriegsjahren hatten einige auf Rüstungsproduktion umgestellte Betriebe ihre Produktion hierher verlagert.
Alfred Ohni Ohnhaus berichtet
„Eines Tages kamen wir in Landeshut an. Wir waren etwa siebenhundert Personen. Dort steckten sie uns über Nacht in einen Tunnel einer Mine. … Sie schlossen die Tür hinter uns. Dann öffneten sie es und brachten uns Essen. Es war eine Suppe, die wir mit den Bewohnern organisierten. Und wieder schlossen sie die Tür und gingen. Wir blieben im Tunnel und plötzlich fühlten wir uns erstickt. Nein, sie hatten nicht die Absicht, uns zu töten, aber die Anlage, die normalerweise Luft in den Tunnel pressen würde, wenn sie dort arbeiteten, funktionierte nicht für uns. Wir rannten vorwärts, bis zum Ende des Tunnels. Da waren Benjamin Feingersch, Günter Bähr, Bernd Oppenheimer, David Ceder, Hersch (Erich) Auerbach und Ephraim (Horst Goldschmidt), sie standen an der Tür. Und wir gingen zurück, vielleicht gab es dort mehr Luft, vielleicht gab es dort einen Ausgang. Aber dem war nicht so. Der erste ging nach vorne, David Sader, und kehrte nicht zurück, er fiel in Ohnmacht. Ich ging ihm nach, wandte mein Gesicht der Wand zu und atmete die Nässe des Steins ein, aber auch ich fiel in Ohnmacht.
Am nächsten Morgen wachte ich auf und fühlte Leichen auf mir liegen. Einige starben an Erstickung, andere starben, weil sie von ihren Freunden überfahren wurden, die raus wollten. Etwa dreihundert Menschen starben in diesem Tunnel, darunter zwei aus unserer Gruppe: Günter Bähr und Bernd Oppenheimer.“
Zwangsarbeiterlager Geppersdorf-Dörnhau bei Oppeln, Dienststelle Schmelt
Weiter in das Arbeitslager Riesa in Wüstegiershof, Außenlager von KL Groß-Rosen
22.4.1945 Verlegung in die 1944 eingerichtete zentrale Krankenstation des Lager-komplexes Riese in Dörnhau
5.5. 1945 Befreiung durch die „Rote Armee“
9.5.1945 Erich Auerbach mit Alfred Ohnhaus und Horst Goldschmidt auf einer Krankenliste des Lagerkrankenhauses Dörnhau („aus Geppersbach“)
Horst Ephraim Goldschmidt erinnert sich an seinen Chawer aus Paderborn Erich Auerbach, er stirbt in der Nacht vom 4. auf den 5. Mai 1945 in seinen Armen:
„Zwischen denen, die bis zum Befreiungstag aushielten war auch Erich Auerbach aus Münster. Am 4. Mai, … nachdem wir uns 600 km geschleppt hatten, traf ich ihn wieder. Wir waren beide zwei Gerippe aus Haut und Knochen, die auf den Tod warteten … Beide kuschelten wir uns unter eine Decke, umarmten uns fest, um uns zu erwärmen, und sprachen miteinander. …beide schliefen wir ein, friedlich und zuversichtlich, den kommenden Tag der Freiheit zu erwarten. Als ich aufwachte, fand ich Erich tot in meinen Armen.“
Gedenken
1997 besuchte Bruder Alfred im heutigen Polen die Gedenkstätte Dörnhau, wo die ermordeten Lagerinsassen in Massengräbern begraben wurden. Hier konnte er endlich das Kaddisch sprechen. Foto Anne Westhues
Stolpersteine für Jacob, Klara, Fanny, Erich und Kurt Auerbach in Telgte
Quellen
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT411027-Wuppertal1.jpg
http://www.erinnerung-und-mahnung.de/bildergalerie/
Beck, Dorothea; Kröner, Hans-Peter; Beck, Klaus (Hg) Erinnerung und Mahnung – Verein zur Förderung des Andenkens an die Juden in Telgte: Gedenkbuch für Telgter Opfer des Nationalsozialismus, Telgte 2017, S. 27-68
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7; Bericht S. 94-96
Werner Schneider, Jüdische Einwohner Recklinghausens 1816-1945, in: 750 Jahre Stadt Recklinghausen. 1236-1986, hrsg. von Werner Burghardt, Recklinghausen 1986
Heinz Reuter, Die Juden im Vest Recklinghausen, Vestische Zeitschrift Bd. 77/78, 1978/1979
Werner Schneider, Jüdische Heimat im Vest Gedenkbuch 1983
Jüdische Holocaust-Gedenkstätten und jüdische Einwohner Deutschlands 1939-1945
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Germany, Jewish Victims of Nazi Persecution, 1933-1945